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Seit ein Leipziger Paar verurteilt wurde, wird heftig diskutiert, ob Inzest unter Geschwistern verboten bleiben muss. Eines der wichtigsten Beratergremien des Bundes fordert jetzt die Freigabe.
Der Fall von Patrick S. und seiner Partnerin Susan K. hat in Deutschland vor einigen Jahren für erheblichen Wirbel gesorgt. Die beiden Leipziger waren ein Paar, sie haben vier Kinder – soweit ist alles in Ordnung. Aber S. und K. sind Geschwister und zwei ihrer Kinder sind behindert. Ihre Beziehung ist inzestuös. Der Paragraf 173 im Strafgesetzbuch enthält die Formulierung: "Ebenso werden leibliche Geschwister bestraft, die miteinander den Beischlaf vollziehen." S. saß deshalb bereits mehr als drei Jahre lang im Gefängnis. Klagen des Paares gegen die Verurteilung blieben erfolglos.
Nun sind die Geschwister zwar mittlerweile getrennt, doch möglicherweise wird eine Beziehung wie ihre eines Tages vom Gesetzgeber tatsächlich akzeptiert. Ausgerechnet der Deutsche Ethikrat – das offizielle Beratungsgremium von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat – stellt sich auf die Seite von Geschwister-Liebespaaren.
Im Kern geht es bei dem heiklen Thema Inzest um die Abwägung zwischen sexueller Selbstbestimmung und der Frage des Kindeswohls. Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiesen in ihren Urteilen 2008 beziehungsweise 2012 die Klagen des sächsischen Paares zurück, vor allem auch mit Blick auf die Gefährdung der Kinder in einer solchen Beziehung. Angeführt wurde, dass Kinder von Geschwisterpaaren besonders häufig an genetisch bedingten Erkrankungen leiden – zugleich auch unter Diskriminierung. Ethisch, so meinen Verbotsverfechter, sei das Inkaufnehmen dieser Risiken nicht zu akzeptieren.
[h=2]Tiefer Eingriff in sexuelle Selbstbestimmung[/h]Der Deutsche Ethikrat kommt nun zu einem anderen Ergebnis: Die Möglichkeit, dass risikobehaftete Kinder entstehen, reiche nicht aus, um einvernehmliche Inzesthandlungen zwischen Geschwistern zu verbieten. "Das strafrechtliche Verbot bedeutet einen tiefen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung", heißt es in einer Stellungnahme, die den Angaben des Rats zufolge durch eine Mehrheitsentscheidung von 14 zu neun Stimmen zustande gekommen ist.
Die herkömmliche nicht-inzestuösen Familienstrukturen werden vom Rat sogar als "symbolische Abstrakta" bezeichnet, zu deren Schutz das "schärfste Instrument staatlicher Eingriffe" – gemeint ist das strafrechtliche Verbot – nicht eingesetzt werden dürfe.
Dabei diskutierte der Ethikrat den Schutz der Familie durchaus kontrovers, wie aus dem Papier hervorgeht. Letztlich erscheint den Ethikern nur eine solche Inzestbeziehung "problemlos", die nicht in einer zusammenlebenden Familie entsteht. Das traf auf S. und K. zu, denn die beiden wuchsen getrennt auf und lernten sich erst kennen und schließlich lieben, als S. bereits volljährig und seine Schwester 16 Jahre alt war. Hierbei, so notiert der Ethikrat, sei "der Wunsch, eine beiderseitige Liebe auch als Beziehung verwirklichen zu dürfen", vorrangig, weil er niemanden schädige.
Eindeutiger fällt dagegen die Haltung des Gremiums zu den sogenannten "Gen-Argumenten" aus. Das Beischlaf-Verbot zum Schutz von möglicherweise gezeugten Kindern sei "nicht logisch", weil Inzestpaare sich auch bei Verhütung strafbar machten. Aber auch wenn Kinder gezeugt würden, "lässt sich aus diesem Umstand kein triftiges Argument gegen einvernehmliche Inzesthandlungen ableiten".
