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Dummbatzige Angriffe, Wut & Frustrationen

Schiptar schrieb:
Schreiber schrieb:
Einmal natürlich aus reiner Neugier und weil man Spaß an kniffligen Fragen hat, aber andererseits las ich vor ein paar Monaten in der FAZ, dass in der Zwischenkriegszeit polnische Historiker sich etwas intensiver mit der Frage beschäftigten um nachzuweisen, dass eigentlich die Elbe-Saale-Grenze gerechtfertigt sei und Leipzig eigentlich eine slawische Stadt namens Lipsk. :wink:
Tja, der übliche nationalistische Wahnsinn der europäischen Moderne eben...

Schreiber schrieb:
Das mit der Neuzeit stimmt aber nicht ganz, sonst wären sowohl Franken als auch Römer nicht so scharf darauf gewesen, angeblich von den Trojanern abzustammen. :lol:
Ha, aber diese antiken bzw. mittelalterlichen Abstammungsmythen kannst du nicht mit denjenigen neuzeitlicher europäischer Nationalisten gleichsetzen.
V.a. fällt ein großer Unterschied auf: Neuzeitliche europäische (Ethno-)Nationalisten möchten immer beweisen, "ihre Nation" stelle im Grunde eine homogene Abstammungs- bzw. Bluts- und Kulturgemeinschaft dar, die auf eine möglichst lange ungebrochene Tradition zurückschaut und schon immer (oder zumindest sehr lange) innerhalb fest umrissenner Grenzen gelebt habe.
Die antiken Römer und mittelalterlichen Franken versuchten offenbar etwas ganz anderes, nämlich durch eine imaginäre Abstammung von einem noch älteren Kulturvolk für ihre Gruppe eine höhere Dignität geltend zu machen.
Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was europäische Ethno-Nationalisten machen. Ein deutscher Nationalist behauptet eben gerade nicht, von einem Trojaner oder dergleichen abzustammen, sondern er hält sich für den direkten Nachfahren altertümlicher "Germanen"...

Ich sehe da keinen großen Unterschied, abgesehen davon, dass beim Trojaner das Territorium wegfällt. Aber bei den Germanen wird ja auch nicht unbeingt auf Sesshaftigkeit gesetzt, die Völkerwanderung war auch im 19. Jahrhundert bekannt.

Wenn man sagt, dass man von den Trojanern abstammt, dann meint man damit doch automatisch, dass das eine homogene Sache ist, oder?
 
Schreiber schrieb:
Aber bei den Germanen wird ja auch nicht unbeingt auf Sesshaftigkeit gesetzt, die Völkerwanderung war auch im 19. Jahrhundert bekannt.
Aber "Germanen" kamen nicht erst im Rahmen der Völkerwanderung auf das Gebiet des heutigen Deutschlands. Denke nur mal an den von der nationalistischen deutschen Historiographie ausgeschlachteten Cherusker Arminius ("Hermann"), der um 9 n. Chr. im Teutoburger Wald die römischen Legionen geschlagen haben soll...

Schreiber schrieb:
Ich sehe da keinen großen Unterschied, abgesehen davon, dass beim Trojaner das Territorium wegfällt. [...] Wenn man sagt, dass man von den Trojanern abstammt, dann meint man damit doch automatisch, dass das eine homogene Sache ist, oder?
Schau dir noch mal den römischen Gründungsmythos an: Da steht meines Wissens nach nur, daß Romulus und Remus vom Trojaner Äneas abstammten. Ein neuzeitlicher europäischer Ethno-Nationalist müßte aber darauf hinweisen, daß sich die Ur-Römer zur Fortpflanzung Frauen aus dem benachbarten Volk der Sabiner raubten und zumindest in der Hinsicht sozusagen bereits halbe Italiker waren. (Ganz zu schweigen von der ethnischen Herkunft von Romulus' Hirtenkollegen, die die Masse seiner Anhänger gestellt haben sollen.)

Wie das bei den Franken und deren Abstammungsmythos war, weiß ich nicht...

Aber im Grunde ist es doch so, daß diese alten Mythen v.a. Mythen der Eliten sind und man dem einfachen Volk dabei keine große Beachtung schenkt. Genau das ist aber beim Ethno-Nationalismus des 19. Jh. ganz anders herum, da stellen alle Schichten der Nation eine homogene biologische Abstammungsgemeinschaft dar.

Natürlich gibt es Gemeinsamkeiten zwischen beiden Vosrtellungen, aber eben auch fundamentale Unterschiede.
 
Schiptar schrieb:
Schreiber schrieb:
Aber bei den Germanen wird ja auch nicht unbeingt auf Sesshaftigkeit gesetzt, die Völkerwanderung war auch im 19. Jahrhundert bekannt.
Aber "Germanen" kamen nicht erst im Rahmen der Völkerwanderung auf das Gebiet des heutigen Deutschlands. Denke nur mal an den von der nationalistischen deutschen Historiographie ausgeschlachteten Cherusker Arminius ("Hermann"), der um 9 n. Chr. im Teutoburger Wald die römischen Legionen geschlagen haben soll....

Ah, stimmt, das ist so eine ähnliche Sache wie "Tannenberg" für die Polen.

PS.: Haben soll? Ich dachte das mit der Schlacht sei eine historische Tatsache? Aber meine Hand würde ich dafür nicht ins Feuer legen, hatte das nur so in Erinnerung.

Viel lustiger finde ich allerdings den Kult um die Schlacht bei Noreia, den Schönerer bei uns im Hood damals aufgezogen hat.



