Experte zu Nordkorea
"Eine völlig unbeachtete humanitäre Krise"
Stand: 20.08.2018 18:21 Uhr
Außenpolitisch stehen die Zeichen auf Entspannung. Doch weitaus weniger beachtet: Nordkorea droht eine massive Hungersnot. "Hunderttausende Menschenleben sind in Gefahr," sagt Entwicklungshelfer Hartzner im tagesschau.de-Interview.
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55.000 Kinder vom Tode bedroht
tagesschau.de: Sie sind gerade in Nordkorea gewesen: Wie ist die Situation der Menschen im Land aktuell?
Hartzner: Laut jüngsten UN-Erhebungen sind mehr als 40 Prozent der Bevölkerung unterernährt, genauso viele haben keinen Zugang zu fließend Wasser und sanitären Anlagen. Mehr als zehn Millionen Menschen sind von humanitärer Hilfe abhängig, etwa 55.000 Kinder leiden unter akuter Unterernährung, das bedeutet: an der kleinsten Krankheit oder Entzündung können sie sterben.
Die Kenntnisse über Hygiene sind schlecht, was die Verbreitung von Krankheiten begünstigt, multirestistente Tuberkulose ist weit verbreitet und auch die medizinische Versorgung ist mangelhaft. Es fehlen Medikamente und beispielsweise Röntgengeräte in einigen Krankenhäusern.
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tagesschau.de: Welche Folgen für die Bevölkerung befürchten Sie?
Hartzner: Ich fürchte, dass sich die Situation von 2012 wiederholen wird. Damals war ich in einem von vielen Kinderheimen und sah dort extrem unterernährte Kinder. Sie hatten über Monate nur maximal 150 Gramm Reis am Tag bekommen und daraus resultierte, dass sie unterentwickelt und viel zu klein waren, an Proteinmangel litten, die Muskeln nicht richtig ausgebildet waren. Die Bäuche der Kinder werden dick, die Haare fallen aus, und sie werden so schwach, dass sie kaum aufstehen können. Damals waren 400.000 Kinder akut unterernährt und so dem Tode nahe. Und eine ungewisse Zahl ist davon bereits gestorben.
Wenn die Weltgemeinschaft nicht will, dass sich das wiederholt, muss sie jetzt handeln.
Mein Anliegen ist, dass wir nicht auf die politische Führung schauen, sondern auf die hilfsbedürftigen Menschen im Land. Es geht um Hunderttausende Menschenleben.
https://www.tagesschau.de/ausland/nordkorea-interview-101.html