[h=1]Was den Kosovo von der Krim unterscheidet[/h][h=3]Wladimir Putin rechtfertigt die russische Intervention auf der ukrainischen Halbinsel Krim mit der Nato-Aktion von 1999 im Kosovokrieg. Der Vergleich hinkt gewaltig.[/h]
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Auf der Flucht: Anders als die Krimbewohner waren die Kosovo-Albaner im Jahr 1999 an Leib und Leben bedroht. (Bild: Keystone/Bela Szandelszky)
Dass die Krim seiner Meinung nach zu Russland gehört, machte Wladimir Putin am Dienstag erneut unmissverständlich klar. Die Kritik des Westens am russischen Vorgehen schmetterte er als scheinheilig ab.
In seiner Argumentation verwies Putin auf die Intervention der Nato von 1999 im Fall Kosovo. Das Militärbündnis griff damals mit der Operation Allied Forces aktiv in den Kosovokrieg ein. Die Folge: Knapp drei Monate später war der Krieg beendet und weitere fast acht Jahre später erklärte sich der Kosovo für unabhängig.
Schröder verteidigt Freund Putin
Auch der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder verglich die Krim mit dem Kosovo, als er kürzlich den «erhobenen Zeigefinger» des Westens kritisierte: «Natürlich ist das, was auf der Krim geschieht, ein Verstoss gegen das Völkerrecht», räumte er vor acht Tagen auf einer Veranstaltung der «Zeit» ein. Doch dann verteidigte er laut der
«Mitteldeutschen Zeitung» seinen Freund Putin mit Verweis auf den Kosovo, «weil ich es selber gemacht habe».
Auf den ersten Blick scheinen Schröder und Putin mit ihrer Argumentation recht zu haben: Die Intervention der Nato im Kosovokrieg verstiess ebenso gegen das Völkerrecht und die UNO-Charta wie die jetzige Intervention auf der Krim.
Dazu kommt, dass die Länder, die ab 2008 den Staat Kosovo anerkannten, den Schutz der Zivilbevölkerung höher einstuften als die territoriale Souveränität Serbiens, zu dem der Kosovo zuvor gehört hatte. Dieselbe Begründung machte am Montag Russland geltend, als es die Unabhängigkeit der Krim anerkannte.
Vergleich ist «beschämend»
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel widersprach dieser Argumentation vehement und bezeichnete den Vergleich Krim/Kosovo als «beschämend». Sie ist mit dieser Einschätzung nicht allein. Tatsächlich gibt es vier wesentliche Unterschiede zwischen der heutigen Situation in der Ukraine und der damaligen Situation im Kosovo.
1. Ethnische Säuberungen. Im Gegensatz zu den Kosovaren waren die Krim-Russen nie an Leib und Leben bedroht. Die Rechte der Kosovo-Albaner wurden systematisch missachtet, die Kosovaren sollten als Volk vertrieben werden. Im Gegensatz dazu gab es keine Jagd auf Krim-Russen, auch wenn dies russische Medien immer wieder behaupteten.
2. Diplomatie. Vor der Intervention im Kosovo fanden unzählige diplomatische Gespräche statt, der Militäreinsatz wurde erst nach dem Scheitern jahrelanger Sanktionen beschlossen. Anders bei der Intervention auf der Krim, die schon fast im Eilverfahren vonstattenging.
3. Der Schock von Srebrenica, als bosnische Muslime massenhaft ermordet wurden, sass tief. Die Befürchtung, dass sich ein solcher ethnischer Massenmord an den Kosovo-Albanern wiederholen könnte, war gross.
4. Ziel. Im Fall Kosovo ging es nie um einen Anschluss an einen anderen Staat. Bei der Krim hingegen schon.
Russlands Kehrtwende
Ausserdem ist festzuhalten, dass Moskau in seiner Beurteilung der Lage offenbar eine Kehrtwende machte: Heute legitimiert Russland seinen Militäreinsatz mit dem Verweis auf den Kosovo. Damals war es (neben China) ebendieses Russland, das ein Mandat des UNO-Sicherheitsrats für die Nato-Intervention mit einem Veto verhindert hatte.
Dasselbe gilt für das Gutachten des Internationalen Gerichtshofs von 2010 über die Unabhängigkeit Kosovos: Damals verwarf Russland das Urteil, heute beruft es sich darauf – obwohl es den unabhängigen Staat Kosovo bis heute nicht offiziell anerkannt hat.
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