[h1]Diplomatische Bemühungen laufen an: EU vermittelt zwischen Moskau und Tiflis[/h1]
[h2]Frankreichs Außenminister Kouchner stellt Vier-Stufen-Plan vor - Georgien nimmt offenbar alle EU-Vorschläge an - Russland fordert "ultimativ" Abzug Georgiens aus Abchasien - USA werfen Russland "Terrorkampagne" vor - Sarkozy reist nach Moskau[/h2]
Tiflis/Moskau - Die Europäische Union hat ihre Vermittlungen im Kaukasus-Konflikt aufgenommen. Der französische Außenminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Bernard Kouchner und sein finnischer Kollege Alexander Stubb, als Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), sprachen am Sonntagabend mit dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili in Tiflis. Dabei stellten sie einen Vier-Stufen-Plan vor, der zunächst eine Feuerpause aller Konfliktparteien vorsieht. In der nächsten Stufe sollten alle Verwundeten versorgt werden, sagte Kouchner laut Medien in Tiflis.
Kouchner fordert Beobachter
"Die dritte Stufe für eine Deeskalierung wäre der Rückzug der Truppen auf beiden Seiten, aber ein Rückzug, der von Beobachtern begleitet wäre", sagte Kouchner. Vierte Stufe wäre die Rückkehr zu
politischen Verhandlungen, betonte der Außenminister, der heute zu Gesprächen in Moskau erwartet wird. Stubb sagte, er sehe seine Rolle als Krisenmanager. "Wir sind nicht hier, um zu suchen, wer was wann, wo und wie getan hat", unterstrich der Diplomat. Georgien nimmt nach Angaben des französischen EU-Ratsvorsitzes "nahezu alle Vorschläge" an, die die Europäische Union zur Beendigung des Konfliktes mit Russland gemacht hat
Am Rande des Besuches von Kouchner und Stubb berichteten Medien in Tiflis von russischen Luftangriffen auf die georgische Stadt Gori. Dazu sagte ein russischer Armeesprecher der Agentur Interfax, ihm lägen darüber keine Informationen vor. Russische Medien berichteten ihrerseits, die südossetische Hauptstadt Zchinwali läge unter georgischem Artilleriefeuer. Auch dafür fehlten unabhängige Quellen.
Russland fordert "ultimativ" Abzug aus Abchasien
Russland hat indes Georgien ultimativ zum Abzug seiner Truppen aus der sezessionistischen Teilrepublik Abchasien aufgefordert. Der Oberkommandierende der russischen Truppen in Abchasien, General Sergej Tschaban, verlangte am Montagmorgen laut einer Meldung der Moskauer Nachrichtenagentur Interfax den Abzug aller georgischen Kräfte binnen weniger Stunden aus der Sicherheitszone, die Georgier und Abchasen voneinander trennt. Von georgischer Seite wurde das Ultimatum sofort zurückgewiesen. "Kein georgischer Polizist wird seine Waffen niederlegen", sagte der georgische Reintegrationsminister Temur Jakobaschwili im georgischen Fernsehen.
General Tschaban erklärte, sollte die georgische Seite der Aufforderung nicht Folge leisten, würden russische Soldaten auf georgisches Territorium vordringen.
Einsatz in Südossetien laut Medwedew "kurz vor Abschluss"
Der russische Militäreinsatz in Südossetien steht nach den Worten des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew kurz vor dem Abschluss. "Ein wesentlicher Teil des Einsatzes mit dem Ziel, die georgische Regierung zu einem Friedensschluss in Südossetien zu zwingen, ist abgeschlossen", erklärte Medwedew nach einer Meldung der Moskauer Nachrichtenagentur Interfax am Montag anlässlich seiner Beratungen mit dem Generalstab sowie mit Ministerpräsident Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergej Lawrow im Hauptquartier der Armee. Die südossetische Hauptstadt Zchinwali "ist unter der Kontrolle des verstärkten Kontingents der russischen Friedenstruppe".
USA werfen Russland "Terrorkampagne" vor
In New York beendete der UN-Sicherheitsrat seine erneuten Beratungen über eine gemeinsame Erklärung zum Konflikt zwischen Georgien und Russland. Nach Angaben eines Diplomaten machten die Vertreter der westlichen Staaten bei der Ausarbeitung eines Entwurfs auf der Basis des Kouchner-Plans gute Fortschritte. Während der Debatten im UN-Sicherheitsrat kam es zu einem scharfen Schlagabtausch zwischen US-Botschafter Zalmay Khalilzad und seinem russischen Kollegen Witali Tschurkin, der stellenweise an die Rhetorik aus der Ära des Kalten Kriegs erinnerte. Khalilzad warf Russland vor, mit einer "Terrorkampagne" die Ablösung der demokratisch gewählten Regierung in Tiflis zu betreiben. Tschurkin wies die Vorwürfe entschieden zurück. Diese seien "inakzeptabel, besonders, wenn sie von dem Vertreter eines Landes stammen, dessen Aktionen im Irak, Afghanistan und Serbien uns allen wohlbewusst sind". US-Präsident George W. Bush kritisierte die russische Militäraktion gegen Georgien als "unverhältnismäßige Reaktion". Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy will am morgigen Dienstag in seiner Eigenschaft als amtierender EU-Ratsvorsitzender nach Moskau reisen, um im Südkaukasus-Konflikt zu vermitteln. Das kündigte der französische Außenminister Bernard Kouchner am Montag in einem Interview mit dem Sender RTL in der georgischen Hauptstadt Tiflis aus an. Der Élysée-Palast in Paris bestätigte dies zunächst nicht.
