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illiberal
Russlands Ambitionen in Zentralasien
- Zurück in die Zukunft
EIN GASTBEITRAG VON EKATERINA ZOLOTOVA am 10. Mai 2021
Noch bis vor kurzem hatte Moskau keine kohärente Strategie für Zentralasien – immerhin eine der dynamischsten Regionen der Welt. Das ändert sich gerade. Der künftige Einfluss des Kremls wird auf psychologischer Kriegsführung und Anreizen beruhen, nicht auf direkter Intervention.
"Psychologische Kriegsführung statt Intervention
Die Details des neuen russischen Ansatzes müssen noch ausgearbeitet werden, aber er wird über die Eurasische Wirtschaftsunion laufen, die nicht nur ein Wirtschaftsblock, sondern auch ein politisches Forum ist. Russland kann nicht mehr darauf hoffen, die Region zu dominieren – zumindest nicht zu einem Preis, den es zu zahlen bereit ist. Der künftige Einfluss des Kremls wird stattdessen auf psychologischer Kriegsführung und Anreizen beruhen, nicht auf direkter Intervention.
Zu diesem Zweck ist es für Russland wichtig zu zeigen, dass die Zusammenarbeit mit ihm oder mit Projekten unter russischer Führung ein Prozess ist, der für beide Seiten vorteilhaft ist, und dass seine Partner nicht ihre Unabhängigkeit verlieren, sondern eher an Einfluss gewinnen werden. Der jüngste tadschikisch-kirgisische Konflikt ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass Russland die EAEU als Plattform für die Lösung eines Konflikts nutzt, anstatt eigene Friedenstruppen zu entsenden oder mit beiden Seiten separat zu verhandeln.
Kooperationen statt Aufbau russischer Streitkräfte
Auch der militärische Aspekt ändert sich. Moskau strebt nicht mehr danach, russische Streitkräfte in Zentralasien aufzubauen, sondern zieht es vor, eine Plattform für Lastenteilung und gemeinsame Zusammenarbeit zu schaffen, in der sich jedes beteiligte Land als wichtiges und vollwertiges Mitglied fühlt.
So initiierte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu bei seinem letzten Besuch in Usbekistan die Bildung einer Anti-Taliban-Front. Unterstützt wird diese durch die Schaffung eines gemeinsamen Luftabwehrsystems mit Tadschikistan und die neue strategische Partnerschaft mit Usbekistan. Letztere leitete eine Initiative Washingtons ein, das hoffte, Usbekistan würde nach dem Abzug der westlichen Truppen als Reservestützpunkt für die Bekämpfung von Terroristen in Afghanistan dienen.
Wenn die neue Strategie funktioniert, kann Russland seine Bedeutung in der Region zu minimalen Kosten steigern. Noch wichtiger ist, dass es dies tun wird, ohne eine Gegenreaktion von Drittländern auszulösen. China wird sich wahrscheinlich nicht widersetzen, da Peking ein stabiles Zentralasien braucht, um seine „Belt and Road“-Strategie umzusetzen. Wenn die Länder Zentralasiens einen einheitlichen Wirtschaftsraum bilden, wird der Warentransport zudem auf weniger bürokratische Hindernisse stoßen.
Iranische Ambitionen in der Region
Auch die iranischen Ambitionen in der Region können von Russland sanft kontrolliert werden, insbesondere wenn es Russland gelingt, den Iran in die EAEU zu holen, was Teheran helfen könnte, die US-Sanktionen zu umgehen. Die wirtschaftlichen Ambitionen der Türkei in der Region werden in den Hintergrund gedrängt, und eine starke russische Präsenz wird die russische Kultur stärken und den Pan-Turkismus daran hindern, Wurzeln zu schlagen. Und schließlich: Wenn die EAEU eine Verhandlungsplattform darstellt, in der die Länder nicht von Russland dominiert werden, dann werden die westlichen Länder auch kaum einen Grund finden, das Projekt mit Sanktionen zu bedrohen.
Eine solche Strategie bedeutet jedoch, dass sich Russland eher mit mehr Einfluss als mit totaler Kontrolle zufrieden geben und eine Reihe von Zugeständnissen machen muss. Moskau hat bereits die Folgen der Einführung des Konsenses in der EAEU erlebt, als Armenien gegen den Willen Russlands die Teilnahme Aserbaidschans an einer Sitzung des zwischenstaatlichen Rates des Blocks ablehnte.
Der Kreml wird sich daran gewöhnen müssen, sich langsamer zu bewegen und nicht immer seinen Willen zu bekommen. Die einzige Frage ist, ob Moskau die Geduld und die Zeit haben wird, seine neue Strategie umzusetzen. Und, was noch wichtiger ist, ob die zentralasiatischen Länder den friedlichen Absichten Moskaus vertrauen werden."
https://www.cicero.de/aussenpolitik...tralasien-kreml-psychologische-kriegsfuehrung