Nach dem Prügel-Tod eines dreijährigen Buben in Bregenz haben sich Behördenvertreter am Montag unangenehmen Fragen stellen müssen. Wie konnte das passieren? Warum fiel das niemandem auf? Tatsächlich wissen Nachbarn beim "Krone"-Lokalaugenschein über Anzeichen von Misshandlung zu berichten. Auch erste Ergebnisse der Obduktion bestätigen schwerste Gewaltanwendungen am kleinen Cain. Chefermittler Norbert Schwendinger spricht davon, "noch nie so ein schlimmes Verbrechen" erlebt zu haben.
"Das Kind wurde durch Schläge schwerst misshandelt und ist an diesen Verletzungen verstorben", hieß es in einer Aussendung der Sicherheitsdirektion vom Montag. Der Innsbrucker Gerichtsmediziner Walter Rabl konstatierte im Zuge der Obduktion "sehr massive stumpfmechanische Gewalteinwirkung".
"Der Dreijährige wurde am ganzen Körper sehr massiv geschlagen. Wir gehen davon aus, dass ein Gegenstand verwendet wurde", erklärte Chefermittler Norbert Schwendinger vom Landeskriminalamt in der ORF- Sendung "Vorarlberg heute". Es seien auch ältere Verletzungen festgestellt worden, dazu könne man aber noch keine näheren Angaben machen, sondern müsse das schriftliche Ergebnis der Obduktion abwarten.
Wie oft zugeschlagen worden sei und wie die Gewaltanwendung im Detail ausgesehen habe, könne man nicht sagen. "Ich habe in meiner langjährigen Dienstzeit noch nie ein so schlimmes Verbrechen an einem Dreijährigen erlebt", so Schwendinger. Auch der sechsjährige Bruder musste während der Zeit der Liaison zwischen seiner Mutter und dem mutmaßlichen 25- jährigen Täter offenbar Schläge ertragen, wie die Begutachtung des Gerichtsmediziners ergab.
Monatelang dem Sadismus des "Stiefvaters" ausgesetzt
Der Dreijährige und sein knapp doppelt so alter Bruder dürften jedenfalls monatelang dem Sadismus ihres amtsbekannten "Stiefvaters" Milosav Maletic (Bild) ausgeliefert gewesen sein. Die Rolle der 25 Jahre alten Mutter ist noch unklar, sie ist noch nicht vernehmungsfähig. Mit Maletic war sie seit rund einem halben Jahr liiert.
Erstmals in Kontakt mit der Jugendwohlfahrt kam die Familie vor fünf Jahren, als der Mutter ambulante Unterstützung für ihr erstes Kind angeboten wurde. Seit 2007 übernahm die Behörde auch die Vertretung in Unterhaltsangelegenheiten gegen den Vater der Kinder. Es gab somit regelmäßig Kontakt zur Familie. Trotzdem habe bei keiner der Termine etwas auf einen solchen Vorfall hingedeutet, erklärte Bezirkshauptmann Zech am Montag. "Auch von anderer Seite wurden keine entsprechenden Hinweise an die Jugendwohlfahrt herangetragen", betonte er.
Drei Hinweise: Mutter wurde ermahnt, besser aufzupassen
Sowohl der Bezirkshauptmann als auch Werner Grabher, Leiter der Jugendwohlfahrt, äußerten am Montag bei einer Pressekonferenz "tiefe Betroffenheit". Man sei "erschüttert" über die Vorfälle. Gefragt nach den Kontakten mit der Familie, schilderten die Behördenvertreter drei Ereignisse: Im Juli 2010 habe man einen Polizeibericht übermittelt bekommen, dass der ältere Sohn der Frau vom Balkon auf das Dach gestiegen war. Nach Rücksprache mit der Frau seien aber keine weiteren Maßnahmen für nötig befunden worden. Sie wurde ermahnt, besser auf die Kinder aufzupassen, so Grabher.
Ende August 2010 und erneut im Dezember 2010 erhielt die Jugendwohlfahrt dann Anrufe aus dem privaten Umfeld der Mutter mit dem Fokus auf finanzielle Angelegenheiten. Eine Anruferin beklagte dabei auch, dass die Frau mit einem Mann aus der Drogenszene, wahrscheinlich Milosav Maletic, in Kontakt stand. Sie befürchtete offenbar Gefahr für die Mutter. Da es aber "keine Andeutungen auf Gewalt" gegeben habe, sah die Jugendwohlfahrt erneut keinen Handlungsbedarf: "Es gab keinerlei Hinweise auf einen Missbrauch der Mutter oder der Kinder, dass das Kindeswohl gefährdet ist. Wir hatten die Informationen, die jetzt vorliegen, nicht", sagte Grabher.
Der Behördenleiter meint damit Informationen über Miloslav Maletic, der mittlerweile per europäischem Haftbefehl gesucht wird. Dass Maletic bei der Familie lebte und auf die Kinder "aufpasste", wussten die Behörden nicht. "Es ist klar, dass der Mann völlig ungeeignet war, Kleinkinder zu betreuen", so Grabher. Der letzte Besuch eines Betreuers sei jedoch noch in der Zeit erfolgt, bevor sich die Mutter mit dem 25- Jährigen eingelassen hatte.
Nachbarn: Hauptverdächtiger war in Frühpension
Bezirkshauptmann Elmar Zech gab am Montag weitere Details zum Leben des gesuchten 25- Jährigen bekannt. Gegen den gebürtigen Serben, der in Vorarlberg aufwuchs, besteht demnach ein rechtskräftiges Waffenverbot. Im November 2010 sei es zu einem gewalttätigen Vorfall im Elternhaus des 25- Jährigen im Bezirk Bregenz gekommen. Damals wurde auch ein Betretungsverbot ausgesprochen. Zudem lief gegen den Mann ein Führerscheinentzugsverfahren.
Nachbarn der Familie beschäftigt hingegen der Aspekt, dass Milosav Maletic wegen eines angeblichen Gebrechens die Frühpension bewilligt bekommen haben soll und dadurch viel Zeit hatte, um die beiden Buben zu Hause zu quälen. "Zum Arbeiten war er offenbar zu schwach – aber zum Prügeln hat es dann doch noch gereicht", meinte eine zutiefst betroffene Nachbarin am Montag beim "Krone"- Lokalaugenschein. Freilich: Vor- und Anzeichen habe es genügend gegeben. Er habe einmal sogar vor ihr geprahlt, den Kleinen geschlagen zu haben, berichtete Nachbarin Brigitte B. der "Krone". Und der elfjährige Fabian, der öfters auf das spätere Opfer aufgepasst hatte, berichtet davon, dass sein Schützling immer geweint habe, wenn er wieder nach Hause musste.
Mit Faustschlägen zu Tode geprügelt
Samstagabend dürfte Miloslav Maletic dann völlig die Beherrschung verloren haben. Dutzende Male wurde mit der Faust auf den dreijährigen Buben eingeschlagen. Erst als Cain sich nicht mehr rührte, dürfte der mutmaßliche Täter zur Besinnung gekommen sein. "Da ist ein Kind über die Stiege gestürzt, es rührt sich nicht mehr", lautete der Notruf, den der 25- Jährige absetzte. Einziger Augenzeuge des schrecklichen Geschehens war der sechsjährige Bruder.
"Wir werden alles unternehmen, um den Betroffenen bei der Bewältigung des Geschehens zu helfen", betonte Grabher am Montag. Gerade der Sechsjährige, der die Tat mitansehen musste, werde viel Unterstützung brauchen. Wie es mit der Familie weitergehe, könne er derzeit noch nicht sagen.