Gas, Öl, Autos, Maschinen: So eng sind Deutschland und Russland verflochten
Deutschland braucht russisches Öl und Gas, Russland kauft deutsche Maschinen, Chemikalien, Autos - bisher profitieren beide Seiten vom Handel. Doch die Krim-Krise belastet die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Welche Folgen hätten Sanktionen?
Hamburg - Der Warenstrom zwischen
Deutschland und
Russland ist fast ausgeglichen: Öl und Gas fließen aus Sibirien nach Deutschland, deutsche Unternehmen liefern vor allem Autos,
Maschinen und chemische Erzeugnisse in die russische Föderation. Die wechselseitigen Verbindungen zwischen der Wirtschaft beider Länder haben sich in den vergangenen Jahren verstärkt - zu Wohl und derzeit Wehe der Unternehmen.
Rainer Lindner, Geschäftsführer beim Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft, zeigt sich deshalb äußerst besorgt über die Zuspitzung der Lage auf der Krim: "Wir erleben große Turbulenzen an den Märkten, die russische Wirtschaft ist bereits stark betroffen, genauso die börsennotierten deutschen Unternehmen, die auf dem russischen Markt tätig sind; darunter Metro
, Volkswagen
, BMW
oder Daimler
". Deutschland habe deutlich engere Verbindungen zu Russland als andere europäische Länder, mit 6000 Betrieben seien mehr deutschstämmige Firmen in Russland tätig als aus allen anderen EU-Staaten zusammen. Lindner zufolge hängen
300.000 deutsche Arbeitsplätze am Russland-Geschäft.
Das Handelsvolumen zwischen Russland und Deutschland belief sich im vergangenen Jahr auf rund 76,5 Milliarden Euro, wobei die russischen Exporte mit einem Wert von rund 40,5 Milliarden Euro leicht über den deutschen Ausfuhren (36 Milliarden Euro) lagen. Während Deutschland für Russland der
drittwichtigste Handelspartner ist, liegt umgekehrt Russland nur auf dem elften Platz der wichtigsten deutschen Handelspartner - knapp hinter Polen. Ost-Ausschuss-Geschäftsführer Lindner hält die Sanktionsforderungen seitens der USA daher für einen Irrweg: "Die Volkswirtschaften von Deutschland und Russland sind mittlerweile so verflochten, dass Sanktionen sicher Gegensanktionen auslösen würden." Für die Regierung in Washington sei es leichter, solche Maßnahmen zu fordern: "Die USA sind weitgehend von russischen Öl- und Gaslieferungen unabhängig."
Stattdessen solle weiter nach einer friedlichen Lösung gesucht werden. Denn eine neue Eiszeit zwischen Russland und der westlichen Welt würde der deutschen Wirtschaft das Leben schwermachen. Ein Überblick über die wichtigsten Abhängigkeiten.
Deutsche Importe
Erdgas: Deutschland ist seit Jahrzehnten abhängig von russischen Erdgaslieferungen. Fast 40 Prozent des deutschen Gasaufkommens kommen aus den Fördergebieten Russlands, und mehr als die Hälfte davon fließt durch Pipelines durch die
Ukraine. Zwar haben Kritiker immer wieder vor zu großer Abhängigkeit von einem Einzellieferanten gewarnt, geändert hat sich aber nichts. Zumal Russland mit dem Bau der Nordstream-Pipeline die Verbindung nach Europa - unter Umgehung anderer Staaten - weiter verstärkt hat.
Norwegen liegt mit knapp 30 Prozent an zweiter, die
Niederlande mit gut 25 Prozent an dritter Stelle der wichtigsten Gaslieferanten Deutschlands.
Erdöl: Russland ist auch der mit Abstand größte Öllieferant Deutschlands. Mehr als 35 Prozent des deutschen Erdölbedarfs kommen aus russischer Produktion. An zweiter Stelle liegt auch hier Norwegen, gefolgt von Großbritannien.
Die Wirtschaft fürchtet als Reaktion auf mögliche Sanktionen den Stopp von Öl- und Gaslieferungen durch die russische Regierung. Kurz- bis mittelfristig könnte Deutschland den Ausfall wohl kompensieren. Der Gasverbrauch ist wegen des milden Winters relativ gering, und in unterirdischen Speichern lagern 20 Prozent des deutschen Jahresverbrauchs. Längerfristig aber würden deutsche Unternehmen empfindlich getroffen.
Deutsche Exporte
Deutschland exportiert vorwiegend Güter aus drei Sektoren nach Russland. Dazu gehören Erzeugnisse des Maschinenbaus (rund 23 Prozent der Exporte), Fahrzeuge und Fahrzeugteile (rund 22 Prozent) sowie Produkte der chemischen Industrie (rund 14 Prozent).
Maschinenbau: Fast ein Viertel der russischen Maschinenimporte kommen
laut dem Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) aus Deutschland. Für deutsche Hersteller war Russland demnach zuletzt der viertgrößte Exportmarkt - nach China, den USA und Frankreich. Deutschland ist in 20 von 33 Zweigen des Sektors Russlands wichtigster ausländischer Lieferant, etwa für verfahrenstechnische Maschinen und Apparate, Fördertechnik, Landtechnik, Pumpen sowie Nahrungsmittel-, Verpackungs- und Werkzeugmaschinen.
Chemie: Russische
Chemieimporte haben trotz der rückläufigen Wirtschaftskraft des Landes eine zunehmende Bedeutung für deutsche Unternehmen. Insgesamt legte die Einfuhr chemischer Erzeugnisse nach Russland im Jahr 2012 um knapp zehn Prozent auf rund 48 Milliarden Euro zu. Deutschland gehört zu den wichtigsten Lieferländern. Das Exportvolumen deutscher Chemieprodukte nach Russland wuchs 2012 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als fünf Prozent auf rund 5,8 Milliarden Euro. Damit kam laut der bundeseigenen Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing (GTAI) jede sechste Chemie-Einfuhr nach Russland aus Deutschland. Am wichtigsten unter den deutschen Chemieexportwaren nach Russland sind pharmazeutische Erzeugnisse. Weitere bedeutsame chemische Produkte für die Ausfuhr nach Russland sind zum Beispiel Kunststoffe, Kautschukwaren, Körperpflege- und Schönheitsmittel oder Farbstoffe.
Autos: Russische
Autoimporte aus Deutschland sind dem Verband der Automobilindustrie (VDA) zufolge im Jahr 2013 leicht zurückgegangen. Während Russland 2012 rund 156.800 Autos aus der Bundesrepublik importiert hat, waren es 2013 nur noch 132.400 Wagen. Als Exportmarkt für Personenkraftwagen stand Russland 2013 für Deutschland demnach an neunter Stelle nach Großbritannien, den USA, Frankreich, China, Italien, Spanien, Belgien mit Luxemburg und Japan.
Sanktionen, Krim-Krise: Deutsche Firmen fürchten Eiszeit mit Russland - SPIEGEL ONLINE
Sanktionen währen also vor allem für Deutschland ein verlust geschäft.