VERDECKTE ERMITTLUNG20. Oktober 2010 18:48; Akt: 20.10.2010 18:48 Print
Haben Pädophile im Netz freie Bahn?
von Marius Egger - Eine Gesetzeslücke verhindert ab 2011 verdeckte Ermittlungen. Trotzdem gibt es Mittel, Pädophile, die sich im Netz tummeln, weiter zu jagen, sagt Staatsanwalt Thomas Hansjakob.
Herr Hansjakob, haben Pädophile im Internet ab 2011 freie Bahn?
Mit einer richterlichen Genehmigung darf nach wie vor verdeckt ermittelt werden.
Zur Person
Thomas Hansjakob ist Erster Staatsanwalt von St.Gallen. Er gilt als profunder Kenner und spezialisierte sich bereits als Untersuchungsrichter auf die Strategien der verdeckten Ermittlung. Hansjakob sass einst für die SP in den Parlamenten von Stadt und Kanton St. Gallen.
Gemäss neuer Strafprozessordnung darf aber bei Verdacht, dass eine schwere Tat «voraussichtlich begangen» wird, nicht mehr verdeckt ermittelt werden. Muss erst eine Tat geschehen, ehe die Polizei eingreifen kann?
Nein. Verdeckte Ermittlungen sind im Rahmen eines Strafverfahrens und mit richterlicher Bewilligung erlaubt. Und die Polizei kann relativ schnell ein Strafverfahren gegen Unbekannt eröffnen.
Wann ist ein Anfangsverdacht gegeben?
Es reicht bereits, wenn der Verdacht besteht, dass sich im Chatroom bestimmte Pädophile tummeln.
Kann die Polizei in diesem Fall auch bereits mit den verdeckten Ermittlungen beginnen?
Die Polizei muss dann bei der Staatsanwaltschaft eine Bewilligung beantragen, die vom Richter genehmigt werden muss. Das dauert fünf Tage. Verdeckte Ermittlungen dürfen aber bereits mit Einreichen des Antrags gemacht werden.
Sie können die Diskussion, die jetzt entstanden ist, nicht nachvollziehen?
Ich kann nachvollziehen, dass sich die Zürcher Polizei daran stört, dass präventive Ermittlungen nicht mehr gemacht werden können. Und es wird 2011 tatsächlich Einschränkungen geben.
Welche?
Die Polizei darf sich nicht mehr unter falschem Namen einloggen und aktiv nach Pädophilen suchen. Sie kann aber die Chats beobachten. Sie sind in den meisten Fällen öffentlich zugänglich. Ein Ermittler sieht relativ rasch, ob sich da Pädophile tummeln.
Trotzdem sind Politiker und Polizei unzufrieden.
Das Hauptproblem liegt auf einer anderen Ebene. Bei Bagatelldelikten darf nicht mehr verdeckt ermittelt werden. Im Internet etwa gibt es Einschränkungen im Vorgehen gegen «Ricardo-Betrüger». Wenn jemand eine Autobahnvignette für 10 Franken anbietet, wo es sich offensichtlich um Betrug oder gestohlene Vignetten handelt, darf die Polizei nicht bestellen, um zu sehen, wer hinter dem Angebot steckt. Diese Lücke soll aber im Parlament behoben werden. Pädophile begehen dagegen Katalogdelikte, bei denen verdeckte Ermittlungen zulässig sind.
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