Alexander I
Leben
Er wurde unter der Leitung des freisinnigen
Schweizer Freimaurers Frédéric-César de la Harpe nach
rousseauschen Grundsätzen erzogen. Für seine Ausbildung sorgte
Katharina II. Dennoch blieb diese oberflächlich. Weich und sentimental, zeigte sich Alexander wohlwollend und für Ideale begeistert, aber auch schwach und unbeständig.
Am 28. September
jul./ 9. Oktober 1793
greg. wurde er mit Prinzessin
Luise von Baden vermählt. Die zwei Töchter Maria (*
18. Mai 1799; †
27. Juli 1800) und Elisabeth (*
3. November 1806 - †
30. April 1808) starben als Kinder.
Alexander I. soll noch eine uneheliche Tochter Sofija (*
1808; †
18. Juni 1824) gehabt haben.
Sein Vater Paul I., seit 1796
Zar, behandelte ihn misstrauisch und willkürlich. Als er durch dessen Ermordung am 12.
jul./ 24. März 1801
greg. auf den Thron gelangte, war er, obwohl er von dem Mord weder gewusst, noch ihn gebilligt hatte, doch anfangs von Rücksichten auf die Mörder Subow,
Pahlen und
Bennigsen abhängig.
Später erlangte das sogenannte
Triumvirat,
Pawel Stroganow,
Nikolai Nowosilzew und
Adam Czartoryski, den bedeutendsten Einfluss auf ihn.
Seiner Persönlichkeit entsprechend, war sein Bemühen vornehmlich auf die innere Entwicklung Russlands gerichtet. In der ersten Hälfte seiner Regierung, namentlich während der ersten Jahre, war er eifrig bestrebt, das Finanzwesen seines Reichs zu ordnen, die geistige Bildung zu fördern und das harte Los der Leibeignen zu mildern.
Estland,
Livland und
Kurland verdanken ihm die Aufhebung der
Leibeigenschaft und die Einführung einer mit dem Institut der Gemeindegerichte verbundenen Bauernordnung. Leibeigne zum Verkauf auszustellen oder in den Zeitungen auszubieten, wurde verboten, die Freilassung derselben und ihre Ansiedlung in den Städten erleichtert. Um diesen und anderen Reformen seine Sorgfalt zuwenden zu können, war Alexander anfangs bemüht, kriegerische Einmischung in die europäischen Angelegenheiten zu vermeiden. Bereits 1802 schloss er mit dem jungen
König von Preußen einen herzlichen Freundschaftsbund (Zusammenkunft in
Memel, Juni 1802), dem beide bis an ihr Lebensende treu geblieben sind.
Gleichzeitig trat Alexander mit
Napoléon Bonaparte, damaligem Ersten Konsul der
französischen Republik, in enge politische Beziehungen, um die Angelegenheiten Europas nach gemeinsamem Einverständnis friedlich zu leiten. 1804 kam es zum Bruch mit Frankreich. Alexander unterstützte 1805
Österreich, trat aber nach der
Schlacht bei Austerlitz vom Bund gegen Napoleon zurück, um den Kampf 1807 zugunsten Preußens zu erneuern, freilich erst, als sein Verbündeter den größten Teil seiner Monarchie bereits verloren hatte.
Als die
preußischen und
russischen Truppen bis über die Memel zurückgedrängt waren, vermittelte Alexander den
Frieden von Tilsit. Dem Abschluss desselben ging die berühmte Zusammenkunft des russischen und des französischen Kaisers am 25. Juni 1807 (in einem auf zwei Flößen in der Mitte der
Memel erbauten Pavillon) voraus, und Alexander, der für Napoleons glänzende persönliche Eigenschaften die größte Bewunderung hegte, ließ sich von demselben zum zweiten Mal für den Gedanken einer gemeinsamen Leitung der europäischen Angelegenheiten gewinnen.
Während des
Erfurter Fürstenkongresses im Oktober 1808 wurde der Bund erneuert und Alexander der Besitz der
Türkei versprochen, gegen die er sofort einen siegreichen Krieg begann. Bei den weit auseinander gehenden Interessen der beiden Staaten dauerte indes diese Eintracht nicht lange, und 1812 kam es von neuem zum Bruch.
Anfangs schien auch Russland dem gewaltigen Imperator unterliegen zu müssen, und nach der Einnahme von Moskau verzweifelte Alexander fast an der Fortführung des Kriegs. Indessen gelang es dem ungebrochenen Mute des Freiherrn
vom Stein, ihn umzustimmen und seine Begeisterung anzufachen. Er erklärte, die Waffen nicht niederlegen zu wollen, ehe Napoleon gestürzt sei. Die Friedensangebote desselben wurden zurückgewiesen, die religiöse und nationale Begeisterung der Russen wachgerufen und das mehr dem Hunger und der Kälte als den Waffen weichende französische Heer auf seinem Rückzug hart bedrängt und fast vernichtet.
Alexanders Entschluss für die Fortführung des Kriegs beförderte die Erhebung Deutschlands, die ohne seine Unterstützung kaum möglich gewesen wäre. In den
Befreiungskriegen übte Alexander als der mächtigste unter den verbündeten Herrschern einen sehr großen Einfluss aus, sowohl auf die militärischen Operationen als auch auf die schonende Behandlung Frankreichs und auf die Rückführung der
Bourbonen.
Der Freimaurerei gegenüber skeptisch gesinnt, gab Alexander I. ein Gutachten über die Tätigkeiten der
Freimaurerlogen in Auftrag. Angefertigt wurde es durch
Ignaz Aurelius Feßler, der 1809 als Professor der orientalischen Sprachen und der Philosophie an die Alexander-Newskij-Akademie in Sankt Petersburg berufen wurde, den Unterrichtsminister Graf Rasumovsky, den Polizeiminister Balaschew und den demokratischen Staatssekretär
Michail Michailowitsch Speranski. In dessen Folge wurde die Freimaurerei 1810 in Russland genehmigt und Alexander I. trat selbst dem Bund bei.
