Erdogan droht EU mit Aus
Selbstbewusste Türkei fühlt sich behandelt "wie ein Land zweiter Klasse" - Erdogan bat Putin um Aufnahme in "Shanghai Five"
Ankara/Peking/Moskau - Recep Tayyip Erdogan hat die Nase voll von Europa. Mit seinem öffentlichen Nachdenken über ein Ende der türkischen EU-Bewerbung legt der türkische Premier die Zerrüttung des türkisch-europäischen Verhältnisses offen. Euro-Krise, innerer Streit und Scheinheiligkeit in den Türkei-Verhandlungen haben das Ansehen der EU ramponiert, gleichzeitig wächst das Selbstbewusstsein Ankaras.
Viele Europäer dürften froh sein, dass die Türken von sich aus zu erkennen geben, dass sie keine Lust mehr haben auf die EU. Doch Erdogans Gedankenspiele sind auch ein Anzeichen für einen Bedeutungsverlust der EU auf internationaler Ebene.
"Shanghai Five"
Erdogan sagte im Fernsehen, er habe den russischen Präsidenten Wladimir Putin um die Aufnahme seines Landes in die "Shanghai Five" gebeten, die für Russland, China und einige zentralasiatische Staaten eine Plattform für die wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit bieten. "Dann sagen wir der EU auf Wiedersehen", sagte er.
Erdogan ist bekannt für verbale Paukenschläge, denen nicht unbedingt handfeste politische Entscheidungen folgen. Seine europakritischen Signale, die nicht zuletzt an die eigene konservative Wählerschaft gerichtet waren, sind nicht unbedingt Vorboten eines offiziellen EU-Ausstiegs der Türken.
Bedeutsam sind die Äußerungen dennoch. Erdogan weiß, dass sich die Türkei seit Jahrzehnten nach Aufnahme in den Verein der westeuropäischen Demokratien sehnt, weil sie darin die Erfüllung eines staatspolitischen Traums sieht, die Vollendung einer Vision von einer modernen und rechtsstaatlichen Republik.
Erdogan weiß Wähler hinter sich
Die meisten türkischen Wähler denken laut neuen Umfragen wie Erdogan: Eine Mehrheit lehnt inzwischen eine Fortsetzung der EU-Bewerbung ab. Die Unterstützung für das Ziel des Beitritts ist innerhalb von zehn Jahren von mehr als 70 Prozent auf etwa 33 Prozent geschrumpft.
Bisher haben sich die europäischen und atlantischen Partner der Türkei nur sehr zurückhaltend zu Erdogans Überlegungen geäußert. Die US-Regierung ließ erklären, Erdogans Pläne für einen Beitritt zu den von China und Russland dominierten "Shanghai Five" seien "interessant", NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sieht erst einmal keine unüberwindlichen Widersprüche zwischen der Mitgliedschaft der Türkei im westlichen Verteidigungsbündnis und einer Annäherung an das chinesisch-russische Bündnis.
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