Kampagnen, die Angst unter den Serben schürten
Bei der ersten Sitzung des Verfassungsgerichts musste sich Šeks mit der Verfassungsmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung des kroatischen Parlaments befassen, dessen Hauptarchitekt und Verfasser er selbst war.
Der Antrag, die Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen, kam von einer großen serbischen Mehrheit. "Das wäre alles nicht passiert, wenn es nicht bereits 1989 eine derart starke Kampagne in serbischen Medien gegeben hätte – etwa in der Zeitung 'Politika' – gegen die Ereignisse in Kroatien", meint Šeks. "Das war eine Art Artillerie." Durch diese Artikel hätte man ständig Angst in der serbischen Bevölkerung geschürt, dass eine neue Ustascha-Welle komme würde und wieder ein Gemetzel wie einst drohe.
Ein zusätzliches Argument war die Verfassungsänderung, wonach die Serben in Kroatien ihren Status als konstitutives Volk verloren hätten. "Man hatte den Serben eingeflößt, dass dies nur die Ouvertüre sei und all die schrecklichen Ereignisse wieder aufkommen würden. Wenn es diese Propaganda nicht gegeben hätte, wäre es auch nicht zu dem bewaffneten Aufstand der kroatischen Serben gekommen", glaubt Šeks.
"Narrengewand von Serbien herunterreißen"
Prinzipiell betont er, dass es keine Korrelation zwischen der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens und dem Krieg gegeben habe. "Ich weiß, dass es unterschiedliche Kreise in Europa gibt, die glauben, dass die Unabhängigkeitserklärung die Ursache für den Krieg war. Viele meinen, dass eine verfrühte Erklärung von Kroatien und Slowenien dazu geführt habe, dass der Krieg ausbrach. Aber ich glaube, dass es sich hier um falsche Auffassungen handelt.
Die Hauptursache für den Krieg war die imperialistische Politik von Slobodan Milošević, der versuchte, Jugoslawien unter serbischer Dominanz umzugestalten." Zuerst habe er bereits 1989 die föderative Ordnung untergraben, als zwei konstitutive Bestandteile abgeschafft wurden, nämlich die Vojvodina und der Kosovo.
Dem Volk die "Würde" zurückgeben
Milošević habe gewollt, dass man dem serbischen Volk, die "Würde" zurückgeben sollte, die es angeblich verloren hatte, und damit meinte er auch das serbische Volk, das in den anderen Teilrepubliken Jugoslawiens lebte, etwa in Mazedonien und in Kroatien. "
Es war eindeutig, dass man das nur durch Gewalt erwirken könne. Die erste Voraussetzung dafür war, dass man die legale Führung von Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien herabsetzt. In Montenegro, der Vojvodina und im Kosovo hatte man schon früher die politischen Führungskräfte entfernt", so Šeks zum STANDARD. Kroatien habe sich in einem "Reflex" gewehrt, verteidigt er die damalige Vorgehensweise. Milošević habe die Jugoslawische Volksarmee komplett transformiert. Die Führungspositionen seien von Serben besetzt worden. (Adelheid Wölfl, 25.6.2016)
Vladimir Šeks, der vor 25 Jahren Kroatiens Unabhängigkeitserklärung verfasst hat, erinnert sich an den Juni 1991
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