In Moskau geht der Teufel um
Oder: Es ist Zeit, Europas Grenzen neu zu denken. Die Unterdrückung von Gewalt in all ihren Formen und Erscheinungen soll dafür gemeinsamer Nenner sein
In seinem Gastkommentar schreibt der Belgrader Sozialwissenschafter Filip Radunović über Europa, Russland, Gewalt und Krieg. Und er zieht dabei Parallelen zu Michail Bulgakows berühmtem Roman "Der Meister und Margarita".
Es ist wie verhext. Der Teufel, getarnt als Professor der schwarzen Magie, spukt mit seinen finsteren Schergen durch die Straßen Moskaus. Er hat seinen wörtlichen Mordsspaß, wenn er Ungläubige über die Existenz Jesu Christi, den er mit seinem hebräischen Namen – Jeschua – nennt, belehrt. Und über die Gewissensbisse des Pontius Pilatus erzählt, der Jeschua wegen Falschaussagen Judas verurteilen musste, ihn aber ursprünglich begnadigen wollte. Jene, die dem finsteren Zauberer Voland nicht glauben oder im Weg stehen, werden getötet, verschwinden spurlos oder werden in eine Anstalt eingewiesen. Und mittendrin ein verbotenes Paar: ein verkorkster Schriftsteller und seine bezaubernde Geliebte, deren Liebe auch den größten Versuchungen widersteht.
Die fantastische Erzählung des in Kiew geborenen Michail Bulgakow – über den Meister und Margarita – ist einer der großen russischen Romane des letzten Jahrhunderts, eine irrwitzige Satire gerichtet gegen die skurrilen Überwachungspraktiken und das willkürliche System der atheistischen Sowjetunion, eine irdische Abhandlung zwischen Gut und Böse, inklusive Erlösung aller Beteiligter. Zugleich auch eine tiefgreifende Analyse menschlicher Abgründe und Sünden, hochgespitzt durch biblisch-historische Parabeln zur Gier und Feigheit. Und obwohl vor fast 100 Jahren geschrieben, frappieren die Allegorien gerade heute.
Großer Graben
Oder: Es ist Zeit, Europas Grenzen neu zu denken. Die Unterdrückung von Gewalt in all ihren Formen und Erscheinungen soll dafür gemeinsamer Nenner sein
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