Schiptar schrieb:
Schreiber schrieb:
Ich sehe da keinen großen Unterschied, abgesehen davon, dass beim Trojaner das Territorium wegfällt. [...] Wenn man sagt, dass man von den Trojanern abstammt, dann meint man damit doch automatisch, dass das eine homogene Sache ist, oder?
Schau dir noch mal den römischen Gründungsmythos an: Da steht meines Wissens nach nur, daß Romulus und Remus vom Trojaner Äneas abstammten. Ein neuzeitlicher europäischer Ethno-Nationalist müßte aber darauf hinweisen, daß sich die Ur-Römer zur Fortpflanzung Frauen aus dem benachbarten Volk der Sabiner raubten und zumindest in der Hinsicht sozusagen bereits halbe Italiker waren. (Ganz zu schweigen von der ethnischen Herkunft von Romulus' Hirtenkollegen, die die Masse seiner Anhänger gestellt haben sollen.)

Wie das bei den Franken und deren Abstammungsmythos war, weiß ich nicht...

Aber im Grunde ist es doch so, daß diese alten Mythen v.a. Mythen der Eliten sind und man dem einfachen Volk dabei keine große Beachtung schenkt. Genau das ist aber beim Ethno-Nationalismus des 19. Jh. ganz anders herum, da stellen alle Schichten der Nation eine homogene biologische Abstammungsgemeinschaft dar.

Natürlich gibt es Gemeinsamkeiten zwischen beiden Vosrtellungen, aber eben auch fundamentale Unterschiede.

Das ist sicher ein großer Unterschied, wobei ich mir schon vorstellen kann, dass in den vorchristlichen und vorfeudalen Stammesgesellschaften Abstammungstheorien und Ahnenglaube (vermischt mit der Religion) verbreitet waren, so ist es doch noch heute bei afrikanischen Völkern.
 
Schon, aber diese biologische Nationalismus, wie wir ihn heute leider Gottes noch haben, ist ein jüngeres Produkt, besonders des 19. Jh.
 
Schiptar schrieb:
Schon, aber diese biologische Nationalismus, wie wir ihn heute leider Gottes noch haben, ist ein jüngeres Produkt, besonders des 19. Jh.

Du bist also offensichtlich nicht stolz darauf, von Hengist und Horsa abzustammen. :wink:
 
Haha! :mrgreen: Da sag ich doch nur:

Thus from a Mixture of all Kinds began,
That Het'rogeneous Thing, An Englishman:
In eager Rapes, and furious Lust begot,
Betwixt a Painted Britain and a Scot.
Whose gend'ring Off-spring quickly learn'd to bow,
And yoke their Heifers to the Roman Plough:
From whence a Mongrel half-Bred Race there came,
With neither Name nor Nation, Speech nor Fame.
In whose hot Veins new Mixtures quickly ran,
Infus'd betwixt a Saxon and a Dane.
While their Rank Daughters, to their Parents just,
Receiv'd all Nations with Promiscuous Lust.
 
Schiptar schrieb:
Haha! :mrgreen: Da sag ich doch nur:

Thus from a Mixture of all Kinds began,
That Het'rogeneous Thing, An Englishman:
In eager Rapes, and furious Lust begot,
Betwixt a Painted Britain and a Scot.
Whose gend'ring Off-spring quickly learn'd to bow,
And yoke their Heifers to the Roman Plough:
From whence a Mongrel half-Bred Race there came,
With neither Name nor Nation, Speech nor Fame.
In whose hot Veins new Mixtures quickly ran,
Infus'd betwixt a Saxon and a Dane.
While their Rank Daughters, to their Parents just,
Receiv'd all Nations with Promiscuous Lust.

Jaaa - soweit ich mich erinnere ist das ganz vorn in so einem Nationen-sind-Konstrukte-Buch abgedruckt.

Aber schon komisch, dass in England nie der Pangermanismus domaniant wurde. Damit hätte man auf dem Höhepunkt der Macht gut begründen können, warum England das Recht hat, die armen zersplitterten Brüder auf dem Kontinent einzusacken. Wo man doch schon ein Bein in Hannover hat... Das hört sich natürlich ziemlich dumm an, aber du weißt ja selbst, dass ähnliche Ideen durchaus angegangen wurden, wenn auch nicht immer mit großen Erfolg.
 
PS: In dem ersten Link zum Gedicht:

"This poem (which was enormously popular) was written in answer to The Foreigners: a Poem (1700) by William Tutchin, an attack on William III as a foreigner." :roll: :lol:
 
Schreiber schrieb:
Aber schon komisch, dass in England nie der Pangermanismus domaniant wurde. Damit hätte man auf dem Höhepunkt der Macht gut begründen können, warum England das Recht hat, die armen zersplitterten Brüder auf dem Kontinent einzusacken. Wo man doch schon ein Bein in Hannover hat... Das hört sich natürlich ziemlich dumm an, aber du weißt ja selbst, dass ähnliche Ideen durchaus angegangen wurden, wenn auch nicht immer mit großen Erfolg.
Tja, für England war wohl die Beherrschung der Weltmeere wichtiger als direkte Macht auf dem Kontinent, aufgrund dieses mythisch-geographischen Selbstverständnisses als Inselvolk, das mit den Leuten auf dem Kontinent nichts zu tun habe.
Außerdem ist aufgrund der großen historischen Eroberungen bzw. Mischungen zwischen keltischen Briten, westgermanischen Angelsachsen, skandinavischen Dänen und romanisierten Normannen einfach eine größere Distanz zu ethno-nationalistischen Abstammungsmythen natürlich, auch wenn sich bei nationalistischen englischen Dumpfbacken ebenfalls eine gewisse Verengung auf die (Angel-)Sachsen als die direkten Vorfahren antreffen läßt...
 
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