"EHRENMORD"-PROZESS
[h3]"Ich bin sehr froh, dass ich die Tat begangen habe"[/h3]
Er verbrannte seine Frau bei lebendigem Leib, er zeigt keine Reue: Im Prozess gegen den Iraker Kazim M. plädieren Staatsanwaltschaft und Verteidigung für lebenslange Haft. Der uneinsichtige Angeklagte bezeichnet das als "Theater".
München - Kazim M. hat sich zurückgelehnt auf der Anklagebank des Münchner Schwurgerichts.
Breit grinsend verschränkt er die Arme vor dem Brustkorb. So vernimmt der Angeklagte die Schlussworte des Staatsanwalts, der ihm noch einmal das Verbrechen vorhält.
Vor der Tat am 25. Oktober 2006 habe sich Kazim M. ein Messer und einen Liter Benzin, außerdem ein Elektroschock-Gerät beschafft, um etwaige zu Hilfe eilende Zeugen ausschalten zu können. Am Tattag war er nur wenige Stunden zuvor von seiner Frau Sazan B. geschieden worden.
Später lauert er ihr im Münchner Vorort Garching auf, greift sie - ihr sechsjähriges Kind hält die Frau an der Hand - auf offener Straße mit dem Messer an.
Staatsanwalt Peter Boie:
"Sie erlitt zwölf Stichverletzungen im Kopf- und Oberkörperbereich." Die schwerverletzte 24-Jährige sei dann auf die andere Straßenseite getaumelt, habe sich an einem Auto festgeklammert. Dann habe der 36-jährige Kazim M. einen Kanister aus seinem Auto geholt, die Frau mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leibe angezündet. Das Kind habe daneben gestanden. "Bilder einer so schlimm zugerichteten Leiche sind auch im Schwurgerichtssaal selten zu sehen", sagt Boie. Es könne "nur eine Strafe" für Kazim M. geben: Lebenslang bei besonderer Schwere der Schuld.
"Sie hat mich verraten, sie hat es verdient"
Kazim M. gestand seine Tat bereits am
ersten Prozesstag in der vergangenen Woche (mehr...):
"Sie hat mich verraten, sie hat es verdient", sagte er da. Seitdem hat er keine Spur von Reue gezeigt. Auch heute, am letzten Verhandlungstag vor der Urteilsverkündung am Donnerstag, ist bei ihm nur dieses Grinsen. Sonst nichts.
Alles begann mit einer arrangierten Ehe. Kazim M. heiratete die damals siebzehnjährige Sazan B. im Irak. Zuvor habe man eine halbe Stunde miteinander geredet, dann sei man sich einig geworden, erinnert sich der Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass etwa 32.000 Euro Brautgeld inklusive Schmuck gezahlt worden seien.
Nach der Heirat kommen die beiden nach Deutschland, ihr Kind wird geboren. Wegen all der Schwierigkeiten, die Sazan B. wohl schon zu dieser Zeit mit ihrem Mann hat, erhält es einen Namen, der "Träne" bedeutet.
Während sie schnell Deutsch lernt, scheint er sich nicht zu bemühen. Noch heute im Gerichtssaal benötigt Kazim M. einen Dolmetscher.
"Keine Tat der Ehre, sondern Tat der Schande"
Im September 2005 hält es Sazan B. nicht mehr aus: Sie lässt ihren Mann wegen tätlicher Übergriffe von der Polizei aus der gemeinsamen Wohnung werfen, die Gerichte verhängen später eine Kontaktsperre. Ein Jahr später dann die Scheidung. Sazan B. soll vom "schönsten Tag ihres Lebens" gesprochen haben. Kazim M. sagt laut einem Zeugen: "Jetzt ist sie fällig."
Staatsanwalt Boie nennt die Tat einen "Ehrenmord", der Begriff habe sich eingebürgert. Allerdings sei er "im Grunde irreführend, denn er suggeriert, die Tat habe etwas mit Ehre zu tun". Somit werde der Ehrbegriff pervertiert: "Das hier ist keine Tat der Ehre, sondern eine Tat der Schande gewesen." Es sei "Selbstjustiz der übelsten Sorte". Das Gericht müsse nun ein Signal setzen, "dass das nicht hingenommen wird".
Der Mord an Sazan B. sei "auch an Rechtsfeindlichkeit nicht zu überbieten", da der Angeklagte "wiederholt seine Verachtung des deutschen Rechtssystems dem Gericht ins Gericht geschrien" habe . Es gebe "keinen kulturellen Rabatt", Maßstab seien allein "die Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik und nicht die Anschauungen einer Volksgruppe".
Kazim M. grinst bei all diesen Worten. Während sein Verteidiger Markus Meißner zwar ebenfalls auf lebenslange Haft plädiert, die Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld mit Verweis auf den kulturellen Hintergrund und die nicht vorhandenen Vorstrafen des Angeklagten aber abzuwenden sucht, spricht Kazim M. ein letztes Mal Klartext.
"Der Herr Staatsanwalt" habe eine Sicht der Dinge dargelegt, die mit den Gesetzen übereinstimme. Für ihn aber, so Kazim M., sei wichtig gewesen, "dass ich nicht vor der Tat festgenommen wurde, sondern danach". Ein Raunen geht durch den Zuschauer-Raum. Reue werde er nicht zeigen: "Auch in 20 Jahren werde ich die gleiche Antwort geben." Was in diesem Prozess gesagt worden sei, das komme ihm "wie Theater" vor. Kazim M. sagt all das keineswegs mit verkniffenem Gesicht.
Er lächelt, schaut von oben herab auf die Justitia-Vertreter: "Für mich war das richtig, Sie können es so verstehen, wie Sie wollen. Ich bin sehr froh, dass ich die Tat begangen habe." Er wolle, dass gleich geurteilt werde, "Sie brauchen nicht bis morgen zu warten".
Der Richter nimmt das zur Kenntnis und unterbricht die Sitzung: "Wir setzen morgen fort."
Das Ergebnis ist abzusehen.
"Ehrenmord"-Prozess: "Ich bin sehr froh, dass ich die Tat begangen habe" - Panorama - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten