Türkische Geheimagenten als Attentäter
Granatenwerfer in kurdischem Dorf sollen des Militärgeheimdienstes JIT gewesen sein
Von Jürgen Gottschlich aus Istanbul
Es scheint, als kehrten im türkischen Kurdengebiet die Geister der Vergangenheit zurück. "Susurluk in Semdinli" titelten die Zeitungen am Freitag und nahmen damit Bezug auf einen der unrühmlichsten Episoden der jüngeren türkischen Geschichte. Susurluk ist die Chiffre für die Zusammenarbeit staatlicher Sicherheitsorgane mit illegalen Todesschwadronen, die Anfang der 90er Jahre, auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen mit der kurdischen PKK, gezielt tatsächliche oder vermeintliche Sympathisanten der Guerilla ermordeten. Genau dasselbe soll nun in Semdinli, einer Kleinstadt im äußersten Südostzipfel der Türke passiert sein.
Zeugen behaupten, sie hätten gesehen, wie ein Mann eine Handgranate in einen Buchladen geworfen hat, der einem Stadtbekannten ehemaligen PKK-Kader gehört. Der sei aus einem Auto gesprungen, hätte die Granate geworfen und sei dann schnell wieder zu dem Auto gelaufen.
Als der Bombenwerfer verschwinden wollte, wurde sein Fahrzeug von aufgebrachten Passanten umzingelt, und die insgesamt drei Insassen herausgezerrt. Die Menge fand im Kofferraum Maschinenpistolen und Identitätskarten, die die Mäner als Mitglieder des Militärgeheimdienstes JIT auswiesen. Fotos der Identitätskarten prangen heute in fast allen Zeitungen. Wäre nicht die Polizei dazwischen gegangen, die Menge hätte die drei vermutlich gelyncht.
Bei dem Bombenattentat starb ein Passant und sieben weitere wurden zum Teil schwer verletzt.
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