Europa und Österreich sind konfrontiert mit einem völlig unberechenbaren US-Präsidenten, der im Begriff ist, die Allianz mit den Europäern gegen einen "Big Deal" mit Wladimir Putin zu tauschen. Und der will eine neue Weltordnung: eine Rückabwicklung der Sicherheitsarchitektur in Europa. Das zwingt auch Österreich zu einer Entscheidung: Unterwerfungspolitik oder Mitmachen bei europäischer Verteidigung.
Die USA haben ihr Schutzversprechen für die Ukraine praktisch aufgegeben. Das wird Putin aber nicht genügen, er will Europa insgesamt unter seinen direkten und indirekten Einfluss bringen. Direkt, indem er sich noch weitere ex-sowjetische Länder holt: die drei baltischen Staaten, Moldawien, ein Stück Polen (die sogenannte Suwalki-Lücke zwischen den Nato-Staaten Polen und Litauen und der russischen Exklave Kaliningrad), Georgien, vielleicht mehr. Der Rest soll hilflos dem russischen Einfluss unterliegen, regiert von den extrem rechten Russlandfreunden wie Marine Le Pen, Alice Weidel, Viktor Orbán und Herbert Kickl.
Klingt verrückt? Ist es auch, aber nicht unrealistisch. Trump sind die Europäer lästig bei seiner Bromance mit dem bewunderten Putin. Im Unterschied zu seiner ersten Amtszeit gibt es in seinem Umfeld keine "Erwachsenen" mehr, sondern nur Speichellecker und verhaltensauffällige Tech-Oligarchen, die den Staat zerstören und eine Herrschaft genialer Übermenschen errichten wollen.
Gustav Gressel, Russlandexperte und Österreicher mit Offiziersausbildung vom Berliner European Council on Foreign Affairs, sagt in einem Interview mit der FAZ, die Ukraine könne ohne US-Hilfe noch ein Jahr durchhalten, dann würde Putin noch ein Jahr benötigen (auch um die Ukraine "ethnisch zu säubern"), dann könne er "weitermarschieren". Erstes Ziel: die Nato-Staaten des Baltikums. Trump, der auf "president for life" hinarbeitet, würde es dulden.
Ähnliches sagte übrigens ein hoher österreichischer Offizier vor Jahresfrist zum Autor dieser Zeilen. Wenn Putin die Ukraine unterworfen hat, steht er an der ungarischen Grenze "und Orbán macht ihm die Tür auf".
Wir haben auf Sicht die Wahl: Unterwerfung unter Putin oder Mitmachen bei europäischer Verteidigung
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