Kosmogonie und Kosmologie
Der
Schöpfungsmythos der Slawen ist ausgeprägt
dualistisch. Eine
gute und eine
böse Macht heben die
Erde aus dem
Meer empor und lassen sie wachsen, wobei die gute Macht für die fruchtbaren Landstriche, die böse für Ödland und Sümpfe verantwortlich ist. Die beiden Mächte treten als
Gott und
Teufel auf, aber auch das Bild zweier
Vögel ist überliefert, die Sand vom Meeresgrund picken und herauftragen. Auch an der Erschaffung des
Menschen sind das Gute und das Böse gleichermaßen beteiligt: Göttlichen Ursprungs ist die
Seele, der Teufel schafft den
Körper und damit die Grundlage für alle Schwächen und Krankheiten bis hin zum Tod.
Die Vorstellung der
Welt ist personifiziert. Der
Himmel, die
Erde und die
Himmelskörper werden als übernatürliche Wesen vorgestellt. Der Erde ist die Göttin
Mokosch, dem Himmel der Gott
Svarog zugeordnet. Unter den Himmelskörpern genoss neben
Sonne und
Mond besonders die
Venus kultische Verehrung.
Hauptgötter
Dass die lokalen Götterkulte einen gemeinsamen Ursprung haben, belegt unter anderem das Wort
bog für Gott, das sich in allen slawischen Sprachen findet. Aus dem ursprünglichen slawischen
Pantheon sind vier Hauptgötter bekannt:
- Svarog, Schöpfer allen Lebens, Gott des Lichtes und des himmlischen Feuers, Himmelsschmied
- Svarožić, auch Dažbog, der Sohn von Svarog, Sonnengott, Vermittler des göttlichen Lebens auf der Erde, Spender des Guten
- Perun, Gott des Gewitters, des Donners und der Blitze, Kriegsgott und oberster Gott der Slawen, sowie
- Veles, ursprünglich Beschützer der Toten, Gott des Viehs, der Fruchtbarkeit, des Reichtums, später auch Gott des Rechts
Svarog erscheint als Gott-Vater, der nach der Erschaffung der Welt untätig bleibt und die Macht an die jüngere Göttergeneration abgibt. Der oberste aktive Gott und Weltenherrscher ist Perun, der von Prokopius sogar als einziger Gott der Slawen angeführt wird. Neben ihm stehen der Sonnengott Svarožić und der Fruchtbarkeitsgott Veles. Diese Aufteilung entspricht der funktionalen Dreiteilung indogermanischer Gottheiten nach der Theorie von
Georges Dumézil.
Götter der Ostslawen
Neben den Hauptgöttern wurden in allen slawischen Gebieten regionale und lokale Gottheiten verehrt. Für die
Kiewer Rus berichtet die Nestorchronik, Fürst
Vladimir I. habe 980 sechs Idole aufgestellt. Neben Perun und Dažbog handelt es sich um:
- Stribog, mutmaßlich ein Windgott
- Chors, wahrscheinlich eine Mondgottheit
- Simargl, ein Gott in Tiergestalt, dessen Zuständigkeit unklar bleibt, und
- Mokosch als einzige Göttin im Kiewer Pantheon, die „feuchte Mutter Erde“, Göttin der Fruchtbarkeit und der Weiblichkeit, Beschützerin der Schafe und des Spinnens und Webens
Ob der mehrfach in russischen Quellen erwähnte
Trojan als ein Gott, ein mythischer Held oder ein Dämon anzusehen ist, bleibt unklar. Oft wird er mit dem
römischen Kaiser Trajan in Verbindung gebracht, der auch bei den
Sarmaten und
Alanen vergöttlicht wurde. In serbischen Sagen erscheint
Zar Trojan als dreiköpfiger Dämon, der Mensch, Vieh, und Fische verschlingt.
Götter der Elb- und Ostseeslawen
Im Gegensatz zu den anderen slawischen Stämmen haben die
Elb- und Ostseeslawen unter dem Druck christlicher Missionare einen organisierten Tempelkult mit einer eigenen Priesterkaste entwickelt. Die ursprünglichen Naturgottheiten wurden bei ihnen zu Stammesgöttern, oft bekamen sie auch neue Funktionen zugewiesen. In ihren Tempeln fanden Orakelriten statt, die über den Ausgang von Kriegen oder zukünftige Ernten Auskunft gaben. Die Hauptgötter der drei mächtigsten Stämme waren:
Aus einigen Regionen sind außerdem Nebengötter bekannt. Die Ranen verehrten
Rugievit,
Porevit und
Porenutius, in
Wolgast und
Havelberg ist der Kult des
Jarovit belegt, die
Wagrier ehrten
Prove und
Podaga, die
Polaben Siwa. Auf dem Gebiet der
Lausitzer Sorben liegen zwei Hügel, deren Namen den von Helmold beschriebenen Gottheiten
Bieleboh und
Czorneboh entsprechen. Diese geographischen Bezeichnungen stammen jedoch aus späterer Zeit.