Kämpfe gingen trotz einseitiger Waffenruhe weiter
Ungeachtet einer von Georgien einseitig ausgerufenen Waffenruhe waren am Sonntag die Kämpfe zwischen georgischen und russischen Truppen weitergegangen. Russland warf Georgien vor, sich in dem Konflikt um die abtrünnige Region Südossetien nicht an die eigene Ankündigung zu halten. Zugleich machte Moskau ein schriftliches Waffenstillstandsabkommen zur Voraussetzung für eine Einstellung der Kämpfe.
Russische Marine riegelte Häfen ab
Die russische Kriegsmarine riegelte die Zufahrt zu den georgischen Schwarzmeerhäfen ab. Mit der Seeblockade sollten Waffenlieferungen an Georgien unterbunden werden. Am Sonntagabend versenkte die russische Marine im Schwarzen Meer ein georgisches Kriegsschiff. Nach Angaben
Moskaus hatte es zuvor russische Schiffe angegriffen.
Moskau weist Berichte über Bombardierung georgischer Städte zurück
Russische Kampfflugzeuge bombardierten mehrere georgische Städte. Berichte georgischer Medien, wonach erstmals auch die Hauptstadt Tiflis angegriffen wurde, wies Moskau zurück als "Provokation mit dem Ziel, die internationale Gemeinschaft zu täuschen". Nachdem georgische Truppen in der Nacht zum Freitag nach Südossetien vorgerückt waren, brachte Russland am Wochenende mit 10.000 Soldaten, hunderten Panzern und Kampfbombern weite Teile der abtrünnigen Region unter seine Kontrolle. Die georgischen Einheiten zogen sich aus der südossetischen Hauptstadt Zchinwali in die umliegenden Berge zurück.
Der russische Präsident Dmitri Medwedew beklagte "tausende Tote" im Konfliktgebiet. Nach unbestätigten Angaben aus Südossetien starben allein in Zchinwali etwa 2000 Menschen. In den Trümmern der weitgehend zerstörten Stadt harrten tausende Zivilisten aus. In den Straßen lagen Leichen. Die südossetische Führung sprach von einer humanitären Katastrophe. Tiflis bezifferte die Zahl der bisher bei den Kämpfen getöteten Georgier auf etwa 200. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissars Antonio Guterres flohen in den vergangenen Tagen mehr als 30 000 Menschen vor den Kämpfen aus Südossetien ins benachbarte Nordossetien. Tausende säßen zwischen den Fronten fest.
Russlands Regierungschef Wladimir Putin warf den Georgiern "Völkermord" vor. Medwedew begründete die russischen Militärschläge in einem Telefonat mit US-Präsident George W. Bush mit "barbarischen Handlungen" Georgiens in Südossetien. Saakaschwili, ein enger Verbündeter der USA, beschuldigte Russland, Georgien zerstören zu wollen.
Laut Tiflis alle Einheiten aus Konfliktgebiet abgezogen
Nach georgischen Angaben wurden nach Verkündung der einseitigen Feuerpause bis Sonntagabend alle "Militäreinheiten aus dem Konfliktgebiet" abgezogen. Russland bestätigte zwar den Erhalt einer
entsprechenden Note aus Tiflis. Zugleich kritisierte Moskau aber die Fortsetzung von Kampfhandlungen durch georgische Soldaten.
Das ebenfalls von Georgien abtrünnige Gebiet Abchasien kündigte Unterstützung für Südossetien an und verhängte am Sonntag das Kriegsrecht. Die moskautreuen Machthaber in der international nicht anerkannten Republik am Schwarzen Meer riefen die Mobilmachung ihrer Truppen aus. Abchasische Streitkräfte rückten im Landkreis Gali gegen georgische Stellungen vor.
Bush: "Unverhältnismäßige Reaktion"
US-Präsident George W. Bush kritisierte die russische Militäraktion gegen Georgien als "unverhältnismäßige Reaktion". In einem Gespräch mit dem russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin habe er zudem seine große Sorge angesichts des russischen Vorgehens im Konflikt um Südossetien geäußert, sagte Bush in einem Interview des US-Fernsehsenders NBC Sports am Montag, dem letzten Tag seines Besuches der Olympischen Spiele in Peking.
In dem Gespräch mit Putin am Freitag in Peking habe er deutlich gemacht, dass "diese Gewalt inakzeptabel ist". Er habe gefordert, dass alle Truppen auf den Stand vor dem 6. August zurückgezogen würden. Ähnlich habe er sich in einem Telefongespräch mit Präsident Dmitri Medwedew geäußert, sagte Bush. (APA/dpa/AP)