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Russland hat wirklich gute Filme, da braucht man sich nur in diesem Thread mal umschauen..
Also die russische Filmindustrie besteht nicht nur aus peinliches "Remakes".
7. Dezember 2012 Alexandra Gurkowa, für Russland HEUTE Michail Segal präsentiert seinen Film „Erzählungen“ einem faszinierten Berliner Kinopublikum auf der Filmwoche in Berlin. Einzelne Geschichten ergeben ein tiefgründiges Spiegelbild der russischen Gesellschaft. Russland HEUTE sprach mit Segal über den Charakter von Kurzfilmen, die Wahrnehmung russischer Filmkunst in Deutschland, Ähnlichkeiten zwischen Kino und Fußball sowie über Träume, die nur in Berlin in Erfüllung gehen können.
Der Film „Erzählungen“: Einzelne Geschichten ergeben ein tiefgründiges Spiegelbild der russischen Gesellschaft. Foto: kinopoisk.ru
Michail Segal, der als Videoclip-Produzent Bekanntheit erlangte, ist heute einer der eigenwilligsten Regisseure Russlands. Anfang Dezember präsentierte der 38-Jährige dem Berliner Publikum seinen zweiten Film – den sozialkritisch-ironischen Streifen „Erzählungen“.
Russland HEUTE: Ihr Kurzfilm „Mir krepesha“ („Die Welt der Metallwaren“) errang den Hauptpreis des in Sotschi ausgerichteten Open Russian Film Festival „Kinotawr“, eines der bekanntesten Filmfestspiele Russlands. Warum haben Sie sich damit nicht zufriedengegeben, sondern beschlossen, drei weitere Episoden zu drehen und die vier Teile zu dem Spielfilm „Erzählungen“ zusammenzufügen?
Segal: „Mir krepesha“ hatte Erfolg, aber Kurzfilm bleibt nun einmal Kurzfilm, damit lässt sich wenig anfangen. Ich wollte jedoch, dass der Streifen in den Kinos läuft. Also haben die Produzenten Geld aufgetrieben und ich habe mir einen Langfilm überlegt, der aus einzelnen Novellen besteht. Jede Geschichte korrespondiert mit einer der Erzählungen, die ein junger Autor in einen Verlag bringt, wo sie der zuständige Lektor jedoch ablehnt, weil das Kurzprosa-Genre nicht gefragt ist.
Grundsätzlich lässt mich großes Erzählkino relativ kalt. Mir sind eigentlich keine in dieser Machart gedrehten Filme begegnet, die mich begeistert hätten. Aber ich hatte nun einmal die Chance, hier und jetzt einen Spielfilm zu drehen, also habe ich die Spielregeln akzeptiert. Der Verleih Ihres Films für die Kinos in Russland ist gerade erst abgeschlossen worden, doch Kritiker und Zuschauer loben „Erzählungen“ bereits in den höchsten Tönen. Jetzt haben Sie den Film bei der 8. Russischen Filmwoche in Berlin vorgestellt. Ihre Arbeit behandelt wunde Punkte der russischen Wirklichkeit. Was erfährt das deutsche Kinopublikum durch diesen Streifen über das moderne Russland?
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[TD]Der russische Kurzfilmregisseur Michail Segal. Foto: Alexandra Schnabel[/TD]
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Mein Film funktioniert nicht wie ein Fernseher und ich maße mir nicht die Rechte eines Dokumentaristen an. In den vier Novellen der „Erzählungen“ handelt es sich um eine absurde Komödie, eine Sozialsatire, einen mystischen Thriller sowie um ein Melodram. Der Zuschauer lernt weniger Russland kennen als vielmehr meine Einstellung zur Wirklichkeit in Russland. Durch Reflexion des konkret Gesehenen kann sich das Publikum eine Vorstellung bilden, wie diese Realität beschaffen ist. Mich hat zum Beispiel einmal der Inhalt eines Sonetts von Shakespeare interessiert, aber ich konnte kein Englisch. Also habe ich mir die Originalversion in der Bibliothek ausgeliehen und dazu zehn verschiedene russische Übersetzungen. Deren Vergleich hat mir gezeigt, was sich in sämtlichen Fassungen als gemeinsamer Nenner wiederholt, und mich zu der Einsicht geführt, welche Gedanken Shakespeare zum Ausdruck bringen wollte. So ähnlich verhält es sich auch mit Filmen. Anhand bestimmter indirekter Anhaltspunkte in den vier Erzählungen können die deutschen Zuschauer erahnen, was in Russland geschieht.
