Aus meiner Sicht gibt es nur zwei Möglichkeiten, die zu diesem Putsch geführt haben.
1. Die Militärs hatten die Schnauze voll, nachdem sie lange zugeschaut haben, wie das Erbe Atta Türks zerstört wurde (ich unterstelle das mal). Also standen sie mit dem Rücken an der Wand, dachten sich, jetzt oder nie. Die Amis gaben das Zeichen, neutral zu bleiben und die "soldatische Ehre" wurde beschworen. Letztlich setzte man also alles auf eine Karte, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass der Rest des Militärs wieder zu seinen Wurzeln findet und nur auf den richtigen Moment wartet.
Ich unterstelle einfach mal diese Beweggründe, vielleicht irre ich mich, denn ich bin wirklich nicht super informiert über die Lage in der Türkei, geschweige denn über das Militär und die Kemalisten. Und mich erinnert das an die Dönme/Sabbatai Zvi-Story. In diesem Zusammenhang würde mich auch interessieren, ob Orhan Pamuk sich schon geäußert hat
2. Das ganze wurde inszeniert oder zugelassen. Der Gründe sind klar. Bei der aktuellen Lage, die, wenn man die letzten zwei-drei Jahre abruft, keine Überraschung ist. Mit dem Beispiel mache ich mich zwar wieder unbeliebt, aber mich erinnert das sehr an die Ereignisse um die antibürokratische Revolution/ Jogurth Revolution in Jugoslawien, wo auch mit dem Volk auf diese Art gearbeitet wurde, allerdings mit viel mehr Vorbereitung. Interessant ist auch, wie Begriffe, wie Demokratie benutzt werden. In diesem Fall ist Demokratie etwas, was der Mehrheit gefällt. Allerdings ist das eine falsche Auffassung von Demokratie, denn die funktioniert nur durch die Divergenz und die ist ja im Moment nicht erwünscht. Ähnlich machte Erdogan es bereits mit der Pressefreiheit, als er massiv die Presse einschränkte und passend dazu das Fass mit der deutschen Satire aufgemacht hat.
Vielleicht sah er in Gülen noch eine Gefahr, besonders im Bezug auf seine Bestrebungen mit dem Präsidialsystem. Zwar ist wohl auch in der Politik die Mehrheit auf seiner Seite oder ihm nicht gewachsen, aber ein solcher Machtausbau wird auch bei Befürwortern sicher kritisch gesehen. Was wir gestern gesehen haben, war nicht mehr und nicht weniger als eine der größten Machtdemonstrationen, die man die letzten Jahre erlebte. Das Volk als Waffe einzusetzen, obwohl der Staat es locker selbst hätte regeln können, mit weniger Toten, hat allen gezeigt, wer der Babo ist. Gülen ist erledigt und die letzten Anhänger können im Zuge der Säuberung erledigt werden und natürlich auch die letzten Schritte zur absoluten Macht. Und nicht zuletzt ist es auch ein Zeichen für andere Staaten. Ein Staat, in dem das Volk dermaßen stramm steht, ist so gut wie unbesiegbar. Dabei geht es nicht direkt um Krieg, sondern um eine Stärkung der Verhandlungsposition. Ich bin gespannt, ob es Aktionen gegen die Gülen-Standorte in Deutschland geben wird.
Wie gesagt. alles Spekulativ.