Türkei - Nationalistisch-kurdische Partei auch in Samsun unerwünscht
Trotz Großaufgebot der Polizei hat auch am dritten Tag die nationalistisch-kurdische Partei BDP in Samsun nur an der geplanten Versammlung in einem Vereinsheim teilnehmen können. Vor dem Gebäude kam es zu Ausschreitungen mit der Polizei
Nach den gestrigen Ausschreitungen in der Hafenstadt Sinop am Schwarzen Meer hatte die nationalistisch-kurdische Partei erst durch eine Polizeieskorte am späten Abend ihre 5-tägige Reise fortsetzen können. Die geplante Rundreise durch das Schwarzmeergebiet begann in der 40.000 Einwohnerstadt Sinop mit heftigem Widerstand der Bevölkerung, da die Delegation für die Friedensverhandlungen mit der PKK werben will.
Annähernd 400 Demonstranten hatten die BDP-Delegation vor dem Lehrerwohnheim in Sinop erwartet und ausgebuht. Kurz nach dem die BDP-Abgeordneten Sırrı Süreyya Önder, Levent Tüzel, Sebahat Tuncel und Ertuğrul Kürkçü sowie Lokalpolitiker der BDP im Wohnheim ihre Gespräche aufgenommen hatten, kam es vor dem Gebäude zu Ausschreitungen zwischen der Polizei und den Demonstranten. Zahlreiche Demonstranten hatten versucht, in das Gebäude einzudringen. Bis zum Abend blieb die Delegation in den Räumlichkeiten, da die Zahl der Demonstranten stetig anstieg. Erst am Abend setzte die Delegation ihre Reise in Begleitung starker Polizeikräfte und gepanzerten Polizeiwagen nach Samsun fort.
Bereits am Abend war zu erkennen, das in der knapp 600.000 Einwohnerstadt Samsun die Lage für die Polizei heute durchaus schwieriger wird. In sozialen Netzwerken Twitter und Facebook hatten Gegner der Reise zu Demonstrationen für die geplante Ankuft der BDP-Delegation in Samsun, Ordu, Trabzon und Giresun geworben. Die Polizei kontrollierte deshalb die Haupt- und Zufahrtstraßen in Samsun, durch die die Delegation durchfahren sollte.
Die Abgeordneten fuhren nicht wie geplant, erst zu einer Besichtigung eines Gaskraftwerks um dann mit dem Oberbürgermeister zusammen zu kommen, sondern direkt zu einem Vereinssitz in der Innenstadt. Vor dem Gebäude warteten bereits über 2.000 Demonstranten, zumeißt junge Menschen, die in Parolen die BDP-Delegation aufriefen, die Stadt zu verlassen. Durch Pfiffe begleitet betraten die BDP-Abgeordneten und Vereinsmitglieder sowie ein Dutzend Interessenten das Vereinsgebäude, die durch starke Polizeikräfte abgeriegelt war. Dennoch versuchten mehrere Dutzend Personen, in das Gebäude zu gelangen, wurden aber von der Polizei daran gehindert. In ein Nebengebäude konnten Demonstranten dennoch eintreten und türkische Fahnen aus dem Fenster heraushängen, die von der kommunistischen Partei (TKP) als Vereinssitz angemietet ist. Nur mit massiven Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken, konnten die Personen aus dem Haus geführt werden.
Nach mehreren Stunden Aufenthalt im Gebäude, wurde die Delegation in ein ausserhalb der Stadt gelegenes Hotel mit Polizeieskorte gebracht, wo die Abgeordneten Medieninformationen zufolge übernachten sollen. Laut Twitter gibt es aber auch hier schon Ausschreitungen mit der Polizei. Die Gegend um das Hotel soll komplett abgesperrt worden sein, heißt es weiter. Angeblich soll die Reise nach Trabzon nun abgesagt worden sein, weil auch hier massive Sicherheitsbedenken seitens der Polizei geäussert wurden. Ob die Delegation wie geplant Ordu und Giresun besuchen wird, ist bislang nicht bekannt. Beide Hafenstädte liegen nur unweit von Trabzon.
Gegenüber der Presse erklärte Sırrı Süreyya Önder, Abgeordneter der BDP und Teilnehmer der Delegationsreise durch das Schwarzmeergebiet, man müsse auch die BDP sowie ihr Vorhaben verstehen. Man wolle der Region die friedlichen Absichten nahebringen, erklärte Önder und fügte hinzu, dass er selbst davon ausgehe, dass die meißten Demonstranten von der CHP stammen würden. Er habe kein Mitglied der MHP oder Anzeichen dafür gesehen. Die MHP-Führung hatte zuvor strikte Anweisungen herausgegeben, sich nicht in den Gegendemonstrationen zu beteiligen. Parteivorsitzende Bahceli hatte aber erklärt, diese Reise sei die reinste Provokation, man werde sich aber dafür nicht instrumentallisieren lassen. Die BDP müsse aber daraus selbst ihre Rückschlüsse ziehen und die Reise jetzt und an Ort und Stelle beenden sowie Ministerpräsident Erdogan sich selbst fragen, wie lange er diese Politik mit der Terrororganisation PKK fortsetzen werde. Erdogan habe durch die Reaktionen ein deutliches Signal erhalten, sagte Bahceli. Die BDP müsse Gott danken, dass da nicht mehr passiert sei, denn die Menschen am Schwarzen Meer seien toleranter als sie selbst, sagte Bahceli weiter.
Unterdessen sprach auch CHP-Vorsitzender Kemal Kilicdaroglu von einer Aussage des türkischen Ministerpräsidenten mit großer Tragweite. Erdogan hatte am Vortag in einer Rede erklärt, er werde jeglichen Nationalismus, sei es türkisch oder kurdisch, mit Füßen zertreten und so das Land befrieden. Kilicdaroglu entgegnete heute, Erdogan solle diese Aussage doch in seiner Geburtsstadt Rize tun, wenn er sich denn traue. Rize liegt ebenfalls am Schwarzen Meer.
http://www.turkishpress.de/de/news/...urdische-partei-auch-samsun-unerwuenscht/4197