Natürlich bilde ich in gewisser Weise die heutige Gesellschaft Russlands ab, aber mein Interesse gilt nicht vordergründig der sozialen Gesamtsituation des Landes, mich interessieren vielmehr menschliche Geschichten, die kleinen Dramen im Leben normaler Menschen, ihre Vorlieben, Abneigungen und Wertvorstellungen.
Kommt Ihr Film in Deutschland in den Verleih?
Der Film hat ein russisches Thema. Ihn Nichtrussen zu zeigen, geht mit einem hohen Risiko einher, denn er wird in einen völlig anderen kulturellen Kontext gestellt. Ich weiß, dass es hier in Berlin Verhandlungen über den Verleih der „Erzählungen“ gibt, aber was dabei herauskommt, kann ich noch nicht sagen.
In Kinos und Videotheken in Deutschland findet man nur selten russische Filme, aber Ihr erster Spielfilm „Franz + Polina“ war hier im Verleih. Wodurch hat es gerade dieser Film geschafft?
Mein erster Film unterscheidet sich sehr von den heutigen, streckenweise leichten „Erzählungen“. „Franz + Polina“ wurde nach der Novelle „Der Stumme“ des Schriftstellers Ales Adamowitsch gedreht und behandelt die Liebe eines deutschen Soldaten und eines weißrussischen Mädchens in Kriegszeiten. Tatsächlich war der Film auch in Deutschland zu sehen, weil die Kinobesitzer damit praktisch keinerlei Risiko eingegangen sind. Offenbar hat die Verleihfirmen das Thema des Zweiten Weltkriegs interessiert. Und sicherlich auch der Protagonist des Filmes: Das Bild, das ich von Franz zeichne, ist außerordentlich dramatisch und menschlich, auf gar keinen Fall aber karikaturistisch.
Sieht man einmal von den Schablonen und Themen ab, denen das Interesse des deutschen Filmpublikums gewiss ist, hat dann das andere russische Kino Ihrer Ansicht nach überhaupt Chancen auf dem deutschen Markt?
Den Begriff „russisches Kino“ gibt es als Marke so nicht in Deutschland. Es gibt einzelne Filme einzelner Regisseure. Was die künstlerische Qualität anbelangt, so ist beispielsweise vor Kurzem mit dem Film „Orda“ („Die Horde“) von Andrej Proschkin ein großartiger Streifen auf die Leinwand gelangt. Insgesamt gesehen findet man in Russland aber wenig hochwertige Filme, weil sie auch bei uns fast keiner sehen möchte. Als meine „Erzählungen“ in den Verleih kamen, haben mir die Distributor-Firmen ständig gesagt: „Sie müssen begreifen, dass unsere Landsleute prinzipiell nicht in russische Filme gehen.
Die einzige Ausnahme bilden Komödien, und auch die locken nur Publikum an, wenn sie in Kinos in der Nähe großer Einkaufszentren laufen.“ Russische Filme wird man überall sehen wollen, wenn es wirklich Meisterwerke zu sehen gibt. Leider kann heute von inhaltlicher Hochwertigkeit des russischen Kinos keine Rede sein, überwiegend handelt es sich um ein Laienspiel-Niveau. Warum scheidet Russlands Nationalmannschaft bei internationalen Meisterschaften ständig aus? Weil wir schlecht spielen. Spielen wir gut, werden wir auch gewinnen. Das Gleiche gilt für unsere Filmkunst.
