Zurich
Der Lustmolch
in erster linie möchte ich sagen, dass ich durchaus verstehe, was du meinst und du natürlich nicht unrecht hast in der grundaussage deines textes. ich respektiere deine meinung.
ich will auch gar nicht behaupten, dass bei uns alles schlecht ist - ganz im gegenteil. uns geht es sehr, sehr gut. abgesehen davon kann man hier heutzutage sowieso nicht mehr auf den kommunismus "umsteigen", der zug ist abgefahren. das volk würde da nie mittun. ich mein, können tut man alles, wenn man will, aber funktionieren würde das system dann ganz sicher nicht, zumindest nicht für lang und das volk wäre unglücklich. weil wirs eben anders gewohnt sind.
die sache mit der chancengleichheit seh ich aber anders. die existiert vllt. in der theorie, aber nicht in der praxis. mal ganz abgesehen davon, dass nicht jeder mensch gleich intelligent/begabt ist und deshalb nicht jeder mensch die gleichen chancen haben kann.
ich erkläre mal anhand eines beispiels, was ich meine: person A und person B haben beide den gleichen kindheitstraum - arzt werden. A kommt vom land aus einer arbeiterfamilie, die mutter ist zu hause und der vater arbeitet als tischler. B kommt aus einer großstadt, die mutter arbeitet teilzeit im büro als controllerin und der vater ist rechtsanwalt.
angenommen die beiden verfügen über einen ähnlichen intellekt, lernen fällt ihnen recht leicht. bis zur matura/zum abitur schaffen sies beide ohne probleme. sie beginnen beide, zu studieren. A legt täglich weite, umständliche strecken mit öffentlichen verkehrsmitteln zurück, da die uni weit entfernt ist und er sich ein auto nicht leisten kann. B hat es nicht weit, die öffentlichen verbindungen in der stadt sind gut. irgendwann reicht es A, ihm geht durch die langen fahrten einfach zu viel wertvolle zeit drauf. er sucht sich einen job, der sich mit dem studium vereinbaren lässt. er spart, macht den führerschein und kauft sich irgendwann ein auto. aber auch das auto ist teuer, sprit, versicherung etc. oder er macht es ganz anders: er zieht in die stadt in eine WG oder eine kleine schuhschachtel, beides kostet für das, was es ist, ein vermögen. viel geld bleibt ihm nie, aber er schafft das studium und verdient sich eines tages dumm und dämlich.
B muss aufgrund der finanziellen situation seiner eltern auf nichts verzichten. er bekommt eine wohnung, ein auto, kann ausgehen. oder ihm gehts zu hause so gut, dass er nicht ausziehen muss, auto braucht er keins und ansonsten bekommt er geld von seinen eltern. auch er schafft das studium.
klar, beide hatten die chance, das studium zu machen, nichts hinderte sie daran. aber A hatte es sicherlich schwerer und nicht so bequem wie B. nicht weil er faul oder dumm war, sondern einfach, weil er in eine nicht-wohlhabende familie hineingeboren wurde. du wirst jetzt sagen, wenn man was will, muss man hart dafür arbeiten, man bekommt im leben nichts geschenkt bli bla blub, alles richtig. von nix kommt nix. den doktortitel haben A und B beide nicht geschenkt bekommen, studium mussten sie beide das gleiche absolvieren. nur dass der eine aufgrund seines backgrounds jahrelang auf "alles" verzichten musste und der andere eben nicht, da hört für mich die chancengleichheit auf. wenn ich auf nichts verzichten müsste, wer weiß, vllt. würde ich auch studieren gehen. ich kenne viele, die das sagen. und da wird meiner meinung nach vom staat zu wenig getan. sie garantieren nur in der theorie chancengleichheit mit ihren mini-förderungen. aber in der praxis sieht das anders aus. natürlich wird der staat nicht jedem studenten den lebensstandard eines multimillionär-kindes ermöglichen. aber ihr versteht sicher was ich im grunde meine. gibt verschiedenste beispiele, mir kam das mit dem studium nur grade gelegen. es hindert einen niemand daran, etwas zu erreichen, insofern besteht natürlich chancengleichheit. wenn einem aufgrund von umständen, die man nicht beeinflussen kann, der weg zum erfolg maßgeblich erschwert wird, besteht die chancengleichheit für mich nicht, zumindest nicht ausreichend. absolute chancengleichheit wird es in einem kapitalistischen system nie geben.
