EU-Kommission rügt Türkei
Die Türkei weist in wichtigen Bereichen bedenkliche Reformdefizite auf und muss in den kommenden Jahren innen- und außenpolitisch sehr viel mehr tun, wenn sie ihre Chancen auf einen EU-Beitritt wahren will. Dies ist der Kern von zwei neuen EU-Dokumenten zur Türkei, deren Inhalt bereits vor der offiziellen Vorstellung am Mittwoch an türkische Medien durchsickerte. Die Kommission nimmt auch Stellung zum Beitrittsantrag Mazedoniens und Kroatiens. Berichten wird die Behörde auch zur Entwicklung in Bosnien-Herzegowina, Serbien-Montenegro und Albanien.
Religionsfreiheit
Für die christlichen Minderheiten in der Türkei ist der Fortschrittsbericht der EU-Kommission von eminenter Bedeutung. Die EU-Kommission hatte die Türkei wiederholt aufgefordert, die Lage der nichtmuslimischen Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Die EU-Kommission hatte schon zuvor festgestellt, dass hinsichtlich der Religionsfreiheit keine wesentlichen Verbesserungen eingetreten sind.
Türkei muss "reformmündig" werden
Kurz nach Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen im Oktober erhält die Türkei von Brüssel damit ein sehr durchwachsenes Zeugnis. Zumindest in einigen Fällen dürfte es Ankara schwer fallen, die EU-Reformforderungen wie verlangt bis Ende 2007 zu erfüllen, besonders wenn die von der Europäischen Union beklagte "Reformmüdigkeit" weiter anhält.
Der EU-Fortschrittsbericht ist eine jährliche Bestandsaufnahme der Lage im Bewerberland Türkei, während die Beitrittspartnerschaft als Fahrplan für die weitere Annäherung an die EU konkrete Aufgaben für die nächsten Jahre formuliert.
Folter
Auch bei der Umsetzung anderer beschlossenen Reformen beklagt die EU erhebliche Missstände. Brüssel verlangt, die Türkei solle innerhalb von zwei Jahren die rechtlichen Probleme der christlichen Minderheiten in der Türkei beseitigen und die nach wie vor verbreitete Folter abstellen; auch beim Recht der Kurden auf Sprachunterricht sowie Rundfunk- und Fernsehsendungen in ihrer Sprache müsse es Fortschritte geben.
Urteil über Kopftuch
Über kaum ein anderes Problem wird in der Türkei heftiger diskutiert als über die Frage, ob türkische Frauen das Recht haben sollen, in Universitäten, im Parlament und in anderen staatlichen Einrichtungen ein Kopftuch zu tragen. Vor dem Wahlsieg seiner Partei AKP vor drei Jahren hatte der Ministerpräsidente Recep Tayyip Erdogan seinen religiösen Wählern versprochen, das Kopftuchproblem zu lösen. Bisher hat er dies jedoch nicht geschafft. Auch das am Donnerstag erwartete Kopftuch-Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg dürfte eher zu einer Verschärfung der Debatte als zur Beruhigung der Gemüter in der Türkei beitragen.
EU-Gipfel im Dezember
Die EU-Kommission empfiehlt nach Angaben von Diplomaten, der Früheren Jugoslawischen Republik Mazedonien den Status eines Beitrittskandidaten zu verleihen. Dies geht den Angaben zufolge aus dem Bericht hervor, den die Brüsseler Behörde am Mittwoch verabschieden wollte. Mazedonien hatte sich am 22. März 2004 formal um einen EU-Beitritt beworben.
Erwartet wird, dass die Staats- und Regierungschefs die Empfehlung beim nächsten Gipfel am 15. und 16. Dezember in Brüssel bestätigen werden. Dies ist aber noch keine Garantie dafür, dass die Verhandlungen auch tatsächlich beginnen. Dafür sind eine neue Empfehlung der EU-Kommission und ein weiterer Beschluss der Mitgliedstaaten erforderlich. Im April 2004 trat ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen der EU mit dem Land in Kraft, das als erster Schritt für einen Beitritt gilt.
http://www.kurier.at/ausland/1171899.php
Viel arbeit