20.12.2004
Israel: Koalitionsverhandlungen ins Stocken geraten
Likud und Arbeiterpartei einigen sich auf Programm - Problem: Uneinigkeit über Posten des Vize-Premiers - Sharon will für zweiten Stellvertreter Israels Verfassung ändern
Nachlese
STANDARD: "Die "Rückzugskoalition" ist perfekt"
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Haaretz: "Coalition talks snag on acting PM role for Peres"
Jerusalem - Die Koalitionsverhandlungen zwischen der israelischen Regierungspartei Likud und der oppositionellen Arbeiterpartei sind ins Stocken geraten. Die Unterzeichnung einer Vereinbarung war für Sonntag erwartet worden.
Arbeitspartei-Chef Shimon Peres forderte für sich den Posten des stellvertretenden Ministerpräsidenten, den derzeit Ehud Olmert, ein enger Vertrauter von Regierungschef Ariel Sharon, innehat. "Wir verdienen eine angemessene Vertretung in den Fragen, die uns betreffen", sagte Peres vor Journalisten. Olmert sagte, Sharon habe mit Nachdruck ausgeschlossen, dass der Posten nicht mit einem Likud-Mitglied besetzt werde. Parteivertreter versuchten in neuen Gesprächen einen Kompromiss zu finden.
Der 81-jährige Friedensnobelpreisträger Peres hat 2001 in einem von Sharon geführten Kabinett der "nationalen Einheit" mitgearbeitet und gehört zu den größten Befürwortern eines Beitritts seiner Partei zur jetzigen Regierung. Die Arbeiterpartei unterstützt Sharons Plan eines einseitigen Rückzugs aus dem palästinensischen Gaza-Streifen. Ein Bündnis mit den Mitte-Links-Kräften im Land könnte auch Gespräche mit der neuen Palästinenser-Führung fördern, die Anfang 2005 gewählt wird.
Sharon will für zweiten Stellvertreter Israels Verfassung ändern
Der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon will für sein Regierungsbündnis mit der Arbeiterpartei die Verfassung ändern lassen. Der Vorsitzende des zuständigen Parlamentsausschusses, Michael Eitan, sagte am Montag, Sharon habe ihn um eine rasche Änderung des Verfassungsgrundsatzes gebeten, wonach der Regierungschef bisher nur einen Stellvertreter haben darf. Bei den Koalitionsverhandlungen hatte Sharon dem Chef der Arbeiterpartei, Shimon Peres, den Posten des Vize-Regierungschefs angeboten. Sein bisheriger Stellvertreter und Parteikollege Ehud Olmert will seinen Posten aber nicht aufgeben. Als Kompromiss schlug ein Vertrauter von Peres die Schaffung eines zweiten Stellvertreterpostens vor.
Die von Sharon angestrebte Verfassungsänderung sei ihm "sehr unangenehm", sagte Eitan. Er werde aber versuchen, seine Aufgabe im Ausschuss und die an ihn gestellte Forderung in Einklang zu bringen. Das Likud-Mitglied hatte sich zuvor gegen eine überhastete Verfassungsänderung ausgesprochen. Für eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes genügt die einfache Mehrheit im Parlament. Der Vize-Regierungschef spielt im politischen Alltagsgeschäft Israels keine große Rolle, er vertritt den Ministerpräsidenten nur im Falle einer Erkrankung oder während dessen Auslandsreisen.(APA/Reuters)