Griechenland: Ouzo, Olivenöl und Olympia
Etwas humorvolles:
Griechenland: Ouzo, Olivenöl und Olympia
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By Redaktion FRESSE.at – 06/06/2010
Posted in: Nachrichten,
Welt
FRESSE.at AUS ATHEN
Die Menschheit stand kurz vor dem Zustand absoluter Vollkommenheit, jetzt macht uns jemand einen Strich durch die Rechnung. Ein Jemand in Form eines Tsatsikis (?). Sie wissen es sicher bereits, die Rede ist von Griechenland.
Griechenland, Erfinder der Demokratie, des Olivenöls und der Homoerotik.
Griechenland, Fussball-Europameister von 2004. FRESSE.at besuchte das umstrittene Land am Mittelmeer, um sich selbst ein arg verzerrtes Bild der Lage zu machen.
Kulturschock. 11.30 Uhr. Athen. Wenn in anderen Ländern fleißige Menschen irrtümlich eine halbe Stunde zu früh mit ihrer Mittagspause beginnen, bequemen sich die allzu entspannten Griechen erst aus ihren seidig glänzenden Betten. Nur widerwillig legen sie die – natürlich auf Staatskosten finanzierten – Bettdecken, verziert mit ebenso staatlich finanziertem Geschmeide, zur Seite und schreiten in den persönlichen Spa-Bereich, der sich in der Regel über zwei Stockwerke erstreckt. Dort warten bereits zwei Diener mit einer Auswahl an luxuriösen Massageölen auf den gewöhnlichen Griechen.
Tatsächlicher Arbeitsbeginn ist dann meist erst um 16.30 Uhr, Betriebsende spätestens um 16.45 Uhr. Alles, was darüber hinaus geht, sind Überstunden, die mit einem 300-prozentigen Zuschlag geahndet werden.
Das griechische Arbeitsrecht nimmt eine Sonderstellung ein. Es beinhaltet eine maximale Wochenarbeitszeit von zwei Stunden – bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 5.000 Euro. In anderen Gegenden Europas müsste ein normalsterblicher Aufsichtsrat mindestens 30 Minuten arbeiten, um das Gleiche zu verdienen!
Freche Eingeborene. Wir beginnen gleich am Flughafen mit unseren Recherchen vor Ort und zwar bei Google.gr. “How to delete Greek Euro-Membership” rangiert noch vor den Suchbegriffen “Google” und “Xtube” beim Ranking des Suchmaschinenanbieters an oberster Stelle.
Im Gespräch mit einem älteren Herren, der uns die Koffer trägt und dafür auch noch 30 Cent will, bemerken wir, dass sich viele nach den guten alten Zeiten zurück sehnen, als in Griechenland der Hurenbesuch noch mit einem Esel oder der Unschuld bezahlt wurde, der Wein gratis floss und jeder heitere Abend in einer Pelopolonaise endete.
Kalauer werden in Griechenland übrigens noch immer mit dem Tode bestraft.
Doch die Zeiten sind lange vorbei, die meisten Leute aus der Antike bereits verstorben oder zu Steinstatuen erstarrt und Griechenland, einst Wiege der Zivilisation, ist inzwischen Mitglied der europäischen Währung Euro (seit 2001 auch in Österreich zu kaufen, Anm.).
Mythologie und Alltag. Wir gehen zum Taxistand. Den Esel, den wir zum Bezahlen der Fahrt mitgenommen haben, lehnt der Taxilenker ab. Wir sind verwirrt und etwas beleidigt ob der Dreistigkeit. Hieß es nicht in der griechischen Mythologie “Wenn Du zum Taxler gehst, vergiss den Esel nicht”, oder – wie bei Homer – “Einem geschenkten Esel schaut man nicht ins Maul?” Ist neben den Staatsfinanzen auch das Wissen in diesem Land so verfallen?
Fragen, die wir so spontan nicht beantworten können. Deshalb faltet unser Fotograf den Esel zusammen und steckt ihn beinahe unbemerkt in einen orangen Papierkübel am Flughafenvorplatz.
Der Taxifahrer bringt uns in die Innenstadt von Athen. Während der Fahrt erzählt er uns eine traditionelle griechische Zote (“Treffen sich ein Spartaner, ein Karthage und ein Zypriot auf Lesbos…”).
In der Hitze der Großstadt. Der Morgen – es ist inzwischen 12.15 Uhr – lockt viele Griechen aus ihren Palästen. Der Verkehr staut sich. Die Luft ist zum Schneiden. Im Taxi ist es unerträglich heiß, vor allem, weil es gerade von einem Demonstranten in Brand gesetzt wurde.
Wir gehen zu Fuß weiter. Der Taxifahrer verlangt auf griechisch-unorthodoxe Weise sein Geld und brüllt uns nach. Wir kontern, dass er die Fahrt wohl selber “brennen” muss und sind noch Tage danach über unseren gewagten Wortwitz begeistert und starten daraufhin sofort ein Satiremagazin.
Ekelhafter Bandwurm. Weiter rein in die Stadt. Wir flüchten durch das Chaos an den einzig menschenleeren Ort in Athen: das Olympische Dorf. Errichtet wurde es zu Ehren Olympias, der Göttin des Kreuzbandrisses. Der Legende zufolge verwandelte sich der Liebhaber von Olympia als Strafe für ein Rauschgschichtl in einen riesigen Bandwurm.
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Ekelhaft: Der Bandwurm der Olympia litt unter Ausfluss.
Wer sich mit Olympia einlässt, muss also mit unappetitlichen Konsequenzen rechen. Salzburg weiß das. Und Athen kann davon ebenso ein Lied singen (z.B. Weiße Rosen), denn die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele brachten die Stadt der Ruinen an den Rande des Ruins.