Lassen wir das Thema „russisches Kino“ und wenden wir uns lieber Ihrer Person zu. Sie sind nicht zum ersten Mal in Deutschland. Können Sie sich vorstellen, hier zu arbeiten?
Ich weiß nicht, wie mein nächster Film konkret aussieht, es stehen noch verschiedene Ideen zur Auswahl. Ich bin mir sicher, dass ich sehr gern eine Ko-Produktion oder ein ganzes Projekt im Ausland realisieren würde. Eine der Ideen ist übrigens international und erfordert die Beteiligung von Schauspielern aus verschiedenen Ländern. Ich habe noch keine Erfahrung, was Arbeiten im Ausland anbelangt, aber es lässt sich überall gut drehen, wenn es ein entsprechendes Budget und ringsum vernünftige Leute gibt. Wie fühlen Sie sich hier in Berlin?
Tatsächlich fühle ich mich überall gleichermaßen gut, aber in Berlin immer ein bisschen besser als anderswo. Bei meinem jetzigen Aufenthalt ist zudem ein Traum in Erfüllung gegangen. Vor ein paar Wochen habe ich bei Andrej Merslikin, einem der Hauptdarsteller in „Erzählungen“, supertolle Schuhe gesehen. Auf meine Bitte musste Andrej die Schuhsohle hochheben, bis ich von unten die Marke erkennen konnte. Dann habe ich noch in Erfahrung gebracht, dass er die Prachtstücke in Berlin gekauft hat. Heute habe ich sie gefunden, und nun bin ich glücklich! Allerdings sind die Schuhe zu teuer und zu schön, um sie auf der Straße anzuziehen. Ich stelle sie mir lieber ins Regal.
Zum Thema "Remakes" mal einen ganz guten Artikel zu den Hintergründen gefunden.
Glotze in der Krise
7. Januar 2013 Wadim Nesterow, für Russland HEUTE Das russische Fernsehen adaptiert internationale Serien schneller als neue produziert werden. Der Bestand an billigen und einfachen Produktionen ist ausgeschöpft. Neue Formate sind dringend gefragt.
Spielszene aus dem Sitcom "Woroniny". Foto: Kinopoisk.ru
Der aus Lateinamerika kommende Serientyp der Telenovela ist das vorherrschende Format im russischen Fernsehen. Vier von fünf Stunden der Hauptsendezeit entfallen auf solche Serien. Die verbleibende Zeit füllen Talk-Shows und Nachrichten.
Dieser Kennwert ist 2,5 Mal so hoch wie in den USA und in europäischen Ländern und auch höher als etwa in Lateinamerika und China. Serien sind schon lange die wichtigste Einnahmequelle des russischen Fernsehens. Werbung in beliebten Serien ist in Russland in der Regel deutlich teurer als in den USA. Bis zu einem Drittel der Einnahmen eines Fernsehsenders fließt heute aus dem Geschäft mit Serien.
Zur Jahrtausendwende wurde der russische Serienmarkt von einer ernsthaften Krise erschüttert. Die Nachfrage nach ausländischen Produktionen sank empfindlich, das Angebot an russischen Produktionen reichte bei weitem nicht aus, um den Markt zu sättigen. Gleichzeitig war es unmöglich, kurzfristig die Produktion anzukurbeln. Es fehlte an Drehbuchautoren, Regisseuren, Beleuchtern, Tonregisseuren usw.
Die Rettung brachte eine Entdeckung der Produktionsfirma „Amedia" aus dem Jahr 2004. Sie brachte die Sitcom „Meine wunderbare Tagesmutter", eine an die russische Wirklichkeit angepasste Coverversion der amerikanischen Serie „The Nanny", auf den Markt. Bald stellte sich heraus, dass mit einer adaptierten Kopie einer beliebten westlichen Fernsehproduktion der verfremdende Effekt der „nicht russischen Wirklichkeit" beseitigt und gleichzeitig zahlreiche Produktionsprobleme gelöst werden konnten.
