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Gastarbeiter - gerufen wurden Arbeiter und es kamen Menschen

  • Ersteller Ersteller Gelöschtes Mitglied 30004
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Das ist die traurige Wahrheit über das Leben als Gastarbeiter
Die Entscheidung, ins Ausland zu gehen und dort nach Arbeit und Einkommen zu suchen, zählt zu den anspruchsvollsten Entscheidungen, vor denen ein Mensch stehen kann.

Damit verbunden ist häufig auch das Verlassen der Familie, der Freunde und des gesamten sozialen Umfelds, wobei unklar ist, ob jemals eine Rückkehr in die Heimat möglich ist. Aus diesem Grund hat die Veröffentlichung eines Serben über sein Leben als Gastarbeiter sowohl in westlichen Ländern als auch während seines Urlaubs in Serbien viele Leser zum Nachdenken gebracht.

Der Twitter-Thread, dessen genauer Autor unbekannt ist, beschreibt emotional und detailliert, wie mühsam erworbenes Eigentum in EU-Ländern nach dem Tod der Eltern oft verkauft wird, da die Nachkommen selten beschließen, nach Serbien zurückzukehren und dort eine Zukunft aufzubauen. Der Autor schildert eindrücklich, wie es sich anfühlt, in einem fremden Land zu leben und zu arbeiten, 50 km entfernt von der Wohnung, in der er lebt und sich in seiner Freizeit kaum etwas leisten kann.

In Serbien hingegen investiert er hart verdientes Geld in den Bau eines Hauses, das er nur selten besucht, während die Jahre im Westen einfach an ihm vorbeiziehen. Auch im Alter kommt die Heimat kaum noch in Betracht, da die Familie keine Bindung mehr zu dem Land hat und das Anwesen schließlich nach dem Tod der Eltern verkauft wird.

 
Šlehtes dojč? Wie lustig!
Menschen auszulachen, weil ihre Aussprache, Rechtschreibung oder Grammatik nicht perfekt ist, ist kleinlich und peinlich. Und es ist definitiv kein guter Journalismus

Die Älteren unter Ihnen kennen bestimmt den alten Sketch von Lukas Resetarits, in dem sich ein türkischer und ein jugoslawischer Gastarbeiter darüber streiten, wer der bessere Gastarbeiter ist: "Ençuligen bite, wo Taliastrase?" – "Kolega, was mus Taliaštrase? Andare baušele!"

Um die gelungene sozialkritische Satire auch vierzig Jahre später verstehen zu können, muss man einiges über Wien wissen, seine Geschichte, seine Menschen und auch über Lukas Resetarits. Ja, viele Gastarbeiter haben tatsächlich so gesprochen. Verben im Infinitiv, deutlich von der Muttersprache gefärbte Aussprache und Betonung, keine Grammatikregeln einhaltend. Und ja, sie mochten und mögen sich untereinander auch nicht immer, aber das ist eine andere Geschichte.

Keine Zeit für Deutsch
Ima arbajten! Geld nach Hause schicken. Keine Zeit für Deutschkurse, das Angebot war damals aber ohnehin dünn. Und viele Chefs wiesen ihre Untergebenen auch gerne in "gebrochenem Deutsch" an, das war auch nicht hilfreich.

Und wie haben die Gastarbeiter geschrieben? Na, genauso "schlecht" natürlich. Einige mit recht unsicherer Hand, weil das Schreiben noch weniger Platz in ihrem Alltag hatte als das Erlernen der korrekten Sprechweise.

 
Jovan Ritopečkis Fotografien der jugoslawischen Arbeitsmigration
Ein fotografischer Blick, der migrantisches Leben in Österreich nah und solidarisch sichtbar macht

Im Gastblogbeitrag der Balkanforschung der ÖAW beschreibt Vida Bakondy das fotografische Werk des jugoslawischen Pressefotografen Jovan Ritopečki, der über zwei Jahrzehnte den Alltag, die Vereine und die sozialen Realitäten jugoslawischer Arbeitsmigrant:innen in Österreich dokumentierte. Seine Bilder zeigen nicht Fremdheit, sondern Nähe, Dialog und Selbstbewusstsein und bilden heute ein einzigartiges visuelles Archiv einer Gemeinschaft, die zwischen sozialistischer Herkunft und österreichischem Arbeitsleben eine eigene Form von Zugehörigkeit entwickelte.

Am 3. Juni und 4. Juni 1989 fanden im Wiener Hanappi-Stadion die 10. Arbeitersportspiele statt, das größte jährliche Sportereignis der jugoslawischen Community in Österreich. Seit fast einem Jahrzehnt versammelten sich alljährlich Mitglieder jugoslawischer Kultur- und Sportvereine aus den Bundesländern an verschiedene Orte in Österreich, um unter dem Motto "Brüderlichkeit und Einheit" sportliche Leistungen zu erbringen, aber auch transnationale Zugehörigkeit zu feiern. Das Programm umfasste Wettbewerbe in verschiedenen Sparten: von Fußball über Tischtennis bis hin zu Schach oder Seilziehen. Zwei Tage lang wehten im Stadion die österreichische und die jugoslawische Flagge Seite an Seite. Die Spiele folgen einem festen etablierten Ritual: Eröffnungsreden von Politiker:innen und Funktionären aus Jugoslawien und Österreich, Folkloredarbietungen, der feierliche Einmarsch der Sportler:innen, gefolgt von Wettkämpfen und der Siegerehrung. Zur Eröffnung der zehnten Spiele sprach auch der damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk: "Ich möchte Ihnen sagen, dass ich mir Wien nicht vorstellen könnte, ohne unsere jugoslawischen Freunde, ohne die Mitarbeiter. Sie sind ein Bestandteil unserer Stadt, so wie die Donau und der Stephansdom."

 
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