Entwicklung des Kroatischen zur Zeit des jugoslawischen Staates
Das
Königreich Jugoslawien (1918–1941) bezeichnete seine Amtssprache in beiden Verfassungen (von 1921 und 1931) als
srpskohrvatskoslovenački jezik ‘serbokroatoslowenische Sprache’.
Gesetze,
Vorschriften und staatliche Verordnungen wurden überwiegend in der serbischen Variante des
Serbokroatischen veröffentlicht.
In allen öffentlichen und staatlichen Bereichen (
Verwaltung,
Schulwesen,
Militär) wurde die kroatische sprachliche Tradition nach Ansicht mancher kroatischer Linguisten unterbrochen.
Zu Beginn des zweiten, sozialistischen Jugoslawien wurde eine
Gleichberechtigung aller südslawischen Sprachen eingeführt. Die Gleichberechtigung der kroatischen, slowenischen, makedonischen und serbischen Sprache wurde gesetzlich verankert.
Im öffentlichen Leben z. B. bei der Eisenbahn, Post, staatl. Verwaltung, Tanjug (ehemalige jugoslawische Presseagentur) sowie Teilen der Pressepovijest (serb. istorija, deutsch „Geschichte“), zemljopisgeografija, deutsch „Geographie“), tisuća (serb. hiljada, deutsch „Tausend“), siječanj (serb. januar) usw. verschwanden nach und nach aus der Verwaltung.
Im (nicht bindenden)
Abkommen von Novi Sad aus dem Jahre 1954 wurde beschlossen, dass die kroatische, serbische, montenegrinische und bosnische Sprache als eine plurizentrische Sprache zu betrachten seien. Dabei wurden zwei Aussprachemöglichkeiten anerkannt, die
ijekavische und die
ekavische Aussprache, außerdem wurde der Gebrauch unterschiedlicher Schriften gestattet, der lateinischen, wie auch der kyrillischen Schrift. Wegen der größeren linguistischen Unterschiede schloss diese Standardisierung die ebenfalls in Jugoslawien verbreitete
slowenische und
mazedonische Sprache nicht ein.
Dieses Abkommen war das Ergebnis eines Treffens, das die Redaktion des Jahrbuchs der
Matica srpska zum Abschluss der Erhebung über die serbokroatische Sprache und Rechtschreibung einberufen hatte, und wurde gemeinsam von
Matica srpska und
Matica hrvatska veröffentlicht.
Im Frühjahr 1967 verstärkte sich der Widerstand einiger Intellektueller, Schriftsteller (u. a.
Miroslav Krleža,
Radoslav Katičić) und kultureller Organisationen gegen die, wie sie es empfanden, Degradierung der kroatischen Sprache innerhalb Kroatiens. Diese Bewegung wurde von der Kommunistischen Partei Jugoslawiens als „nationalistisch“ bezeichnet.
In Kroatien wird nicht nur auf dem Gebiet des Wortschatzes die Distanz zum Serbischen betont, sondern auch auf kulturelle und historische Unterschiede zwischen den einzelnen Sprachen hingewiesen. So wurde u. a. eine größere Zahl von Wörtern (Archaismen) aus der Zeit vor 1918 wieder in den offiziellen und normativen Sprachgebrauch eingeführt. Kroatische Sprachwissenschaftler weisen hierbei darauf hin, dass die natürliche Entwicklung der kroatischen Sprache zu Zeiten des Kommunismus oft unter dubiosen Sprachabkommen zu leiden gehabt habe und dass dadurch die Reichhaltigkeit des ursprünglichen Wortschatzes in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Es gibt ebenfalls Bestrebungen, die Grammatik zu vereinfachen und Zweideutigkeiten aus dem Weg zu räumen.