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Für sportliche Großveranstaltungen wurde massiv Geld ausgegeben, jetzt müssen die anderen Länder mit Finanzhilfen einspringen.
Das weiß auch Phallus Athene (29), Finanzpolitiker, der uns in sein Büro einlädt. Er gilt als Inbegriff eines neuen Politikertyps. Verlogen, hasserfüllt, zu viel Selbstbräuner.
Jemand, der Politik nicht zum Umsetzen von neuen Ideen sieht, sondern primär als Selbstverwirklichung. “Die meisten Koalitionen sind bereits vor ihrer Gründung zerbrochen”, erklärt Athene und fügt mit ernster Miene hinzu: “Die Elite ist durchwegs korrupt. Ich übrigens auch.”
Selbst bei den Gottheiten herrsche ein irres Wirrwarr, kritisiert Athene. “Jeder ist für irgendetwas zuständig, alle haben was miteinander und am Ende kennt sich aber keiner mehr aus.”
Ruhmreicher Raser. Nur Phaeton, Sohn der Göttin Eos (Göttin der Fotografie), geniesst das Vertrauen des Politikers. Dessen Konterfei ziert jedes Haus im Lande, vor allem den Dummen und Denkschwachen bietet er Schutz vor den Unannehmlichkeiten der Gegenwart, wie z. B. der Aufklärung und der Abschaffung der Rassentrennung.
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Phaeton, der Gott der Raserei und Held der Dummen.
Phaeton, so heißt es in der Mythologie, ist der Gott der Raserei. Er ist einer der vier Schutzpatrone für geheime, verborgene Leidenschaften. Sein Bruder Promilleus wacht über den Alkohol, Schwester Extasia sorgt für die Aufputschpillen und deren Sohn Asfinag gilt als Erbauer von Betonpfosten. Wenn alle vier Gottheiten aufeinander prallen, dann wird es – laut der Legende – dunkel im ganzen Land, die Sonne fällt vom Himmel.
Wein, Weib und Gesang. Doch zurück zu unseren Fragen. Fragen, die uns unter den Fingernägel brennen wie Taxis in der Innenstadt. Wir verlassen das Politikerbüro im Hilton und treffen am Gehsteig eine Frau, die ihr Geld zuerst in Meinl European Land-Aktien angelegt hat und später dann auf griechische Staatsanleihen umgestiegen ist. “Jetzt investiere ich mein Geld in Meskalin”, schreit die Frau, die nackt auf der Straße steht und sich ungeniert mit einem Leoparden paart. Unseren Fotografen nimmt sie als froschgrünen Elefanten mit hellblauen Schmetterlingshaar wahr, den sie mit einem Holzlöffel zerschneiden will.
Als Interviewpartnerin ist die Frau nicht zu gebrauchen, dafür ist ihr Meskalinwein wirklich ausgezeichnet. Auch der Ouzo hat intravenös seinen Reiz.
Viele Sterne in Athen. Am nächsten Morgen wachen wir in einer versifften Bruchbude auf. Eine deutsche Reisegruppe macht Fotos und uns aufmerksam, dass unsere Herberge die Akropolis sei.
Verkatert und verleopardet machen wir uns auf den Weg zum Flughafen – der letzte Weg in unserer Odyssee.
Wir sind nervlich am Ende. Wie kleinkariert mögen unsere Problemchen in Österreich sein. Über die Sorgen wegen dem Gasgeruch in unserem Haus können wir jetzt nur noch schmunzeln. Wenn man so viel Grauen ausgesetzt ist, wie wir Touristen, dann relativiert man den Ärger, den man tagtäglich zuhause hat. “Bald, bald sitzen wir wieder im Privatjet”, spricht uns der Fotograf neuen Mut zu.
Kein schöner Anblick. Doch noch sind wir in Athen. Vor dem Flughafen grüßt uns ein Jugendlicher recht freundlich und verteilt fröhlich Molotovcocktails. Sofort akzeptiert er uns als Seinesgleichen. Kein Wunder, haben wir doch geradezu olympische Augenringe, der Fotograf geht unten ohne und unsere Unterarme sind von den Ouzo-Spritzen zerstochen – alles kein sehr schöner Anblick.
Der junge Mann hat einen unverständlichen Namen. Er ist jedenfalls zweifacher Magister, arbeitet gerade an seiner Doktorarbeit über Quantenphysik und beherrscht fünf Sprachen in Wort und Schrift. Seine bisherigen Arbeitserfahrungen: eine Praktikumsstelle im gehobenen Facility Management, zwei Mal Blutspenden.
Dem Anti gehört die Zukunft. Er erzählt uns, dass viele Junge in Griechenland aus Mangel an Arbeitsplätzen gegen die politische Ordnung rebellieren. Und gegen etwas sein, dafür haben die Griechen sogar ein eigenes Wort erfunden:
anti.
So haben sich unter den Jugendlichen mangels Jobaussichten nun ganz neue Berufsbilder herausgebildet. Der
Anti-Feuerwehrler legt beispielsweise Feuer, der
Anti-Tischler ruiniert Tische und Sessel, der
Anti-Straßenbauer wirft mit Pflastersteinen, der
Anti-Banker das Handtuch.
Der Jugendliche schmunzelt und ist sichtlich stolz. “Sie werden es nicht glauben. Aber seit unseren tiefgreifenden Sozialreformen gibt es für uns so viel Arbeit wie noch nie.”
Wir sind erledigt von den Strapazen. Am Flughafen mailen wir noch kurz den Text und die Bilder nach Hause. Unser Privatjet hebt ab. Am Cockpit schaltet der Kapitän vom Auto-Piloten zum
Anti-Piloten um.
(Bumm.)
gm
Fotos: public domain,
zacke82
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