«Als die Bäume mitten im Sommer ihre Blätter verloren ?»
Die Nato-Kriege im ehemaligen Jugoslawien
Eine Bosnierin berichtet 2006 auf die Frage «Wie geht es in Ihrem Land?»: «Vor dem Krieg lebten die Völker Jugoslawiens friedlich zusammen, wir hatten alle genügend zu essen, und die medizinische Versorgung der Menschen war gesichert. Als der Krieg kam und mit ihm die Uranmunition und der viele andere Dreck, verloren zuerst mitten im Sommer die Bäume ihre Blätter. Dann begannen die Menschen an Krebs zu sterben. Von meiner Generation lebt die Hälfte nicht mehr. So war es in jedem Land des ehemaligen Jugoslawiens, in das der Krieg getragen wurde. Zuerst starben die Bäume, dann die Menschen.»
zf. Warum wird über die Folgen der Nato-Bombardierungen mit Uranwaffen, Bosnien 1995 und Serbien-Kosovo 1999, beharrlich geschwiegen? Auch wenn vollständige Daten nach wie vor fehlen, beobachten wir heute eine ungewöhnliche Zunahme bösartiger Tumore und eine erhöhte Sterblichkeit.
Bosnien 1995
Nach Aussagen von Professor Nedeljkovic von der Universität Nis sind die Folgen des Nato-Bombardements während des Bosnien-Krieges verheerend und besonders am Beispiel der Ortschaft Hadzici zu sehen. Er hält fest: «Praktisch hat dieser Ort seine ganze Bevölkerung auf Grund der explosionsartigen Entwicklung von Krebserkrankungen in den Jahren nach den Bombardierungen verloren.»
Quelle: Le Courrier des Balkans, Übersetzung von Persa Aligrudic; Erstveröffentlichung am 27.9.06, online am 2.10.06
Die Serben ahnten, dass die Bevölkerung von Hadzici nach der Bombardierung einer gefährlichen Kontamination ausgesetzt sein könnte, und siedelten 3500 Bürger in das serbische Gebiet Bosniens nach Bratunac um ? aber es war zu spät, denn viele Menschen waren bereits verseucht.
Eine Bürgerin von Hadzici erzählt: «Wir wohnten im Zentrum von Hadzici. In der Nähe gab es eine Reparaturwerkstatt der serbischen Armee. Die Gegend wurde am häufigsten bombardiert. Und auch das Zentrum wurde bombardiert. Was wussten wir einfachen Leute denn, worum es ging? Dass hier aber etwas nicht stimmte, hat uns ein Fall bewiesen: Ein kleines Mädchen hat in einem Bombenkrater gespielt und anschliessend fielen ihr alle Fingernägel ab. Sie wurde ins Militärkrankenhaus nach Belgrad gebracht zu weiteren Untersuchungen. Offensichtlich war etwas in der Kratererde, was das verursacht hat. Das ist alles so schrecklich.»
Von den 3500 Umgesiedelten aus Hadzici starben in den nächsten 5 Jahren 1112 an Krebserkrankungen ? fast ein Drittel dieser Menschen.
Kosovo und Serbien 1999
Gemäss der zugänglichen Information sind im Laufe der 78 Tage dauernden Operation «Engel der Barmherzigkeit»
15 Tonnen abgereichtertes Uran auf 7 Orte im Süden Serbiens, vor allem rund um Vranje und Bujanovac, und nahezu 20 Tonnen auf 105 Orte in Kosovo, insbesondere rund um Prizren und Pec, abgeworfen worden.
Quelle: Le Courrier des Balkans, Übersetzung von Persa Aligrudic; Erstveröffentlichung am 27.9.06, online am 2.10.06
Mitar Visnic, Ex-Major der serbischen Armee: «Wir waren überzeugt, dass man die Uranmunition hier nicht anwenden würde. Wir haben gedacht, dass es nur ein kleiner Krieg wird. Heute sehe ich, es war ein gut vorbereiteter Krieg, dreckig und heimtückisch, und dass wir nur Spielfiguren waren, an denen man alles ausprobieren konnte. Oder man wollte etwas loswerden, wovon man zuviel hatte.»
