Auch das noch
Europa erlebt so schicksalsschwere Tage wie seit Langem nicht. Die Anspannung ist förmlich mit Händen zu greifen. Nicht nur in den Regierungsvierteln, auch in Wohnzimmern landauf, landab, in Büros, in Kneipen, in der U-Bahn: Die Leute reden über die Weltlage, und viele ängstigen sich: Was tut Donald Trump als Nächstes? Jeden Morgen beim Blick aufs Smartphone ein neuer Querschuss aus Washington, gefolgt von heller Aufregung, Reaktionen, noch mehr Erschütterung.
Letzte Nacht unserer Zeit hat der US-Präsident eine Rede vor dem Kongress in der amerikanischen Hauptstadt gehalten. Es war seine erste Ansprache vor beiden Kammern des US-Parlaments seit Beginn seiner zweiten Amtszeit – und natürlich hat Trump die Gelegenheit für weitere Knalleffekte genutzt.
Donald Trump dominiert die weltweite Nachrichtenagenda, und Abermillionen Menschen starren wie die Kaninchen vor der Schlange auf den Washingtoner Zampano. Mal sehen sie entgeistert, wie eine Gewissheit nach der anderen zusammenbricht. Dann schöpfen sie wieder ein bisschen Hoffnung, weil Trump eine überraschende Volte schlägt: Wird vielleicht alles doch nicht so schlimm? Die Nerven sind zum Zerreißen gespannt, nicht nur bei Politikern, auch in vielen deutschen Familien. Ehepaare blicken bange auf den Fernseher, Kinder fragen ängstlich ihre Eltern, ob bald der nächste Krieg ausbricht, junge Erwachsene tragen sich ernsthaft mit dem Gedanken an Auswanderung. Weg aus diesem Hexenkessel, der mal das friedliche Europa war.
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Wenige Stunden später folgte ein denkwürdiger Auftritt in Berlin. Ähnlich gewichtig wie Gerhard Schröders Rede nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, wie Angela Merkels und Peer Steinbrücks Garantie der deutschen Sparguthaben nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 und wie Angela Merkels Fernsehansprache nach Ausbruch der Corona-Krise 2020: Noch bevor sie die neue Bundesregierung bilden können, haben CDU-Chef Friedrich Merz, die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie CSU-Chef Markus Söder eine historische Entscheidung getroffen. Sie öffnen die staatlichen Geldschleusen sperrangelweit. Vorbei ist die Zeit der starren Finanzkontrolle, jetzt wird nicht mehr gekleckert, sondern geklotzt:
Alle Verteidigungsausgaben, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, sollen von der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse ausgenommen werden. Die Bundeswehr soll sämtliches Gerät kaufen können, das sie braucht.
Ein über zehn Jahre laufendes Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro soll die marode Infrastruktur instand setzen: Brücken und Straßen, Schulen und Bahntrassen sollen repariert werden.
Auch die Bundesländer sollen die Möglichkeit bekommen, mehr Schulden zu machen. Ihre besonders strenge Schuldenbremse soll an die flexiblere Bundesregelung angepasst werden.
Treffen soll diese weitreichenden Beschlüsse noch schnell der alte Bundestag. Dort können Union und SPD dank der Grünen auf die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit hoffen. Im neuen Parlament sind AfD und Linkspartei so stark, dass sie Grundgesetzänderungen blockieren können.
Deutschland schmiedet einen Verteidigungspakt, die EU hilft ebenfalls.
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