Die intensive Diskussion hier über den
deutschen Umgang mit den NS-Verbrechen zeigt doch, dass diese keinesfalls ein Tabu waren oder sind. Über Zeitpunkt, Inhalte und Qualität der Aufarbeitung kann man
sicher geteilter Meinung sein, aber darüber, dass diese Diskussion seit Jahrzehnten intensivst geführt wird, sicher nicht!
Allein die Tatsache, dass Google zu "Wehrmachtsausstellung" 29.200 Suchergebnisse ausspuckt, ist ein sicherer Beleg für das öffentliche Interesse an dieser Thematik...
Aufarbeitung besteht ja nicht nur aus der Errichtung von 1..3 Denkmälern oder der Eröffnung einer Gedenkstätte, sondern sie muss (zwingend) die Köpfe der Menschen erreichen, um wirksam zu sein. Wenn also, wie oben geschrieben, 50% der Bevölkerung im "Väterchen" immer noch den größten Staatslenker ihrer Gechichte sehen, dann ist da etwas schief gelaufen. Leider sieht es auch für die nahe Zukunft nicht viel besser aus, wie man z.B. diesem Artikel (2/2013) entnehmen kann:
Putin profitiert vom Stalin-Kult
Zur Feier des Sieges in Stalingrad gedenken Stalin-Anhänger dem Sowjet-Diktator. Kritik ist tabu, weil der Patriotismus Putin und Medwedew gelegen kommt.
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Die Erinnerung an den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg ist politisch für den Kreml bedeutsam und deshalb für jede kritische Betrachtung tabu. Sie dient als Markstein für das heutige Russland. Der Bezug auf die sowjetische Vergangenheit soll der Herrschaft Putins zusätzlich zu allen Wahlspektakeln Legitimation verleihen.
Eine schonungslose Analyse des Stalinschen Systems könnte zu Vergleichen mit dem Autoritären im Regime Putins, mit seinem Monopolanspruch auf die Macht oder mit der Kluft zwischen Führung und Volk, anregen. Das ist nicht erwünscht.
Während seiner ersten Amtszeit zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts hatte Putin die Renaissance des Stalinerbes der Sowjetunion nicht zu weit getrieben. Russland hoffte damals noch auf eine stärkere Einbindung in den Westen und wollte nicht zu abschreckend wirken. Doch die
USA und
Europa, so sah es der russische Präsident zusehends, wussten seine Angebote nicht zu würdigen. Die Enttäuschung über den Westen brach bald auch in der offiziellen Haltung zu Stalin durch.
In Putins zweiter Amtszeit durften sich viele Stalin-Anhänger in Schulbüchern und Medien ausleben: Stalins menschliche Seite und "effektive Führung" wurden entdeckt. Die These entstand, dass Stalins Handeln die zwangsläufige Folge der Bedrohung von außen und der inneren Rückständigkeit gewesen sei. Die anderen waren also schuld. Stalins Verbrechen wurden in kurzen Pflichtsätzen des Bedauerns versteckt.
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http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-02/russland-stalingrad-gedenken-stalin
Bildung: Russische Geschichtsbücher nach Putins Geschmack - DIE WELT
Keine besonders guten Voraussetzungen für eine wirklich Aufarbeitung...