[1]
1814 war der Zar beim
Wiener Kongress für die Eintracht unter den Fürsten und für die Herstellung einer festen Ordnung unermüdlich tätig. Damals hatten die liberalen Ansichten Einfluss auf ihn, und im Sinn derselben suchte er persönlich und durch den Freiherrn vom Stein auf die Regelung der deutschen Verhältnisse durch die
Wiener Schlussakte zu wirken. Auch setzte er durch, dass die
Neutralität der Schweiz anerkannt wurde, und verschaffte den
Ionischen Inseln republikanische Selbstständigkeit. In gleichem Sinn gab er
Polen, das ihm durch die Entscheidung des Wiener Kongresses zugefallen war, eine freisinnige Verfassung.
Unter dem Einfluss der großen Begebenheiten dieser Zeit und auf Anregung der ihn damals in ihre
Mystik ziehenden
Juliane von Krüdener entstand bei dem christlich-frommen Kaiser zuerst die Idee der
Heiligen Allianz, durch deren Verwirklichung er den Frieden der Welt auf einer von den seitherigen politischen Bündnissen weit abweichenden Grundlage festzustellen trachtete, welche aber nur die Handhabe für die
politische Reaktion wurde und, statt die Gemüter zu beruhigen, die Unzufriedenheit mit der bestehenden Ordnung nur noch steigerte. Alexander, dadurch erschreckt und, wie es scheint, durch böswillige Einflüsterungen gegen die Völker mit Misstrauen erfüllt, versuchte mit anderen Fürsten gewaltsame Gegenmittel. Man beriet und beschloss in diesem Sinn auf den Kongressen zu
Troppau,
Laibach und
Verona, und Alexander bot willig die Hand, mit den Aufständen auch den politischen Fortschritt der Völker zu unterdrücken.
In Russland wurden die
Zensur und die strengste Überwachung der Büchereinfuhr wieder eingeführt, die Wissenschaft, Literatur und der Unterricht behindert, Untersuchungen wegen
demagogischer Umtriebe eingeleitet, die
Missionsgesellschaften unterdrückt und allmählich alle Pläne für Reform und Fortbildung aufgegeben. Über das ganze Reich breitete sich das Netz einer offenen und geheimen Polizei, welche allen Verkehr hemmte. Die Erfahrung, dass durch alle diese Maßregeln der Geist des Widerstandes sich nicht bannen ließ, verbitterte den Zar, der teils in den Zerstreuungen eines glänzenden, üppig-frömmelnden Hofs, teils in religiöser Mystik Zerstreuung und Befriedigung suchte.
Unter ständigem Druck
Metternichs wandte sich der Zar wenige Tage nach dem Besuch des fanatischen Mönchs Photius gegen seine eigenen Freunde und am 6. August 1822 erging der Befehl, alle
geheimen Gesellschaften und auch die Freimaurerlogen aufzulösen.
[1]
Die Entwicklung des
griechischen Aufstandes brachte zugleich die Politik des Kaisers in schreienden Widerspruch mit der öffentlichen Meinung. Sein Volk war den
orthodoxen Glaubensverwandten zugetan; Alexander aber missbilligte den Aufstand des griechischen Volkes, weil er darin nur eine Auflehnung gegen ihren rechtmäßigen Oberherrn erblickte.
Der Tod seiner einzigen unehelichen Tochter, die furchtbare Überschwemmung, die 1824 Sankt Petersburg heimsuchte, endlich die Furcht vor einer russisch-polnischen Verschwörung gegen das Haus
Romanow trugen nicht wenig dazu bei, das Herz des Kaisers zu brechen. Körperlich leidend, verdüsterten Gemüts und voll Todesgedanken trat er Mitte September 1825 mit seiner kranken Gemahlin eine Reise in die Krim an, wo er von einem der Halbinsel eigentümlichen Fieber ergriffen wurde. Über seinen Zustand besorgt, ließ er sich nach
Taganrog bringen und starb am 19. November
jul./ 1. Dezember 1825
greg. in diesem fernen Winkel des Reichs. Die Umstände und der Ort seines Todes führten während der restriktiven und strengen, von Misstrauen geprägten Regierung seines Nachfolgers,
Nikolaus I., zur Legendenbildung, wonach Alexander nicht gestorben sei, sondern sich freiwillig als Einsiedler von der Regentschaft zurückgezogen habe. Er lebe heimlich an einem verborgenen Ort und berate von dort einige Größen des Reiches. Diese Sagen hielten sich noch Jahrzehnte nach seinem Tod, man habe Alexander als uralten Mann gesehen, und sie führten zur Verklärung des Monarchen in Teilen der russischen Bevölkerung. Die Macht Russlands stieg unter Alexander zu einer gewaltigen Höhe. Der Wiener Friede und sehr glücklich beendete Kriege gegen
Schweden,
Persien und die
Türkei führten zur Erwerbung des Königreichs
Polen,
Białystoks,
Finnlands,
Grusiens,
Schirwans und
Bessarabiens mit zusammen etwa 10 Mill. Einwohnern. Fast wichtiger noch waren die innere Erstarkung Russlands und der Einfluss, den es auf die Angelegenheiten Europas gewann.
Unter den vielen Denkmälern, die Alexanders Andenken in Russland verewigen, ist besonders die großartige, 1832 auf dem Schlossplatz in Petersburg aufgestellte
Alexandersäule zu erwähnen. In Berlin wurde der bekannte
Alexanderplatz nach dem Zaren benannt.
Alexander I. (Russland) – Wikipedia