Die Serben selbst haben während der Angriffe der alliierten Nato-Verbände akribisch alle Angriffe und Bombardierungen dokumentiert und kontaminierte Gebiete entsprechend gekennzeichnet.
Der frühere finnische Umweltminister Pekka Haavisto, der Vorsitzende des UNEP-Untersuchungsteams, war verärgert, weil die Nato beinahe eineinhalb Jahre die Herausgabe von geographischen Angaben hinauszögerte. Haavisto: «Wir stellten mitten in Dörfern, wo Kinder spielten, Strahlung fest. Wir waren überrascht, dass dies noch eineinhalb Jahre später [nach dem Krieg] der Fall war. Die Menschen bewahrten Munitionssplitter als Souvenirs auf, und in den verseuchten Gebieten grasten Kühe. Das bedeutet, dass der verseuchte Staub in die Milch gelangen kann.»
Quelle: Helen Caldicott, Atomgefahr USA. Die nukleare Aufrüstung der Supermacht, München 2003, ISBN 3-7205-2385-3, S. 268
«Im November 2002 bestätigte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) das Vorhandensein von abgereichertem Uran an Orten, die von der Nato bombardiert worden waren. Dort liess sich ein 100-facher Anstieg der Urankonzentration im Grundwasser feststellen. Die Sterblichkeitsrate in diesen Gebieten hat sich verdoppelt, zumeist auf Grund von Krebs sowie Leukämieerkrankungen bei Kindern.»
Quelle: Helen Caldicott, a.a.O., S. 267f.
Erst auf Drängen der Serben hat die Nato eine Karte veröffentlicht, auf der sie die Gebiete der Uranwaffeneinsätze gekennzeichnet hat. Vergleicht man diese Aufzeichnungen mit denen der Serben, so stellt sich heraus, dass die Angaben der Nato nur die Hälfte der tatsächlichen Uranwaffeneinsätze aufzeigt.
Nach Ansicht der Nato drohen der Bevölkerung in diesen Regionen auch keine Gefahren.
Dazu der serbische Oberst Predrag Manojlovic: «Natürlich haben wir solche Berichte nicht akzeptiert, weil wir der Meinung sind, dass es sich um radioaktive Munition handelt, die vielerlei Erkrankungen bei der Bevölkerung verursachen kann, und dass die Gefahr immer bleiben wird. Unser Ziel war es, das wegzuräumen, die Gefahren zu begrenzen und zu verhindern, dass abgereichertes Uran zu einer Gefährdung wird, in die Nahrungskette, das Grundwasser gelangt und damit die Bevölkerung, die Tiere und den ganzen Lebensraum bedroht.»
Inzwischen hat die serbische Armee seit 2003 erfolgreich die Sanierung einiger kontaminierter Gebiete abschliessen können. Dabei wurde Geschoss für Geschoss der Uranmunition ausgegraben und der verseuchte Boden auf einer Giftmülldeponie entsorgt. Aber jetzt fehlt das Geld, diese wichtige Arbeit fortzusetzen.
Dr. Radomir Kovacevic, Institut für Arbeitsmedizin und Strahlenschutz, Belgrad, im Frühjahr 2006: «Wir erhalten jedes Jahr von unserer Regierung sogenannte ?Jährliche Statistiken?. Momentan beschäftigen wir uns sehr mit dem Uran-238 und wie stark dieses Uran auf uns einwirkt. Die serbische Industrie ist in den letzten 10 Jahren durch den Krieg, durch Sanktionen und durch alles mögliche völlig ausgelöscht worden, so dass keine Emission gefährlicher Chemikalien durch die Industrie in unser Ökosystem möglich war.
Aber die Belastungen, die uns physisch betrachtet seit Tschernobyl betreffen, haben sich in der Natur durch das Uran-238 der Uranwaffen deutlich verstärkt, so dass es hier jetzt eine zusätzliche grosse Belastung gibt. Deshalb beobachten wir die Risikogruppen Kinder und alte Menschen sehr genau. In den letzten 5 Jahren sind die Todesfälle von bösartigen Krebserkrankungen drastisch auf 9 Prozent gestiegen. Unsere Prognosen sagen, dass diese Zahl in den kommenden 10 Jahren auf 20 Prozent steigen wird.» ?
http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/...eume-mitten-im-sommer-ihre-blaetter-verloren/