One-Man-Show mit fatalen Folgen für die Demokratie in Serbien
Die Wahlen in Serbien waren eine Farce. Die Europäische Union hat bisher auf einen pragmatischen Kuschelkurs gesetzt. Damit könnte es jetzt aber vorbei sein. Für eine härtere Gangart wäre es auch höchste Zeit
Der serbische Präsident, Aleksandar Vučić, beherrscht die Kunst des öffentlichen Auftritts wie kaum ein anderer. Nach dem Wahlsieg seiner Serbischen Fortschrittspartei (SNS) am vergangenen Sonntag rezitierte er das Lied vom großen Sieg seiner Partei und ließ sich bejubeln. In einem Moment explodierte es aber aus ihm heraus, als er jemanden im Publikum harsch wegen eines Kommentars zurechtwies. Da war er wieder – der dominante und aggressive Aleksandar Vučić, wie man ihn noch aus seiner Zeit als Informationsminister von Slobodan Milošević Ende der 1990erJahre und als Jünger des Kriegsverbrechers, seines Ziehvaters Vojislav Šešelj, kennt. Diese kurze Explosion von Sonntag ist jene diabolische Geste des selbstsicheren Despoten, der sich ein ganzes Land zu eigen gemacht hat.
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Gesellschaft der Angst
Im Land sieht es derzeit so aus, als ob viele Bürgerinnen und Bürger das Stehlen von Wahlen schlicht nicht mehr akzeptieren wollen. An jedem Abend seit der Wahl gab es Massenproteste vor dem Sitz der Wahlkommission in Belgrad. Diesmal sind auffallend viele junge Menschen da, denen die Wut und der Zorn über das Regime ins Gesicht geschrieben steht. Das Regime ist auch diesmal schnell zur Stelle – die mediale Hetze gegen Oppositionspolitiker und Menschen auf der Straße ist groß. Auch das brüderliche Russland souffliert aus Moskau und warnt davor, dass hier mit Unterstützung des Westens und der USA ein serbischer Euromaidan vorbereitet werde.
Serbien ist in den vergangenen Jahren zu einer Gesellschaft der Angst geworden. Ängste und Misstrauen werden seit einem Jahrzehnt vom Regime und seinen medialen Abstumpfungs- sowie Verdummungs- und Angstmaschinen erzeugt. Das Kultivieren dieser Emotionen und der Feindbilder bildet das Fundament des Regimes. Auf der anderen Seite herrschen Wut und Zorn über das Regime, bislang oft mit dem Gefühl der Ohnmacht vermischt – dies ist heute das Gefühl des anderen, anständigen Serbien. Verliert dieses andere Serbien nun vollends die Angst vor seinem Despoten? Vielleicht sind die jungen Menschen bei den Protesten in Belgrad Boten eines demokratischen Serbiens der Zukunft. (Vedran Džihić, 22.12.2023)
Die Wahlen in Serbien waren eine Farce. Die Europäische Union hat bisher auf einen pragmatischen Kuschelkurs gesetzt. Damit könnte es jetzt aber vorbei sein. Für eine härtere Gangart wäre es auch höchste Zeit
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