KulturSPIEGEL, Januar 2006:
VÖLKERBALL
Alle reden über Fussball, reden Sie mit: Geschichten über die 32 Mannschaften, die im Juni 2006 bei der Weltmeisterschaft in Deutschland antreten. [...]
KROATIEN:
Wenn es ums Dolce Vita geht, da sind sich die Fans der kroatische Nationalmannschafte inig, stehen die Stars aus dem ehemaligen Jugoslawien schon jetzt ganz oben in der Weltrangliste. Models und Mercedes und neuerdings auch Porsche Cayenne, die Statussymbole der Fußballmillionäre, gehören zwischen Zagreb und der dalmatinischen Küste zur Grundausstattug. Umso mehr fällt Tomislav Butina, 31, in der Nationalelf und in seinem Gewerbe auf: Der Torwart steckt sein Geld in Kunst. Genauer: in moderne abstrakte kroatische Kunst. "Ich sammle, seit ich mein erstes Geld verdient habe", sagt der Spitzensportler, der in Zagreb unter jungen Künstlern und Intellektuellen um den renommierten Professor Igor Roncevic gelebt hat. Seeine eigene Galerie musste Butina schließen - seit 2003 steht der 1,91-Meter-Mann beim belgischen Meister Club Brügge KV im Tor. In der flämischen Kulturstadt half der Keeper diesen Sommer mit, das internationale "Corpus"-Kulturfestival zu organisieren - und acht junge kroatische Künstler dafür zu engagieren. "Ich brauche die Ruhe und den Frieden im Museum zum Ausgleich für den Druck zwischen Champions League und Weltmeisterschaft", sagt Butina. Wenn er auf eine Party geht, bringt er als Geschenk ein Kunstwerk mit. Und nach dem Profisport? "Mache ich weiter mit Kunst".
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SERBIEN UND MONTENEGRO:
Mit dem einstigen Belgrader Despoten Slobodan Milosevic, der sich wegen Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Tribunal in Den Haag verantworten muss, teilt sich der serbische Stürmer Savo Milosevic den Nachnamen. Doch für den Star der "Plavi", wie die Nationalspieler wegen ihers blauen Trikots genannt werden, ist das schon zu viel der Gemeinsamkeit, und so gehörte er zu den Ersten, die den damaligen jugoslawischen Präsidenten öffentlich kritisierten. Savo Milosevic symbolisiert einen Neuanfang, auch fußballerisch. Wenn im Juni die großen Fußballnationen gegeneinander antreten, ist Serbien und Montenegro zum ersten Mal dabei - bis 2002 noch lief man unter dem Namen Jugoslawien aufs Feld. Die neuen Realitäten in der Politik und auf dem Rasen sind für Savo Milosevic nur schwer zu begreifen, trägt er doch zwei Seelen in seiner Brust. Der 32-Jährige wurde in einem mehrheitlich von Serben bewohnten Teil Bosniens geboren, seine Jugend hat er auf bosnsichen Bolzplätzen verbracht. Doch wenn er heute nach Bosnien einreist, ist er Ausländer, ein Fremder. Balkan paradox. "Der Kopf verweigert sich", hat er einmal wehmütig gesagt, "ich kann das nicht akzeptieren."