Al-Sarkawi - vom Kartenabreißer zum Terrorchef
Ausgeschaltet: Viele hielten ihn für gefährlicher als bin Laden - auch auf seinen Kopf waren 25 Mio. Dollar ausgesetzt. Er war ohne Schulabschluß und lungerte herum. Dann träumte seine Schwester, er sei zum Heiligen Krieger bestimmt . . .Haahaa :roll: :roll: :roll:
Hamburg -
Der Ausspruch des spanischen Philosophen José Ortega y Gasset, zu hassen bedeute unablässig zu morden, ist eigentlich nur metaphorisch gemeint. Im Falle des jordanischen Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi ist er ganz wörtlich zu nehmen.
Sarkawi, der gestern zehn Minuten nach einem gezielten amerikanischen Bombenangriff in Bakuba seinen Verletzungen erlag, war trotz seines martialischen Gehabes im Grunde ein unsicherer Mann, der selbst in seinen bizarren Videobotschaften selten offen in die Kamera blickte, sondern den flackernden Blick herumirren ließ. Er fand Halt in einem religiös befeuerten, alles verzehrenden Haß, der auch Glaubensbrüder nicht ausnahm.
"Der Mann war ein Tier, er hat das bekommen, was er verdient hat", kommentierte Paul Bigley den Tod des Terroristen. Bigleys Bruder Ken, ein britischer Ingenieur, war 2004 von Sarkawis Gruppe entführt und enthauptet worden. Greueltaten wie diese machten klar, daß hier eine neue Generation von Terroristen herangewachsen war, noch bösartiger als die alte Al-Qaida-Garde unter Osama Bin Laden.
Wer war dieser Abu Mussab al-Sarkawi? Geboren wurde er am 20. Oktober 1966 als Ahmed Fadhil Nassal al-Chalajleh in dem staubigen jordanischen Nest Sarka, von dem er später seinen Kriegsnamen ableiten sollte. Seine Familie transjordanischer Herkunft gehörte zum Stamm der Bani Hassan. Der junge Ahmed erwies sich als wenig vielversprechend; er brach die Schule ab und schlug sich als Kartenabreißer in dem schäbigen Kino "Hamra" durch. Sarkawi lungerte auf der Straße herum, trank viel und galt als Hitzkopf, der nie ohne Messer das Haus verließ. Schließlich knöpfte ihn sich seine Schwester vor, die in Amman Theologie studierte und pflanzte ihm die Ideologie des militanten Islamismus ein. Sie erzählte ihm, sie habe geträumt, er sei zum Dschihad bestimmt, dem Heiligen Krieg.
Zum ersten Mal fand der unstete junge Mann einen inneren Halt; er hatte plötzlich eine Aufgabe und schloß sich, glühend vor religiöser Inbrunst, Ende der 80er Jahre 15 000 weiteren Jordaniern an, die nach Afghanistan zogen, um gegen die sowjetischen Besatzer zu kämpfen.
Nach seiner Rückkehr 1991 war er gefährlich radikalisiert; die jordanischen Behörden warfen ihn ins Gefängnis, als er sich anschickte, die pro-westliche Monarchie gewaltsam zu stürzen. Erst 1999 wurde er entlassen - und reiste umgehend nach Afghanistan zurück. Dort nahm Sarkawi, inzwischen Experte für Sprengstoff sowie chemische und biologische Waffen, auch ersten Kontakt zu Osama Bin Laden auf, jenem superreichen Saudi-Araber, der ebenfalls in Afghanistan den Widerstand organisierte. Sarkawi gründete dort die militante Gruppe al-Tauhid wal Dschihad, die auch in Deutschland Attentate geplant haben soll.
Nach der US-Invasion floh Sarkawi in den Irak. Die kurdischen Islamisten von Ansar al-Islam im Norden Iraks sollen ihm Zuflucht gewährt haben. Der Jordanier organisierte Anschläge in seinem Heimatland und wurde dort in Abwesenheit zum Tode verurteilt - insgesamt viermal. Sarkawi war wohl auch Drahtzieher eines - knapp vereitelten - Anschlags mit 20 Tonnen Chemikalien und Sprengstoff auf das Regierungszentrum im Herzen Ammans, dem bis zu 80 000 Menschen zum Opfer gefallen wären. Im Oktober 2002 soll er den US-Diplomaten Lawrence Foley ermordet haben.
Ein Bombenanschlag auf das Hauptquartier der Uno in Bagdad am 19. August 2003, bei dem der international hochgeachtete Sondergesandte Sergio Viera de Mello ums Leben kam, wirkt dann wie das endgültige Fanal zum Massenmord. Von da an scheint Abu Mussab al-Sarkawi wie entfesselt, er schwingt sich in Abstimmung mit Bin Laden zum Statthalter al-Qaidas im Irak auf und zieht eine beispiellose Schneise der Gewalt durch das Zweistromland. Doch im Gegensatz zu Bin Laden, der die islamische Weltgemeinschaft, die Umma, im Heiligen Krieg gegen den Westen einigen will, strebt Sarkawi den Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten im Irak an.
Tausende Schiiten und viele Ausländer sterben bei der Welle von Bombenanschlägen und Greueltaten. Mindestens 143 Tote bei Attentaten auf Schiiten-Heiligtümer in Bagdad und Kerbela am 2. März 2004. 47 Tote am 14. September, 42 am 30. September, 60 am 19. Dezember, 125 am 28 Februar 2005 und so weiter.
Doch der "Fürst der Finsternis", der sich selten ohne Schutzweste und Pistole Marke "Glock" zeigt und sich mit einer Garde skrupelloser Kämpfer aus 16 Nationen umgibt, isoliert sich rasch selbst unter den radikalen Sunniten im Irak. Viele billigen seine bestialischen Geiselmorde vor laufender Kamera nicht. So brüstet sich Sarkawi damit, die beiden Amerikaner Nicholas Berg und Eugene Armstrong im Mai bzw. Oktober 2004 mit einem Messer eigenhändig enthauptet zu haben. 25 Millionen Dollar Kopfgeld setzen die USA auf seine Ergreifung aus - damit ist er neben Osama Bin Laden meistgesuchter Terrorist der Welt.
Doch Sarkawi scheint nicht zu fassen zu sein, verkleidet und versteckt sich, bleibt schattenhaft trotz seiner eitlen Videobotschaften, ein "schwarzes Pferd" in der Sprache der Fahnder. Aber der Mörder im Blutrausch verliert immer mehr Rückhalt. Sunnitische Geistliche rufen entsetzt dazu auf, ihn aus dem Irak zu vertreiben. Selbst Osamas Stellvertreter Einan al-Sawahiri übt unverhohlen Kritik an den Massakern unter Schiiten. Offenbar hat am Ende auch Verrat eine Rolle bei der Ausschaltung Sarkawis gespielt.
Zu den wenigen Menschen, denen Abu Mussab al-Sarkawi vertraute, gehörte seine inzwischen verstorbene Mutter, die mit ihm Koran-Studien betrieb. Sie hatte sich gewünscht, ihr Sohn solle nicht in Haft, sondern eines gewaltsamen Todes sterben.