dein letzter absatz ist schon wieder widersinnig. ich weiß schon, was stalinismus ist. ändert aber nichts daran, dass ich in meinem ursprünglichen zitat von den errungenschaften des sozialismus in österreich gesprochen hab und du mir zusammenhanglos mit stalinismus und kommunismus kamst. äußere dich doch nochmal zu dem enormen schaden, den der sozialusmus angerichtet hat.
Ich muss dir hier in Vielem Recht geben. Und in manchen Sachen erkannte ich mich sogar wieder.
Absolute Chancengleichheit gibt es nicht. Das stimmt schon. Der Staat macht viel zu wenig. Das stimmt auch.
Die Schweiz bietet sozialschwachen Schichten Stipendien an. Doch die Stipendien-Hürde ist 1.) Sehr gross (sobald jemand aus der Familie (Bsp. Eltern) mehr als 4000 CHF verdient (2/3 vom Durchschnittslohn) oder der Ehepartner, gibt es kein Anrecht auf Stipendien. Und falls man sie doch bekommt, liegt das Maximum (im Kanton Zürich) bei knapp 24'000 CHF pro jahr, also ca. 2000 CHF / Monat (1/3 vom Durschnittslohn). Und wenn man da noch einen Nebenjob machen will (weil es nicht zum Leben reicht), darf man höchstens 1000 CHF / Monat verdienen. Sonst gibt es Stipendienkürzungen so, dass der Gesammtverdienst (Stipendien + Nebenjob) nicht 3000 CHF überschreitet (1/2 Durschnittslohn). Das ist schon scheisse.
Und da mein Vater ein Unternehmer ist, habe ich gar keine Stipendien bekommen. Dass mein Vater mir kein Geld geben wollte, interessierte sie nicht. Also blieb mir nichts anderes übrig, als sehr lange bei den Eltern zu wohnen (ganze Studien-Zeit) und mich mit Nebenjobs rumzuschlagen (Security-Angestellter, Möbel-Transport, am Fliessband bei Siemens von 18:00 bis 22:00 Uhr,...etc..etc..). Hab alles mögliche gemacht. Meine Noten haben da natürlich gelitten. Aber ich habe es trotzdem geschafft. Es war ne scheiss-schwere Zeit, aber genau aus dem Grund bin ich gegen eine idiologistische Lohngleichheit. Will jetzt die "Ernte" einkassieren für all das. Klar... Ich weiss, dass ein McDonald's Arbeiter auch hart schuftet oder eine Putzfrau. Ich habe während meines Nebenjobs beim Möbel-Transport einen Mann kennengelernt, der dies 28 Jahre (zu diesem Zeitpunkt) machte, ein kaputter Mann. Ich sehe ihn nicht als weniger-wert an. Trotzdem sollte jemand, der Chirurg, Arzt, Jurist, Ingenieur oder Naturwissenschaftler ist, die bis 30 auf "alles" bzw. auf sehr vieles verzichten mussten, den gleichen Lohn haben wie die (Kommunismus).
Aber eben... In Sachen Bildungsförderung vom Staat bin ich zu 100% deiner Meinung! Es ist auch in Europa nicht alles perfekt. Aber immer noch X mal besser als in den USA.
Zum Intelligenz-Ungleichheit.
