Das ist mir schon klar. Wie geschrieben: ich bin da grundsätzlich derselben Meinung, aber nicht uneingeschränkt, bzw. ich bin nicht der Meinung, dass wir unsere Sichtweise aufzwingen und uns 100% im Recht fühlen können. Und ich weigere mich, das allein als Problem der islamischen Gesellschaft zu sehen. So wird es aber immer wieder dargestellt. Ich kann mit einem Beispiel aus meinem eigenen Familienleben aufwarten. Meine Tochter ist ziemlich sauer auf mich bzw. uns. Im Kindergarten haben die Kinder aktuell ein brandheisses Thema. Alle reden darüber, nur unsere Tochter nicht, weil sie das nicht kennt und nicht mitreden kann. Meine Frau und ich erachten das, worum es geht, in ihrem Alter als unnötig bzw. sogar als für die Erziehung kontraproduktiv und verweigern ihr jeglichen Kontakt zu diesem Thema. Dass unsere Tochter momentan völlig ausgegrenzt wird, nehmen wir in Kauf, weil wir zu unserer Überzeugung stehen. Andere Eltern können das nicht nachvollziehen. Unsere Tochter geht erst seit August in den Kindergarten. D.h., sie steht erst am Beginn der Einbindung in diese Welt. Mit unserem Entscheid haben wir sie im Prinzip an den Anfang zurückkatapultiert. Und solche Situationen wird es immer wieder geben.
Müsste ich davon ausgehen, dass ein Mädchen, welches nicht auf Klassenfahrten darf, auf sozialer Ebene vollständig und mit schwerwiegenden oder vielleicht irreparablen Folgen ausgegrenzt wird, wäre ich der erste, der auf die verbalen Barrikaden geht. Deshalb bin ich auch totaler Gegner der Kindsbeschneidung, weil das nachweislich irreparabel ist, ganz ungeachtet des späteren und zu diesem Zeitpunkt unbekannten Standpunkts des Beschnittenen selbst. Ich betrachte solche Dinge wie verweigerte Klassenfahrten aber eher als einen schwierigen Bestandteil des Entwicklungsprozesses, welchem sich gerade Migratenkinder aus völlig fremden Kulturen unterziehen müssen, als einen schwerwiegenden Eingriff in die Sozialisierung eines Kindes. Entsprechend erachte ich es nicht als so wahnsinnig gravierend, so unerfreulich und schwierig es gerade für die betroffene Person selbst auch ist. Damit meine ich: so lange nicht nachweislich schwerwiegende Folgen zu erwarten sind, geht es uns nichts an, selbst wenn wir kein Verständnis dafür aufbringen können.