„Wer hat das organisiert?“
Von solchen Reaktionen weiß auch der Publizist Takis Michas zu berichten, der sich wie kein Zweiter in seinem Land mit der Rolle Griechenlands in den Balkankriegen beschäftigt hat. Die Ergebnisse seiner Recherchen hat er in dem Buch „Die unheilige Allianz - Griechenland und Milosevics Serbien“ zusammengefasst. Es ist bezeichnend, dass Michas das Buch zunächst in englischer Übersetzung veröffentlicht hat, da er nicht zu Unrecht vermutete, dass es nur durch die ausländischen Reaktionen darauf auch in Griechenland Aufmerksamkeit finden werde. Für Michas steht fest:
„Griechen kämpften in Srebrenica mit dem Wissen der griechischen Behörden. Es gab in Griechenland jeden Tag Berichte über diese Leute, die in Bosnien gegen eine Regierung kämpften, die damals von der Staatengemeinschaft als die einzige legitime Regierung des Landes anerkannt war. Aber niemand hat versucht, dem nachzugehen“.
Die Griechen unter Mladics Befehl charakterisiert er als „Jungs vom Lande“, die von den Verzerrungen der Berichterstattung in den griechischen Medien beeinflusst worden seien. Nach Bosnien seien sie mit der vagen Vorstellung gegangen, „dass sie im Kampf gegen die Muslime irgendwie auch für die griechische Souveränität kämpften“. Über die serbischen Massaker in Bosnien sei nämlich kaum und zudem meist in Form von Meinungsartikeln berichtet worden. Takis spricht von einer „umfassenden Unterstützung“ der griechischen Medien und auch der Mehrheit der Öffentlichkeit für die Politik Milosevics in Serbien, Kroatien und Bosnien. Das führe jedoch zu einer wichtigeren Frage: „Wer hat das organisiert, wer hat es angeordnet?“
Weltanschauliches Gemisch
Seine Recherchen führten den Autor bis an die Regierungsspitze. Der bis 1993 regierende konservative Ministerpräsident Mitsotakis habe auf Milosevic gesetzt, weil er ihn - einer damals auch anderswo gängigen Fehleinschätzung folgend - für einen Stabilitätsfaktor hielt. Zudem nahm aber auch und gerade die griechische Linke für Milosevic Partei, denn der Umstand, dass er zeitweilig scheinbar gegen die Amerikaner kämpfte, schien ihn für einige Leute zu einem Linken zu machen. Der Antiamerikanismus, der bei den Griechen schon en vogue war, bevor er durch George Bush auch anderswo zur Erkennungsparole politischer Korrektheit wurde, ist laut Michas in Griechenland schlicht eine Variante des Nationalismus, der mit dem eingebildeten Antikapitalismus vieler Hellenen Hand in Hand gehe. „Jeder hier praktiziert Kapitalismus, aber man nennt es nicht gern so.“
Dieses weltanschauliche Gemisch, das auch vielen Anhängern Milosevics in Serbien zu eigen war, kam dem Belgrader Machthaber in den neunziger Jahren gut zupass. Andreas Papandreou allerdings, der erzpopulistische Nachfolger von Mitsotakis im Amt des Regierungschefs, mochte Milosevic nicht, „weil er ihn für zu amerikanisch hielt. Er war aber ein großer Bewunderer von Radovan Karadzic“, stellt Michas fest. Die Bewunderung für den seit 1995 vor dem Haager UN-Tribunal als Kriegsverbrecher angeklagten bosnischen Serbenführer wusste dieser zu erwidern.
„Wir haben heute nur noch zwei Freunde, die Griechen und Gott, aber das ist nicht wenig“, sagte er in für ihn typischem Pathos bei einem Besuch in Athen am 15. Juni 1993, mitten im Bosnienkrieg, als er Ehrengast eines griechisch-serbischen Freundschaftstreffens war. Damals wurde er von dem damaligen Oppositionsführer Papandreou von der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung sowie von Mitsotakis empfangen.
Massaker von Srebrenica: Unerwünschtes Stochern in alten Geschichten - Ausland - Politik - FAZ.NET