Auch da kann ich was sagen: Ich bin nicht dumm, aber ich bin auch kein Genie. Leider. Es ist so und ich gebe es hier offen zu. Scheiss drauf.
Noch vor meinem Studium habe ich im Rahmen einer Laufbahnberatung einen professionellen IQ-Test gemacht. Ergebnis: 116,5. Bin zwar über dem Durschnitt, aber weit weg vom Genie. Und die Mindestgrenze für ein naturwissenschaftliches Studien-Fach (Mathe, Physik, Chemie, Bio,..etc..) liegt bei 115. Dies wurde mir gesagt. Ich war knapp drüber, aber eben nur knapp. Und ich wurde dort schon gewarnt, dass ich es schwer haben werde. Und sie behielten recht. Ich habe zwar jedes Semester bestanden, aber praktisch jedes hauuuch-dünn, mit Pokern und Taktik (Fächer waren unterschiedlich gewichtet für die Berechnung von Modul-Noten), und das obwohl ich wie ein Schwein geübt und gelernt hatte!!!
Ich musste vor allem in Fächern wie Physik und Mathe X Übungs-Aufgaben lösen, bis ich "den Dreh raus hatte" und es hat trotzdem nur für eine Knapp-genügende Note gereicht, und andere passten nicht einmal während der Vorlesung auf und bekamen stets Bestnoten. Ich war halt kein Wunderkind sondern halt ein gewöhnlicher "Acker"-Student. Musste für jede Note hart ackern und kämpfen.
- Das ist in gewisser Weise unfair. Aber ich hatte nur zwei Möglichkeiten:
* Entweder mich über Gott und die Natur zu beschweren
* Oder "Maul halten", ehrgeizig sein und kämpfen (also die Dinge akzeptieren und das Beste daraus zu machen)
Und stell dir vor, ich bin in einer Jugo-Umgebung aufgewachsen, wo ich nicht gerade Unterstützung für all meine Vorhaben fand. Bevor ich meine Lehre als Physiklaborant gefunden hatte (da war ich 15), hiess es von allen Seiten "Spinnst du?", ich habe aber eine solche Stelle gefunden (20 Lehrplätze pro Jahr für die ganze Schweiz und Liechtenstein!!!), bekommen und erfolgreich bestanden. Dann wollte ich das Abi machen (wollte Studieren gehen) und es hiess wieder "Spinnst du?" und ich habe es bestanden. Dann wollte ich Chemie studieren (sagte allen: Ich will Naturwissenschaftler werden) und es hiess wieder von allen Seiten "Spinnst du?", heute bin ich Nuklearchemiker am grössten Forschungsinstitut der Schweiz. Nach dem Studium wollte ich richtig in die Politik einsteigen (das war vor 1,5 Jahren) und wieder hiess es von der Jugo-Umgebung hier "Spinnst du?" und nach so kurzer Zeit bin ich im Vorstand einer Jungpartei und im Vorstand meiner Ortspartei.
Heute sage ich (auch in einem Thread hier im Balkanforum), dass ich reich werden will (also etwas machen/starten/investieren um eines Tages so zu leben, wie die Geisens) und die Balkaner lachen wieder. Sowohl hier im BF, als auch in meinem Jugo-Bekanntenkreis.
Klar... für seine Intelligenz oder seine Wiege (Soziale Schicht in dem er geboren wird und Umgebung) kann niemand etwas dafür, aber für den Ehrgeiz ist jeder Mensch selber verantwortlich!!!
Und mein Gott... Ich bin Kriegsflüchtling und habe lange Zeit in einer abgefuckten Altbauwohnung voller Ausländer in einem Ausländerquartier gewohnt.
Und nach all dem, was ich dir geschrieben habe (während meiner Studienzeit), trotz all dem Kampf, ich hatte trotzdem Zeit für Partys, Ausgang, Kollegen, Frauen,..etc... also kann mir keiner Sagen, das dies oder jenes unmöglich ist.