und noch etwas and die Griechen:
Die stummen Zeugen, goldene Figuren, Trinkhörner, Zaumzeuge, Krüge aus Königs- und Heldengräbern kämen dadurch besonders gut zur Geltung. Solch goldene Grabbeigaben belegen eindrucksvoll, wie kostbar den Thrakern das Reich der Toten war.
Eines der spektakulärsten Stücke der Ausstellung überrascht den Besucher gleich am Eingang: eine ungeheuer plastisch gemalte Jagdszene aus einem Hügelgrab im Südosten Bulgariens. Künstler aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. haben sie geschaffen.
Das Bild wurde vor drei Jahren in einem Dorf bei Aleksandrovo im Südosten von Bulgarien entdeckt. Dort hatten Archäologen den Grabhügel untersucht. Er enthält eine runde Kammer von etwa drei Metern Durchmesser, in die man nur kriechend gelangen kann. Im Innern fand man den vier Meter langen Fries mit den Jagdszenen. Zentrale Figur ist ein nackter, kräftiger Mann, der mit einer Doppelaxt bewaffnet einen schwarzen Eber verfolgt. Einer seiner Hunde ist dem bereits verwundeten Tier auf den Rücken gesprungen, um sich in dessen Nacken zu verbeißen.
Die Forschung geht davon aus, daß in dieser Szene ein Mythos dargestellt wird, der für die Religion der Thraker eine herausragende Bedeutung hatte. Der nackte Mann ist dieser Deutung zufolge „Zalmoxis“, von den Griechen als „Zeus“ übersetzt. Er ist der Sohn der Großen Muttergöttin der Thraker und wird mit der Sonne assoziiert. Auch seine Doppelaxt ist ein vertrautes Sonnensymbol. Die Nacktheit des Mannes soll die überirdische, göttliche Sphäre darstellen, der er angehört. Der schwarze Eber ist nach dieser Lesart Symbol einer dunklen, irdischen Macht. Die Jagdszene beschreibt demnach, wie der Sonnengott Zeus in jedem Frühling den Winter besiegt und wie sich die Thraker den elementaren Konflikt der beiden großen Naturmächte vorgestellt haben.
Zur Zeit des frühen Thrakien stand die Fruchtbarkeit im Mittelpunkt der Religion. In speziellen Fruchtbarkeitsriten verehrten die Ackerbauern eine „Große Muttergöttin“, um gute Ernten zu erbitten. In späteren Jahrhunderten gab es bei den Griechen mit Gaja, Rhea, Kybele oder Demeter Nachfolgerinnen dieser sehr alten Göttinnenfigur.
Die Ausstellung in Bonn zeigt Werke von einer kunsthandwerklichen Meisterschaft, über die der Betrachter nur staunen kann. Die Schau entstand in Kooperation mit dem Ministerium für Kultur der Republik Bulgarien. Es werden die prachtvollen Gold- und Silberschätze dieser einzigartigen und zu Unrecht vergessenen Zivilisation in einem umfassenden kulturellen Zusammenhang präsentiert, der von der frühen Jungsteinzeit (ab etwa 7000 v. Chr.) bis ins 2. Jahrhundert n. Chr. reicht.
Wo die Thraker siedelten
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| Thrakien und die benachbarten Völker in Südosteuropa |
Der Balkan, das Hauptsiedlungsgebiet der Thraker, war in der Jungsteinzeit (6200 bis 2800 v. Chr.) eine der kulturell fortschrittlichsten Regionen Europas. Ab dem Ende des 7. Jahrtausends v. Chr. gab es hier große, planmäßig angelegte Siedlungen von Ackerbauern mit einer reichen Kultur. Sie gilt als der eigentliche kulturelle Kern Alteuropas.
Der ursprüngliche Lebensraum der thrakischen Stämme, von denen rund 90 namentlich bekannt sind, lag zwischen dem heutigen Istanbul und der bulgarisch-serbischen Grenze. Der Staat Bulgarien verbindet mit den Thrakern seinen Gründungsmythos. Das heutige Bulgarien war ihr Kernland. Sie siedelten in Südosteuropa und Kleinasien, vor allem in den fruchtbaren Gefilden unterhalb der hohen schneebedeckten Berge, die sich im Norden erstrecken, dem Schwarzen Meer im Osten, den Gebieten der Illyrer im Westen (Adria, Ost-Österreich, Serbien, Albanien). Ihr Gebiet lag südlich der Steppen, in denen die Skythen lebten und nördlich von Makedonien. Die Thraker gelten als eines der ältesten und größten indoeuropäischen Völker. Die thrakische Kultur ist von Beginn an geprägt durch einen regen kulturellen Austausch. Thrakien lag am Einfallstor von Asien nach Europa. Die Region wurde so nach Auffassung der Kulturwissenschaft zur Entstehungszone sämtlicher bedeutender Zivilisationen der Alten Welt. Die Kultur Thrakiens wuchs im Austausch mit den
Griechen, den
Persern, den
Skythen und anderen eurasischen Steppenvölkern, den Kelten, den Römern und sogar mit dem ägyptischen Reich.
„Offensichtlich hat sich in den thrakischen Gebieten in Südosteuropa und Kleinasien ein Jahrtausende währender Prozeß der Indoeuropäisierung vollzogen, weswegen diese Gebiete als eine der sicheren indoeuropäischen ‚Urheimaten‘ gelten“. So heißt es bei Kalin Porozanov vom Institut für Thrakologie, Sofia, in seinem Beitrag „Indoeuropäer in Eurasien“ im Katalog der Ausstellung über die Thraker.