[h=2]Freiheitsschutz der Wenigen versus Gefühlsschutz der Mehrheit[/h]Schließlich verbiete man auch anderen genetisch belasteten Paaren nicht das Kinderkriegen. Überhaupt müsse das Tabuthema Inzest kritisch analysiert werden. Der Freiheitsschutz der Wenigen werde dem Gefühlsschutz der Mehrheit unterworfen – ersterem müsse aber ein moralisches und rechtliches Gewicht zugemessen werden.
Rund um das Thema Inzest wird seit Langem eine kontroverse Debatte geführt, die der Ethikrat im Grunde nun aufgriff. Wissenschaftler, Juristen, Theologen und Soziologen streiten über das moralische Tabu, die Frage, ob Inzestkinder tatsächlich häufiger genetische Schäden haben oder, ob ein liberaler Rechtsstaat sich in das Liebesleben zweier Erwachsener überhaupt einmischen darf. In den meisten europäischen Ländern ist Sex unter Geschwister verboten und wird strafrechtlich verfolgt – in Frankreich aber bereits seit 1810 nicht mehr, also seit der Rechtsreform durch Napoleon I.
Im Zuge seiner Arbeit hatte sich der Ethikrat auch mit Betroffenen ausgetauscht. Sie litten vor allem unter dem Druck, ihre Beziehung geheim halten zu müssen, berichtet der Rat. Die Rede ist von der Angst vor gesellschaftlicher Ächtung, Jobverlust und nicht zuletzt Strafverfolgung. In einem Fall war eine Frau vom Vater und Ex-Mann sogar erpresst worden. Sollte sie die neue Beziehung zu ihrem Halbbruder nicht abbrechen, würden die beiden dafür sorgen, dass ihr die Kinder entzogen würden.
[h=2]Ethikrat hat nur beratende Rolle[/h]Der Ethikrat bekräftigt, er sehe es "als seine Aufgabe an, sich auch mit Problemen zu befassen, die zwar nur wenige Menschen betreffen, dies aber unter Umständen in gravierender Weise". Zudem warnt der Rat, dass wegen der Zunahme von Samenspenden das Inzestthema dringlicher werden könnte.
Der Ethikrat hat die Aufgabe, mit Stellungnahmen und Empfehlungen den Gesetzgeber zu beraten, stößt aber immer wieder gesellschaftliche Debatten an. Im März 2011 sorgte er für Aufsehen, als er vorschlug, die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID) bei künstlicher Befruchtung zuzulassen. Hierbei werden Embryonen, die aus künstlicher Befruchtung entstehen, auf Erbkrankheiten untersucht, bevor sie in die Gebärmutter eingepflanzt werden. Wenig später stimmte der Bundestag in einer namentlichen Abstimmung für ein Gesetz, das die PID bei einer genetischen Belastung der Eltern mit Erbkrankheiten erlaubt.
[h=2]Kritik aus der Union[/h]Kritik an den Empfehlungen zum Inzest unter Geschwistern äußerte am Mittwoch umgehend die Union. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, sagte: "Die Abschaffung der Strafbarkeit des Inzests unter Geschwistern wäre ein falsches Signal." Sie fügte hinzu: "Der Wegfall der Strafandrohung gegenüber inzestuösen Handlungen innerhalb von Familien würde dem Schutz der unbeeinträchtigten Entwicklung von Kindern in ihren Familien zuwider laufen."
Man dürfe nicht nur Erwachsene im Blick haben, die außerhalb familiärer Strukturen freiwillig eine Beziehung eingingen, sondern müsse zuallererst Kinder und Jugendliche vor möglichen Übergriffen in ihrem familiären Umfeld schützen, sagte Winkelmeier-Becker: "Fast immer geht Inzest mit der Abhängigkeit eines Partners und äußerst schwierigen Familienverhältnissen einher."