Denn, das Drehbuch war bereits vorhanden, es bedurfte lediglich kleinerer Nachbearbeitungen. Die Figuren waren durchdacht. Vom Original ließ sich weitgehend alles „abkupfern", von den Kulissen bis zur Anordnung der Personen im Bild. Die Bilanz – ein Bombenerfolg.
Bald adaptierten alle Sender, was sich irgendwie anbot. Der Erfolg war so durchschlagend, dass russische Produzenten in großem Umfang von den Drehbuchautoren Rechte kauften, um die beliebten Geschichten selbst weiterzuspinnen.
Kein Glück ist jedoch von Dauer, und bald zeichneten sich neue Probleme ab. Gegen Ende der 2000er Jahre hatten die adaptierten Produktionen das Maximum ihres Marktanteils an den Fernsehserien erreicht und verloren von nun an stetig an Bedeutung. Heute machen sie noch ein Drittel dieses Fernsehsegmentes aus. Dabei ist eine sinkende Nachfrage nicht das Problem. Die russischen Produzenten sind ihrem eigenen System der Ausstrahlung zum Opfer gefallen.
Im Unterschied zu dem im Westen verbreiteten „vertikalen" System nämlich, in dem es üblich ist, die Folgen einer Serie einmal wöchentlich auszustrahlen, so dass jeder Wochentag einer Serie vorbehalten ist, funktioniert das russische System „horizontal". Hier wird die Serie solange täglich ausgestrahlt, bis alle Folgen gezeigt sind. Für den Zuschauer mag das attraktiver sein, die Produzenten dagegen stehen vor schwer lösbaren Problemen. Innerhalb eines Jahres müssen sie nicht 25 Folgen einer Serie produzieren, sondern 170-200. Dabei gilt es, ein bestimmtes Niveau zu halten, damit die Einschaltquoten nicht sinken und das Projekt nicht eingestellt wird.
Innerhalb von 10 Jahren hat das russische Fernsehen eine 40-jährige Bibliothek von Rechten an fast allen erfolgreichen, für eine Adaption geeigneten Fernsehserien praktisch ausgeschöpft.
Außer den Archivbeständen gibt es natürlich auch neuere Produktionen. Die sind aber auch nicht problemlos zu verwerten. Hier stellt sich zum einen die Kostenfrage. Rechte an „archivierten" Sitcoms und Seifenopern machten in der Regel nicht mehr als 4-5% des Budgets einer Serie aus. Der Preis für Rechte an Serien aus diesem Jahrhundert ist mit 8-9% der Gesamtkosten deutlich höher. Die Produktionskosten einer Folge von Dr. House etwa belaufen sich auf 9 Millionen Euro, während für eine Episode einer durchschnittlichen russischen Fernsehserie Kosten von höchstens 150-230 Tausend Euro entstehen.
Der Kauf von Rechten für die Adaption verhältnismäßig neuer blockbuster ist dabei keineswegs eine Garantie für Erfolg. Das belegen zwei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit. Der Erwerb von „Prison Break" durch den russischen Sender „Erster Kanal" sowie von „How I met Your Mother" vom Sender STS endeten in einem Fiasko. Die Ausstrahlung der adaptierten Versionen wurde mitten in der zweiten Staffel bzw. unmittelbar danach eingestellt.
Ein Ausweg aus dieser Krise zeichnet sich bislang noch nicht ab. Eine bestimmte Tendenz aber gibt Anlass zur Hoffnung. Während bis heute ausschließlich Komödien und Melodramen adaptiert wurden, alle anderen Genres dagegen als perspektivlos galten, versuchen sich russische Produzenten jetzt anscheinend an der Erweiterung ihres Angebots. Erfolgreiche Adaptionen von Science-Fiction-Serien, etwa der britischen „Life on Mars" oder von Horror-Serien, wie etwa die Adaption der spanischen Serie „El Internado Laguna Negra", stimmen optimistisch.
