Erdoğan bringt den Islam ins Spiel: „Angriffe gegen Kopftuch und Moscheen“
Den Angaben des Vorbeters der Dolmabahçe-Moschee zufolge habe es einen derartigen Vorfall nicht gegeben, berichtet die Hürriyet. Verletzte Demonstranten sollen lediglich Zuflucht in der Moschee gesucht haben. Sie seien vom Vorbeter aufgenommen und verarztet worden. Niemand habe die Moschee mit den Schuhen betreten und niemand habe Alhohol zu sich genommen.
Wie kann man nur so dreist lügen....
Wie Erdogan hetzt und droht
Die Menschen, die in der Türkei massenhaft gegen die Regierung demonstrieren - für den türkischen Ministerpräsidenten sind sie alle Plünderer, Vandalen, Alkoholiker und Terroristen. Doch die Propaganda-Lügen, mit denen Recep Tayyip Erdoğan die Protestbewegung zu denunzieren versucht, fliegen im Zeitalter des Internet schnell auf.
Während seine Parteifreunde bemüht sind moderatere Töne anzuschlagen, nehmen die Drohungen des Recep Tayyip Erdoğan mit jeder Rede die er hält zu. Am Sonntag sprach der türkische Ministerpräsident in Adana, Mersin und gleich vier Mal in Ankara zu seinen Anhängern und bezeichnete diesmal nicht nur die Demonstranten, sondern deren Unterstützer als "Çapulcu", was so viel heißt wie Marodeure und Plünderer. Im gleichen Atemzug sagte er, dass "die Jugend, die ihren Ministerpräsidenten beleidigt, nicht meine Jugend sein kann." Er hingegen beleidigt seit Beginn der Proteste pauschal alle Demonstranten als Plünderer, Vandalen, Alkoholiker und Terroristen. "Wenn ihr mit euren Handlungen so weitermacht, werden wir euch mit der Sprache antworten, die ihr versteht", sprach Erdoğan eine unmissverständliche Drohung aus. Dabei sind die überwiegend alle Menschen, die sich auf den Plätzen der Großstädte versammeln, friedlich.
Die Gewalt geht und ging seit der gewaltsamen und brutalen Räumung der Protestcamps im Gezi-Park am Taksim-Platz in Istanbul - der Auslöser für die landesweiten Proteste - von der Polizei aus. In Istanbul hat sich die Lage derzeit weitestgehend beruhigt, in Ankara und Adana geht die Polizei weiter hart gegen die Demonstranten mit Wasserwerfern, Tränengas, Pfefferspray und Schlagstöcken vor.
„Wenn wir wollten, würden wir sie in einem Löffel Wasser ertränken“
Die Methoden, um die AKP-Anhänger zu mobilisieren und die Rolle der regierungstreuen Medien wird derweil immer grotesker. Am Samstagabend warb der Sender BeyazTV- ein vor drei Jahren gegründeter Sender - das er mit neun TV-Kameras und einem Hubschrauber von Erdoğans Reden in Ankara berichten wird. Der Sender gehört Osman Gökçek, Sohn von Ankaras Bürgermeister Melih Gökçek. Dieser regiert dort seit 1994 und ist seit 2001 Mitglied der AKP. „Wenn wir wollten, würden wir sie – die Demonstranten – in einem Löffel Wasser ertränken“, hatte Gökçek vor wenigen Tagen getönt.
Er ließ am Samstagabend von der Stadtverwaltung eine SMS an das gesamte Flughafenpersonal schreiben, dass sie am Sonntag am Flughafen zu erscheinen hätten, um "den großen Führer des Volkes" am Flughafen willkommen zu heißen. "Wer frei hat, bekommt den Tag bezahlt, für diejenigen, die mit dem Auto kommen müssen, gibt es ein Spritgeld von 100 Lira. Wer nicht erscheint, muss mit rechtlichen Konsequenzen rechnen",
hieß es in der SMS. Dass dieser Aufruf in Zeiten von sozialen Medien nicht unentdeckt bleiben würde, hat er sicher gewusst, konnte ihm aber auch egal sein. Bis auf die Sender Halk TV und Ulusal TV machen alle Fernsehanstalten bei der Propaganda mit. Die Reden wurden dann wahlweise von TRT, CNN-Türk und NTV in einer gemeinsamen Ausstrahlung gezeigt oder ausschließlich von Beyaz TV, die ihre Bilder bereitwillig den anderen Nachrichtensendern zur Verfügung stellten. Übrigens hatte der Sender CNN-Türk eine für Samstag angekündigte Dokumentation über die Proteste im Gezi-Park kurzfristig aus dem Programm genommen.
Erdogan geht immer nach dem gleichen Muster vor
Die sechs Reden von Erdoğan waren jedes Mal vom gleichen Muster geprägt: Die Leistungen der Regierung und von ihm selbst wurden überhöht, die Demonstranten denunziert. Dabei stachelte er bewusst seine gläubige Anhängerschaft auf. "Sie beleidigen unsere Schwestern mit Kopftüchern und gehen mit Bierflaschen und Schuhen in meine Moschee, in der ich bete", behauptete Erdoğan unter Buhrufen. Dabei demonstrieren Frauen mit und ohne Kopftuch gemeinsam und die Situation, auf die er sich bezog, war in Wahrheit wie folgt: Der Imam der Valide Sultan-Moschee im Istanbuler Stadtteil Dolmabahçe hatte am dritten Tag der Demonstrationen nachts die Türen für die Verletzten geöffnet, damit sie behandelt werden und dem Tränengas in den Straßen entkommen können. Das hat der Imam in einem Interview mit der Zeitung Radikal bereits am vergangenen Montag bestätigt. Außerdem gibt es mehrere Videoaufnahmen
Erdoğan hielt an der Lüge fest und wurde prompt von einem ehemaligen Weggefährten widerlegt. Ertuğrul Günay, ehemaliger Kultur- und Tourismusminister und AKP-Mitglied, war selbst in die Moschee gegangen, um sich ein Bild zu machen, und bestätigte die Sicht des Imams, wie er am Sonntag mitteilte. In den regierungstreuen TV-Sendern gab es dazu kein Sterbenswörtchen und keine Klarstellung.
Türkei: Wie Erdogan hetzt und droht | Politik - Frankfurter Rundschau