„Heimat schneller Rösser“ und „Mutter der Schafe“ nennt Homer Thrakien, wo kampfeslustige und gefürchtete Stämme lebten, „Lanzenträger“ und „Streitwagenkämpfer“. Dort war der rauhe Nordwind Boreas zu Hause. Die befestigten Residenzen im Zentrum des Gebiets zwischen dem Unterlauf der Donau und der Ägäis belegen, daß in der späten Bronzezeit die dort lebenden Fürsten den Herrschern mykenischer Burgen durchaus ebenbürtig waren an Macht und Reichtum.
Die Thraker besaßen nach dem heutigen Stand der Wissenschaft keine eigene Schrift, standen aber in engem Kontakt zu den Griechen und ihrer Kultur. Die Sprache der Thraker ist bis heute so gut wie unbekannt. Aus einigen wenigen in griechischen Buchstaben verfaßten Inschriften hat man jedoch geschlossen, daß sie zur indogermanischen oder indoeuropäischen Sprachfamilie gehörte.
Was die Griechen über die Thraker berichten
Unter den Griechen waren die Thraker vor allem als tollkühne Meister im Nahkampf gefürchtet. Fast scheint es, als hätten sie ein heldenhaftes Sterben im Kampf geradezu gesucht, um danach einen Platz im Totenreich zu erhalten. Den aber wollten sie bis aufs Blut verteidigen. Nur so ist wohl zu erklären, warum in Bonn so viele Helme, Schwerter und Rüstungsteile aus Grabbeilagen zu sehen sind.
Zur Zeit der Hochkultur von Mykene (1400 bis 1200 v. Chr.), gegen Ende der Bronzezeit, traten die Thraker auf die historische Bildfläche. Sie wurden vom griechischen Dichter Homer als mächtige Verbündete Trojas geschildert. Homer war es im Grunde, der die Thraker durch seine Dichtung „Ilias“ ins Bewußtsein des Abendlandes befördert hat.
Homer bezeichnet das Volk im Norden, jenseits des Rhodopen-Gebirges, als erster mit dem Namen Thraker. Im 10. Gesang der Ilias schildert er, wie Odysseus den thrakischen König Rhesus erlebte:
„So sind dort eben die Thraker gesondert gekommen und liegen fern von den andern. Ihr König ist Rhesus, Eioneus Erbe. Rosse sah ich noch nie so schön und so groß wie die seinen. Weißer als Schnee und im Lauf so schnell wie eilende Winde. Kunstreich ist sein Wagen aus Gold und Silber gefertigt. Und mit gewaltigen Waffen aus Gold, man sieht sie mit Staunen, rückte er an. Fürwahr, nicht sterblichem Manne gebührt es, solche zu tragen, sie sind bestimmt für ewige Götter.“
Von den thrakischen Stämmen
Aus der Vielzahl der thrakischen Stämme ragen nur wenige besonders hervor. Zu ihnen gehören die Geten, die ab dem 6. Jahrtausend v. Chr. in den Gebieten zu beiden Seiten der unteren Donau lebten. Gegen Mitte des 1. Jahrhunderts tragen sie dann den Namen Daker. Die Bewohner der Ebene zwischen der Donau und dem Balkan sind als Myser bekannt. Die altgriechischen Autoren schildern besonders sie als legendäre Meister des Nahkampfs. Für die Römer wurden sie zu den zähesten Gegnern bei der Unterwerfung unter ihre Herrschaft.
Im westlichen Teil der Gebiete südlich der Donau, im heutigen Nordwestbulgarien und Nordostserbien lebten die Triballer. Als mächtigste Thraker südlich des Balkangebirges werden die Odrysen genannt. Sie gründeten Ende des 6., Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. zwischen den Flüssen Tundza, Mariza und dem Ägäischen Meer einen Staat. Außerdem kontrollierten sie die östlichen Rhodopen und das Stranz-Gebirge bis zur Schwarzmeerküste sowie die Ebene oberhalb des Marmarameeres.
In den inneren Gebieten der Rhodopen lebten die Bessen, die auch das zentrale Heiligtum der Thraker beherrschten, das dem Gott Dionysos geweiht war. Im Raum zwischen dem unteren Lauf von Vardar und Struma hatten sich die Edonen angesiedelt, die zu den hartnäckigsten Gegnern Athens im 5. Jahrhundert wurden.
In Anatolien errichteten die Bithynier ein unabhängiges Königreich. In den Gebieten dieser Stämme wurden die unglaublichen Schätze der thrakischen Aristokratie gefunden, die in Grabkammern und Grabhügeln den Verstorbenen mitgegeben wurden. Diese Stätten stellen den Archäologen zufolge auch gleichzeitig die hauptsächlichen Orte der thrakischen Macht dar bis zum Beginn der römischen Herrschaft.
Für die Bildung einer solchen Macht der Thraker auf dem Balkan waren die von Norden aus der Steppe eingewanderten Nomaden vor allem verantwortlich. Sie brachten neue Ideen, Produkte und handwerkliches Können mit. Diese Völkerschaften aus dem Norden vermischten sich bald mit der einheimischen Bevölkerung. So entstanden die Thraker aus der Vereinigung indoeuropäischer Reitervölker mit der bodenständigen Bevölkerung.
Die thrakische Religion vereinte nach der Einwanderung der Steppenreiter die alteuropäische Verehrung der Großen Muttergöttin mit einem Sonnenkult, der in der Person des Zagreus oder Zeus als Sohn dieser Muttergöttin personifiziert wurde. Auf dem Jagdfries von Aleksandrovo trat er besonders eindrucksvoll in Erscheinung.
Die thrakische Religion war in Geheimbünden mit strengen Riten organisiert. Sie wurde in Felsenheiligtümern, in Höhlen und auf Bergen, besonders im Rhodopen-Gebirge zwischen dem heutigen Bulgarien und Griechenland, ausgeübt.