Ethikrat fordert Aufhebung des Inzestverbots - Nachrichten Politik - Deutschland - DIE WELT
Daran zu denken macht ja einen Krank.......
Der Fall von Patrick S. und seiner Partnerin Susan K. hat in Deutschland vor einigen Jahren für erheblichen Wirbel gesorgt. Die beiden Leipziger waren ein Paar, sie haben vier Kinder – soweit ist alles in Ordnung. Aber S. und K. sind Geschwister und zwei ihrer Kinder sind behindert. Ihre Beziehung ist inzestuös. Der Paragraf 173 im Strafgesetzbuch enthält die Formulierung: "Ebenso werden leibliche Geschwister bestraft, die miteinander den Beischlaf vollziehen." S. saß deshalb bereits mehr als drei Jahre lang im Gefängnis. Klagen des Paares gegen die Verurteilung blieben erfolglos.
Nun sind die Geschwister zwar mittlerweile getrennt, doch möglicherweise wird eine Beziehung wie ihre eines Tages vom Gesetzgeber tatsächlich akzeptiert. Ausgerechnet der Deutsche Ethikrat – das offizielle Beratungsgremium von Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat – stellt sich auf die Seite von Geschwister-Liebespaaren.
Im Kern geht es bei dem heiklen Thema Inzest um die Abwägung zwischen sexueller Selbstbestimmung und der Frage des Kindeswohls. Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiesen in ihren Urteilen 2008 beziehungsweise 2012 die Klagen des sächsischen Paares zurück, vor allem auch mit Blick auf die Gefährdung der Kinder in einer solchen Beziehung. Angeführt wurde, dass Kinder von Geschwisterpaaren besonders häufig an genetisch bedingten Erkrankungen leiden – zugleich auch unter Diskriminierung. Ethisch, so meinen Verbotsverfechter, sei das Inkaufnehmen dieser Risiken nicht zu akzeptieren.
[h=2]Tiefer Eingriff in sexuelle Selbstbestimmung[/h]Der Deutsche Ethikrat kommt nun zu einem anderen Ergebnis: Die Möglichkeit, dass risikobehaftete Kinder entstehen, reiche nicht aus, um einvernehmliche Inzesthandlungen zwischen Geschwistern zu verbieten. "Das strafrechtliche Verbot bedeutet einen tiefen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung", heißt es in einer Stellungnahme, die den Angaben des Rats zufolge durch eine Mehrheitsentscheidung von 14 zu neun Stimmen zustande gekommen ist.
Die herkömmliche nicht-inzestuösen Familienstrukturen werden vom Rat sogar als "symbolische Abstrakta" bezeichnet, zu deren Schutz das "schärfste Instrument staatlicher Eingriffe" – gemeint ist das strafrechtliche Verbot – nicht eingesetzt werden dürfe.
Dabei diskutierte der Ethikrat den Schutz der Familie durchaus kontrovers, wie aus dem Papier hervorgeht. Letztlich erscheint den Ethikern nur eine solche Inzestbeziehung "problemlos", die nicht in einer zusammenlebenden Familie entsteht. Das traf auf S. und K. zu, denn die beiden wuchsen getrennt auf und lernten sich erst kennen und schließlich lieben, als S. bereits volljährig und seine Schwester 16 Jahre alt war. Hierbei, so notiert der Ethikrat, sei "der Wunsch, eine beiderseitige Liebe auch als Beziehung verwirklichen zu dürfen", vorrangig, weil er niemanden schädige.
Eindeutiger fällt dagegen die Haltung des Gremiums zu den sogenannten "Gen-Argumenten" aus. Das Beischlaf-Verbot zum Schutz von möglicherweise gezeugten Kindern sei "nicht logisch", weil Inzestpaare sich auch bei Verhütung strafbar machten. Aber auch wenn Kinder gezeugt würden, "lässt sich aus diesem Umstand kein triftiges Argument gegen einvernehmliche Inzesthandlungen ableiten".
