Habt ihr beiden hübschen was zum Thema zu sagen? Falls nicht wiedersehen
ja habe ich! Im Gegensatz zu dir!
Libyen auf dem »Weg zur Demokratie«
Der Rebellion der Ehrlosen ist ein letztes ruhmloses Kapitel hinzugefügt worden. Oberst Muammar Al-Ghaddafi wurde aller Wahrscheinlichkeit nach weder bei dem NATO-Luftangriff auf einen Fahrzeugkonvoi noch bei einem anschließenden Feuergefecht getötet, sondern von seinen Feinden mit gezielten Kopfschüssen kaltblütig hingerichtet. Für diese Annahme spricht nicht zuletzt, daß eine vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gewünschte Untersuchung der Leiche Ghaddafis vom libyschen Übergangsrat abgelehnt worden ist.
Auch den finalen Akt ihrer Machtergreifung haben die libyschen Rebellen nicht aus eigener Kraft zustande gebracht. Es bedurfte eines NATO-Bombardements, um sich Ghaddafis zu bemächtigen. Daß die Aufständischen mit ihrem Gefangenen »kurzen Prozeß« machten, dürfte seinen Grund darin haben, daß sie sich dem Risiko eines ordentlichen Gerichtsverfahrens, in dem auch ihre Greueltaten und die ihrer massakererprobten ausländischen Helfer zur Sprache hätten kommen können, nicht aussetzen wollten.
Die Ermordung Ghaddafis soll offenbar zum Gründungsmythos des neuen libyschen Staates werden. Nach den Worten des Chefs des Übergangsrates, Mahmud Dschibril, ist für Samstag die Verkündung »des Beginns der Übergangsphase auf dem Weg zu einem demokratischen Staat« vorgesehen. Aus dem »Staat der Volksmassen«, als der sich Ghaddafis Libyen verstand, soll eine Demokratie nach westlichen Vorgaben entstehen. Mit Volkssouveränität, wie sie die libysche Dschamarija zumindest dem Anspruch nach verkörperte, hat das sicher nichts zu tun. Sie wäre der Umverteilung des nationalen Ölreichtums zu den multinationalen Konzernen nur hinderlich.
Der neue »Eigentumspluralismus« läßt auch im Inneren scharfe Verteilungskonflikte erwarten. Dazu kommen die unterschiedlichen ideologischen Orientierungen innerhalb einer Negativkoalition, die einzig über die Ablehnung des gestürzten Regimes definiert ist. Da gibt es die seit Jahrzehnten auf der CIA-Gehaltliste stehenden Exilpolitiker, ins westliche Lager übergelaufene frühere Ghaddafi-Getreue, »Afghanen« genannte Gotteskrieger und vielleicht auch ein paar aufrechte Demokraten und Patrioten, die sich der westlichen Bevormundung zu entledigen trachten. So steht zu befürchten, daß sich die Übergangsphase zur Demokratie entweder endlos hinzieht oder mittels eines Staatsstreiches ein schnelles Ende zugunsten der prowestlichen Oligarchie findet. Als wahrscheinlichste Variante erscheint freilich ein Bürgerkrieg der Bürgerkriegssieger.
»Die NATO und unsere Partner haben das historische Mandat des UN-Sicherheitsrates zum Schutz der libyschen Bevölkerung erfolgreich umgesetzt«, verkündet derweil NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Eine zynischere Vollzugmeldung eines zu einem barbarischen Luftkrieg gegen Zivilisten umgedeuteten UN-Mandates zum Schutz der Zivilbevölkerung hat man bisher noch nicht gehört.
22.10.2011: Kurzer Prozeß (Tageszeitung junge Welt)