Leider schaffen es auch wirklich sehr sehr gute polnische und tschechische Filme kaum oder nur selten in den deutschsprachigen Verleih oder gar in die Kinos. Wobei tschechische noch eher als polnische. Und dabei machen sie richtig, richtig gute Sachen. Auf youtube findet man schon, aber leider ohne UT.
Vielleicht an sich kein Thema, was hier schon aufgrund des Altersdurchschnitts groß interessieren dürfte. Aber es sind wirklich wunderbare, warmherzige Filme zum Thema Altern, Glück, Leben und lebenswertes Leben
20. Januar 2013 Semen Kwascha, zusammengefügter Bericht Junge Filmemacher aus 15 Ländern reisen bis Anfang Februar im Zug durch Russland. Herauskommen sollen Streifen über russische Stereotype: Frost, Schnee, unendliche Weiten, russische Frauen, russischen Wodka, russische Bären und russische Autos.
Das Projekt „Filmzug" ist den stereotypen Vorstellungen über Russland gewidmet. Foto: ITAR-TASS
Am 1. Februar kehren die 24 Filmemacher nach Moskau zurück. Anschließend wollen sie sich mit ihren Werken an Filmfestivals beteiligen. Gegenwärtig jedoch reisen sie im Zug von Moskau bis Irkutsk und wieder zurück. Zu den Stationen gehören auch St. Petersburg, Murmansk, Kotlas im Gebiet Archangelsk und Tomsk.
Während der Rundreise sollen Kurzfilme entstehen, die stereotypen Vorstellungen über Russland, dem Frost, dem Schnee, dem Wodka, der unendlichen Weite, den russischen Frauen und den Autos der Marke Lada, gewidmet sind. Die Teilnehmer am Projekt müssen ihre Filmgeschichten unterwegs zusammenstellen und schneiden und werden mit fertigen Filmen nach Moskau zurückkehren.
Bei dem Projekt, das von den russischen Produzenten Tatjana Petrik und Jekaterina Ochonko sowie ihrem französischen Kollegen Guillaume Procenko organisiert wird, entstehen Dokumentarfilme mit Titeln wie „Die russischen Frauen", „Lasst uns trinken!", „Die russische Banja", „Der russische Winter", „Das Rätsel des «Lada», „Die russische Seele" und „Die Bären". Jeder Teilnehmer soll einen Kurzfilm zu einem der Themen erstellen. Darüber hinaus wird es auch einen gemeinsamen Film von allen geben.
Das Projekt des „Filmzugs" findet bereits zum dritten Mal statt. 2008 reisten die Filmschaffenden mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau bis Wladiwostok, 2010 führte sie die Reise durch Mittelasien.
„Der russische Winter stellt eine echte Herausforderung dar. Deshalb reisen wir diesmal mit dem Zug von Moskau in einem großen Bogen über Murmansk, St. Petersburg und Tomsk bis zum Baikalsee und von dort wieder zurück nach Moskau", schreibt der französische Produzent des Projekts Guillaume Procenko auf der Website des russischen Zentrums für Dokumentarfilme DOC.
Laut Procenko kursierten viele Gerüchte über Russland und es gäbe unzählige Stereotype. Eben deshalb würden sich die Teilnehmer in diesem Jahr damit beschäftigen. Zu den am häufigsten anzutreffenden Stereotypen zählten nach Procenkos Beobachtung wohl folgende: In Russland trinkt man Wodka. Man fährt einen Lada. Die Bären laufen durch die Städte. Alle russischen Frauen wollen einen Ausländer heiraten, und die russischen Frauen sind alle sehr schön. Im russischen Winter taucht man nach der Banja in ein Eisloch ein.
Es wäre, so Procenko, einerseits sehr dumm, das Vorhandensein dieser Stereotype einfach zu leugnen, schließlich seien sie ein Teil der nationalen Identität. Doch andererseits wäre es lächerlich, sich bei seinem Urteil über eine Nation ausschließlich solcher Stereotypen zu bedienen.