[h=2]Freiheitsschutz der Wenigen versus Gefühlsschutz der Mehrheit[/h]Schließlich verbiete man auch anderen genetisch belasteten Paaren nicht das Kinderkriegen. Überhaupt müsse das Tabuthema Inzest kritisch analysiert werden. Der Freiheitsschutz der Wenigen werde dem Gefühlsschutz der Mehrheit unterworfen – ersterem müsse aber ein moralisches und rechtliches Gewicht zugemessen werden.
Rund um das Thema Inzest wird seit Langem eine kontroverse Debatte geführt, die der Ethikrat im Grunde nun aufgriff. Wissenschaftler, Juristen, Theologen und Soziologen streiten über das moralische Tabu, die Frage, ob Inzestkinder tatsächlich häufiger genetische Schäden haben oder, ob ein liberaler Rechtsstaat sich in das Liebesleben zweier Erwachsener überhaupt einmischen darf. In den meisten europäischen Ländern ist Sex unter Geschwister verboten und wird strafrechtlich verfolgt – in Frankreich aber bereits seit 1810 nicht mehr, also seit der Rechtsreform durch Napoleon I.
Im Zuge seiner Arbeit hatte sich der Ethikrat auch mit Betroffenen ausgetauscht. Sie litten vor allem unter dem Druck, ihre Beziehung geheim halten zu müssen, berichtet der Rat. Die Rede ist von der Angst vor gesellschaftlicher Ächtung, Jobverlust und nicht zuletzt Strafverfolgung. In einem Fall war eine Frau vom Vater und Ex-Mann sogar erpresst worden. Sollte sie die neue Beziehung zu ihrem Halbbruder nicht abbrechen, würden die beiden dafür sorgen, dass ihr die Kinder entzogen würden.
[h=2]Ethikrat hat nur beratende Rolle[/h]Der Ethikrat bekräftigt, er sehe es "als seine Aufgabe an, sich auch mit Problemen zu befassen, die zwar nur wenige Menschen betreffen, dies aber unter Umständen in gravierender Weise". Zudem warnt der Rat, dass wegen der Zunahme von Samenspenden das Inzestthema dringlicher werden könnte.
Der Ethikrat hat die Aufgabe, mit Stellungnahmen und Empfehlungen den Gesetzgeber zu beraten, stößt aber immer wieder gesellschaftliche Debatten an. Im März 2011 sorgte er für Aufsehen, als er vorschlug, die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID) bei künstlicher Befruchtung zuzulassen. Hierbei werden Embryonen, die aus künstlicher Befruchtung entstehen, auf Erbkrankheiten untersucht, bevor sie in die Gebärmutter eingepflanzt werden. Wenig später stimmte der Bundestag in einer namentlichen Abstimmung für ein Gesetz, das die PID bei einer genetischen Belastung der Eltern mit Erbkrankheiten erlaubt.
[h=2]Kritik aus der Union[/h]Kritik an den Empfehlungen zum Inzest unter Geschwistern äußerte am Mittwoch umgehend die Union. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, sagte: "Die Abschaffung der Strafbarkeit des Inzests unter Geschwistern wäre ein falsches Signal." Sie fügte hinzu: "Der Wegfall der Strafandrohung gegenüber inzestuösen Handlungen innerhalb von Familien würde dem Schutz der unbeeinträchtigten Entwicklung von Kindern in ihren Familien zuwider laufen."
Man dürfe nicht nur Erwachsene im Blick haben, die außerhalb familiärer Strukturen freiwillig eine Beziehung eingingen, sondern müsse zuallererst Kinder und Jugendliche vor möglichen Übergriffen in ihrem familiären Umfeld schützen, sagte Winkelmeier-Becker: "Fast immer geht Inzest mit der Abhängigkeit eines Partners und äußerst schwierigen Familienverhältnissen einher."
Ethikrat fordert Aufhebung des Inzestverbots - Nachrichten Politik - Deutschland - DIE WELT
Daran zu denken macht ja einen Krank.......