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Nachrichten aus der Türkei

Kann Erdoğan den Verfall per Verbot aufhalten?
Man könnte vielerlei Vergleiche zwischen der Türkei vor Erdoğan und der heutigen Situation, in die uns das Palastregime geführt hat, anführen. Ein Beispiel, in dem sich die Evolution, die wir durchlaufen haben, kristallisiert, bringt es besonders prägnant auf den Punkt: In der alten Türkei war Armut kein unentrinnbares Schicksal. Ein Kind aus einer Familie auf dem wirtschaftlich untersten Niveau hatte Zugang zu guter Bildung und konnte aufsteigen. Kinder vom Land konnten in der Verwaltung oder in der Privatwirtschaft wichtige Positionen erlangen. Sogar einen Nobelpreis erhalten, wie beispielsweise Aziz Sancar in Chemie.

Aufgrund von Erdoğans Wirtschaftspolitik in den letzten 22 Jahren ist das kaum noch möglich. Erdoğans Wahlversprechen lautete, er bringe Wohlstand und sorge für mehr Einkommensgerechtigkeit. Seit seinem Regierungsantritt 2002 tat er jedoch das Gegenteil. Er vertiefte die Kluft zwischen Arm und Reich. Die Mittelschicht wurde geschrumpft, große Teile der Bevölkerung sind mittlerweile von Armut betroffen.

Insbesondere die Wirtschaftskrise, in der wir seit drei Jahren stecken, hat es den Armen noch schwerer gemacht, sich mit Nahrungsmitteln und Wohnraum zu versorgen. Laut Zahlen für Juli verringerten sich die Preise für Lebensmittel international um drei Prozent, in der Türkei stiegen sie um 59 Prozent an. Wir haben weniger zu essen und zugleich bröckelt unser Obdach. Seit 2015 sind die Mieten um rund 700 Prozent gestiegen. Die niedrigste Miete ist mittlerweile so hoch wie der Mindestlohn, mit dem die Hälfte der Bevölkerung auskommen muss. Die Krise drückt uns alle, den bittersten Preis aber zahlen die Kinder. Wenn die Mieten steigen, bleibt Familien, deren Einkommen gerade eben für die Miete reicht, nichts anderes übrig, als ihre Kinder aus der Schule zu nehmen und arbeiten zu schicken, damit sie zum Haushaltseinkommen beitragen. Damit platzt der Traum von Kindern aus armen Verhältnissen, über Bildung den Aufstieg zu schaffen. Sie kommen nicht aus dem Armutskreislauf heraus. Einige der Jugendlichen, die gezwungenermaßen in die Mühlen der Industrie eintreten, verlieren dabei nicht nur ihre Träume, sondern ihr Leben. In den letzten zehn Jahren fielen 689 Minderjährige Arbeitsunfällen zum Opfer. Allein im vergangenen Monat kamen zwölf Kinder bei der Arbeit um, die sie als Beitrag zum Familieneinkommen leisteten.

 
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