Die Firma Flender, ein Ableger von Siemens, produziert mit neuester Technik Generatoren für Windkrafträder in der Freihandelszone Subotica in Serbien (Foto vom September 2005). In dem von langer Misswirtschaft und Kriegswirren gebeutelten Serbien kommt die Privatisierung nun langsam voran. In der nördlichen Region Vojvodina hat sich der von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützte «Vojvodina Investment Promotion Fund» (VIP) gegründet. Er versteht sich als Türöffner für ausländische Direktinvestitionen. Einige deutsche und österreichische Unternehmen nutzen schon die Freihandelszonen, wo ohne Steuern und Abgaben produziert werden
Von Eberhard Pietsch, dpa
(Novi Sad/dpa) - Die Hoffnung stirbt zuletzt - auch in dem von
langer Misswirtschaft und Kriegswirren gebeutelten Serbien. Die
Privatisierung kommt voran. Doch ausländische Investoren reichen sich
nicht die Klinke in die Hand, sondern eine kleine Zahl wird erfreut
mit Handschlag begrüßt.
Der deutsche Botschafter in Belgrad, Andreas Zobel, sagte kürzlich
vor Journalisten in Novi Sad: «Um das Interesse von Investoren zu
steigern, sind politische Stabilität, der Abbau bürokratischer
Hemmnisse sowie eine funktionierende und nicht korrupte Justiz
notwendig.»
Damit Serbien nicht allein Export-Weltmeister von Himbeeren
bleibt, hat sich in der nördlichen Region Vojvodina die von der
Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)
unterstützte «Vojvodina Investment Promotion Fund» (VIP) gegründet.
Sie versteht sich als Türöffner für ausländische Direktinvestitionen.
Die Mitarbeiter um VIP-Vorstand Zarko Maletin (27) sind engagierte
Akademiker im Alter von 26 bis 30 Jahren. Sie wollen interessierten
Investoren mit vielfältiger Hilfestellung die Entscheidung
erleichtern.
Großinvestor, Unternehmenspatriarch und Gründer eines
Kinderhilfswerkes Rudolf Walther ist schon da. Der als «Möbel-
Walther» aus dem hessischen Lieblos bei Hanau bekannt gewordene 82-
Jährige hat sich in Subotica niedergelassen. Die Gruppe um Walther
investiert nach eigenen Angaben Millionen-Summen, kauft Land, baut
und vermietet.
Die Arbeitslosigkeit in Serbien wird nach Schätzungen in diesem
Jahr weit über 30 Prozent betragen und die Inflationsrate infolge
eines guten Wachstums von niedrigem Niveau aus bei 13 Prozent liegen.
Im Sinne von Walther verspricht der Bürgermeister von Zrenjanin,
Goran Knezevic: «Wenn Investoren bei uns Anträge stellen, erhalten
sie innerhalb von 24 Stunden eine Antwort.» Istvan Pasztor,
zuständiger Minister in der autonomen Provinz Vojvodina, räumt ein:
«Ausländische Unternehmen kommen weniger als erhofft und gewollt.»
Miodrag Mijic hat ein konkretes Problem. Er ist Direktor der
Schweizer Tochter von Ultrasonics, dem Ultraschall-Schweißanlagen-
Hersteller Telsonic in Novi Sad. Mijic beklagt: «Einen Tag benötigen
die Lkw zur Lieferung von Rohmaterial aus der Schweiz oder
Deutschland. Drei oder vier Tage stehen sie beim Zoll verplombt
herum.» Der 56-Jährige, der mehrere Jahrzehnte in Deutschland gelebt
hat, fügt hinzu: «Wir brauchen die Umsetzung neuer Ideen, sonst geht
das Land wirklich zu Grunde.»
Gemeint ist damit auch die Frage, ob die gut ausgebildeten jungen
Leute in ihrer Heimat bleiben oder wie in den Jahren davor frustriert
das Land verlassen.
Andre Sislis, Telekommunikations-Student in der Provinz-
Hauptstadt, sagt: «Ich studiere sehr gern in Novi Sad und werde
bleiben, wenn ich einen Job finde. Die ausländische Konkurrenz auf
dem IT-Markt ist groß, doch die Studenten hier brauchen sich mit
ihrer ausgezeichneten Ausbildung nicht zu verstecken.» Mit Politik
will der 23-Jährige nichts mehr zu tun haben. «Ich hoffe, dass die
Korruption irgendwann ein Ende hat.» Ein Ziel will er aber nicht ganz
aus dem Auge lassen: «Wenn hier alles schief läuft, gehe ich
irgendwann nach Deutschland oder Kanada.»
Vojin Senk (57), Informatik-Professor an der Universität,
unterstreicht: «Wir brauchen High-Tech-Firmen. Die alte Wirtschaft
ist tot oder liegt im Sterben.» Liljana Ilic ist Geschäftsführerin
der Tochter des Münchner IT-Unternehmens Zesium mobile GmbH. Die 29-
Jährige sieht eines der Hauptprobleme für die Wirtschaft im
schlechten Image Serbiens im Ausland. «In den vergangenen Jahren hat
es Fortschritte gegeben. Aber vorrangiges Ziel muss es sein, so
schnell wie möglich Verhandlungen über einen EU-Beitritt zu
erreichen.»
Einige deutsche und österreichische Unternehmen setzen auf
Freihandelszonen, wo ohne Steuern und Abgaben produziert werden kann. Die Siemens-Ableger Flender (Tübingen) und Loher (Ruhstorf bei
Passau) stellen in Subotica Generatoren für Windkrafträder her.
Direktor Istvan Sekula erläutert: «Ein normaler Arbeiter verdient bei
uns 200 Euro netto im Monat, dazu zahlen wir Sozialabgaben und
Fahrtkosten.»
Stichwort: Serbien und Vojvodina
(Novi Sad/dpa) - Serbien ist mit rund 9,6 Millionen Einwohnern das
größte Land unter den ehemaligen Republiken von Ex-Jugoslawien. Die
ungelösten Probleme, die auch statistische Angaben schwer lesbar
machen, sind der Status des vor allem von Albanern bewohnten Kosovo
und die labile Verbindung zwischen Serbien und Montenegro.
Deutschland ist traditionell größter Handelspartner in dieser
Region. Das Ungleichgewicht ist jedoch erheblich. Für das vergangene
Jahr (2004) schlagen Importe aus Deutschland mit etwa einer Milliarde
Euro zu Buche. Die Exporte aus Serbien erreichen gerade mal 310
Millionen Euro.
Die seit Titos Zeiten autonome Provinz Vojvodina in Serbien, einst
auch Siedlungsgebiet der Donau-Schwaben, grenzt im Norden an Ungarn
und Rumänien. Das Gebiet ist seither von Landwirtschaft geprägt und
war die Kornkammer Jugoslawiens. Auf einer Fläche von 21 500
Quadratkilometern leben 2,03 Millionen Menschen. Die größte
Bevölkerungsgruppe stellen Serben (65 Prozent), Ungarn (14), Slowaken
und Kroaten (etwa je drei Prozent). Immerhin gaben 2002 fast 2,5
Prozent ihre Nationalität mit jugoslawisch an; es folgen
Montenegriner, Rumänen und andere wie Sinti und Roma.