„Nehmen wir einmal die Deutschen oder die Franzosen", fordert Procenko zum Vergleich auf. „Die Deutschen sind sehr ordnungsliebend. Aber sie lieben doch nicht nur die Ordnung. Oder die Franzosen essen Frösche und haben stets ein Baguette unterm Arm. Doch auch ein Franzose ohne Baguette unterm Arm bleibt ein Franzose. Ist dann Russland ohne Wodka auch noch Russland? Oder ein Russland ohne Bären? Diese Frage interessiert uns", erklärt der Organisator den Sinn des Projektes.
Die Teilnehmer am „Filmzug" wurden über einen offenen Wettbewerb im Internet ausgewählt. Sie müssen über eine Hochschulbildung im Bereich Kinematographie verfügen und an internationalen Filmfestivals teilgenommen haben. In diesem Jahr wurden aus über 300 Antragstellern 25 Personen ausgewählt.
„Ich denke, ich werde unterwegs Menschen begegnen, die äußerlich kühl erscheinen mögen, doch trotz allem sehr menschlich, verständnisvoll, klug und geduldig sind. Jedenfalls habe ich bislang immer solche Erfahrungen gemacht. Wenn ein Russe sein Wodkaglas erhebt und einen Trinkspruch ausbringt, stecken hinter seinen Worten stets aufrichtige Gefühle", erzählte der Regisseur des Filmes „Lasst uns trinken!" Benny Jaberg aus der Schweiz der Zeitung Moskowskije Nowosti.
Genau das, so Jaberg weiter, vermisse er bisweilen in der Schweiz, echte Gefühle. Diese hoffe er in Russland zu finden. Und auch „ein herrliches Gefühl für Humor". Die Melancholie und Poesie der Russen hätten seine Arbeit stark beeinflusst. Ihm scheine, dass eben diese Eigenschaften es vielen russischen Künstlern ermöglicht hätten, die komplizierte menschliche Natur sehr viel besser zu erfassen als westliche Künstler.
Im Allgemeinen basiere das Bild Russlands auf dem, was die westlichen Medien schrieben und zeigten. Und das sei ein Land, in dem Korruption, Ungleichheit und Oligarchen herrschten", so die Meinung von Dieter Deswarte aus Belgien, Regisseur des Filmes „Das Rätsel des Lada".
Der erste „Filmzug" wurde von dem sowjetischen Regisseur Aleksandr Medwedkin in den dreißiger Jahren ins Leben gerufen. Er fuhr in einem speziell dafür ausgestatteten Waggon durchs Land, in dem der Film direkt entwickelt und geschnitten werden konnte. Er machte Halt in kleinen Städten, filmte dort die Menschen und versuchte dabei, deren Probleme zu lösen. Später, Ende der sechziger Jahre, gab es in Frankreich einen Dokumentarfilmer, der sich unterwegs im Zug mit sozialen Fragen beschäftigte. Der Regisseur Chris Marker fand, die Arbeiter müssten ihre Rechte mit Hilfe des Films verteidigen.
„Diesen Gedanken greifen wir nun wieder auf. Wir fahren in kleine und große Städte und erteilen Menschen das Wort, die gewöhnlich nicht gefilmt werden, deren Stimme wir nicht hören", erläutert Guillaume Procenko.
Am 1. Februar trifft der „Filmzug" in Moskau ein. Am 6. Februar werden im Zentrum für Dokumentarfilme DOC die Arbeiten aus dem „Filmzug" erstmals gezeigt.
11. Februar 2013 Angelika Kettelhack, für Russland HEUTE Mit dem Wettbewerbsfilm „Dolgaya Schastlivaya Zhizn“ von Boris Chlebnikow ist ein russischer Beitrag auf der diesjährigen Berlinale vertreten. Der engagierte Film zeigt ein persönliches Schicksal inmitten von Korruption und Habgier.
