Das Kosovo im serbischen Nemanjidenreich
Ende des 12. Jahrhunderts entstand in der Raška die Dynastie der Nemanjiden, welche die innenpolitische Schwäche von Byzanz ausnützte und langsam, aber stetig nach Süden vordrang.
Um 1190 erreichte Stefan Nemanja das Šar-Gebirge, welches das Kosovo vom Vardarbecken um Skopje trennt. Als Byzanz 1204 unter dem Angriff des Vierten Kreuzzuges zusammenbrach, konnte sich die Raška endgültig politisch und kirchlich zu einem eigenständigen Reich auf dem Balkan entwickeln. Die Königskrone empfingen die Nemanjiden freilich aus der Hand des Papstes (1217), während sie die kirchliche Autonomie (Autokephalie) zwei Jahre später erlangten (1219). Bezeichnend für die politische Organisation unter diesem Herrschergeschlecht war die enge Verbindung von Königtum und Kirchenspitze, deren Vertreter die Nemanjiden stellten. Das neue Königreich zog zahlreiche nach 1204 heimatlos gewordene byzantinische Künstler an und entfaltete eine lebhafte Bautätigkeit, deren Zentrum im Kosovo lag. Die Errichtung der wichtigsten serbischen Kirchen und Klöster (Gračanica, Dečani, Erzengelkloster in Prizren) erfolgte im Wesentlichen im 12. Jahrhundert im Zuge der Verlagerung des kirchlichen Zentrums, des Sitzes des unabhängigen (autokephalen) Erzbischofs, von Žiča in der Raška nach Peć (alb. Peja) im Kosovo.
Im 13. Jahrhundert schob das serbische Königtum sein Machtgebiet immer weiter nach Süden vor. 1282 fiel Skopje dauerhaft an die serbische Krone. Die Südausdehnung hatte auch eine Verlagerung des Machtschwerpunkts zur Folge: Die serbischen Könige bezogen mehrere Pfalzen – wie im Deutschen Reich gab es keine Hauptstadt – auf dem Gebiet des heutigen Kosovo (Priština, Novo Brdo – alb. Novobërda – bei Ferizaj, Prizren u.a.) und Mazedoniens. Vom Ende des 12. bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts, also für knapp eineinhalb Jahrhunderte, bildete damit das Kosovo das politische Zentrum des serbischen Reiches, das unter Stefan IV. Dušan (1331–1355) seine Blütezeit erlebte, als in rascher Folge das ganze heutige Albanien sowie Nord- und Mittelgriechenland in Besitz genommen werden konnten. Dies gelang aufgrund innerer Wirren im Byzantinischen Reich fast ohne Schwertstreich und wurde begünstigt durch den gemeinsamen orthodoxen Glauben der Serben, Albaner, Griechen und romanischen Vlachen.1346 ließ sich Dušan in Skopje zum Zaren krönen und gleichzeitig den serbischen Erzbischof zum Patriarchen erheben. Damit bekräftigte er seinen Anspruch auf das Erbe von Byzanz. Das schnell zusammengerafte Reich zerfiel aber nach Dušans Tod sogleich wieder.
Die Eroberung weiterer nichtslawischer Gebiete beschleunigte die Byzantinisierung der serbischen Oberschicht, die sich in Lebensart, Kunst, Literatur und politischer Gedankenwelt dem kulturell überlegenen griechisch-byzantinischen Vorbild ganz wesentlich anpasste. Serbische Urkunden belegen für das Spätmittelalter im Kosovo die Anwesenheit von Albanern undVlachen, die besonders als Hirten erscheinen. Soweit sich aus der spärlichen Quellenlage schließen lässt, konzentrierten sich die Albaner im heutigen Westkosovo und wurden vor der osmanischen Eroberung stark durch die serbische Kultur bestimmt, was sich vor allem an Personennamen zeigt. Einen ethnischen oder konfessionellen Gegensatz zwischen Serben und Albanern kann man im Mittelalter nicht beobachten. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Albaner der orthodoxen Kirche angehörten.
Aufgrund der vorhandenen Quellen ist auch anzunehmen,dass die Serben im ausgehenden Mittelalter in weiten Teilen des Kosovo die Bevölkerungsmehrheit stellten (vgl. den Beitrag von Konrad Clewing,).