„Ich bin als ein glückliches Sowjetkind in dem Moskauer Plattenbaubezirk Jasenewo geboren und aufgewachsen. Meine Eltern arbeiteten an einem Institut für ‚Planwirtschaft‛, so sollte auch mein Leben eine durchplante Laufbahn nehmen", das sagt Anastasia Vinokurowa, eine junge Russin (*1977), die eine der vielen erfolgreichen Teilnehmerinnen des 11. Talent Campus bei der diesjährigen Berlinale ist.
Die etwa gleichaltrige Hauptfigur „Sascha" Sergeevich würde das bis zum Ende des Films „Dolgaya Schastlivaya Zhizn" (A Long and Happy Life) von Boris Chlebnikow (*1972) sicherlich nicht von sich behaupten. Denn der Bauer Sascha, gespielt von Alexander Jatsenko, hätte zwar alle Chancen gehabt, ein langes und glückliches Leben zu führen auf seiner Kolchose, in einer wild-romantischen Gegend auf der Halbinsel Kola: Er hätte reich werden können, wenn er diesen schönen Flecken Erde entweder an profitgierige Provinzbeamte oder an einen geschäftstüchtigen Privatmann verkauft hätte und mit seiner hübschen Freundin Anja (Anna Kotowa) in die Stadt gezogen wäre. Doch der Film endet dann doch sehr traurig. „Zurzeit sind effektive Manager einfach besser dran in der russischen Wirtschaft. Es ist besser etwas zu kaufen und wieder zu verkaufen als etwas zu erzeugen. Bauer zu sein lohnt sich heute also nicht mehr", sagt Regisseur Chlebnikow. Aber in seinem Film lässt sich Sascha, der nur noch die Ernte einbringen will, bevor er sein Stück Land verlässt, von seinen Arbeitern mit dem Satz „Gib uns nicht auf!" überzeugen, dass er bleiben muss. Doch im Laufe der Zeit werden alle – seine Kumpels, seine Vertrauten und seine Geliebte – sich von ihm abwenden, weil auch bei ihnen der Gedanke des Eigennutzes stärker ist als die Redlichkeit. Und so nimmt denn die Tragödie eines aufrechten Mannes, der sich dem Sumpf aus Korruption und Habgier nicht ergeben will, ihren Lauf.
Es ist nicht einfach, mit so einem „dunklen" Drama Erfolg zu haben, zumal, wie sich in der an den Film anschließenden Pressekonferenz zeigte, den meisten Journalisten die Situation im heutigen Russland nicht recht klar werden wollte. Dazu sagte der Regisseur: „Ich wollte keinen politischen Film machen, wohl aber einen sozial engagierten. Ich wollte eine persönliche Lage auf eine emotionale Weise schildern. Die Situation eines ordentlichen Menschen, der trotz allen guten Willens zum Verbrecher werden kann, aber ich wollte keine Aussage über den postsowjetischen Raum machen."
Auf die Frage, ob er sich geehrt fühle, nun schon zum dritten Mal Gast auf der „Berlinale" zu sein, klingt seine Antwort ein wenig sibyllinisch: „Das Geheimnis ist doch: Keinen Erfolg machen zu wollen, das geht nicht. Man kann nur Freude haben, wenn man eine solche Art der Arbeit machen darf. Finanzielle Probleme hatte ich dabei nicht, da meine Koktebel Film Company vom russischen Kulturministerium unterstützt wurde." „Koktebel", so hieß der erste Film, mit dem Boris Chlebnikow zusammen mir seinem Koregisseur Alexei Popogrebski schon 2004 beim „Internationalen Forum des jungen Films" Erfolg hatte. Daran erinnert Chlebnikow, wenn er sagt: „Es ist sehr angenehm, wieder in Berlin zu sein wie schon vor neun Jahren und dann 2010 nochmals mit unserem Film ‚How I Ended This Summer‛ (Regie: Alexei Popogrebski). Was wir damals nur geträumt haben, ist jetzt Wahrheit geworden: Wir sind im Wettbewerb der Berlinale dabei."