Präsidentschaftswahl in der Türkei
Gericht prüft mögliche Formfehler
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Massenproteste in Istanbul gegen Kandidatur Güls (Foto: dpa)
Im Streit um die Neuwahl des türkischen Staatspräsidenten will das Verfassungsgericht spätestens am Mittwochmorgen verkünden, ob die erste Abstimmung rechtmäßig war. Der Europarat und die Europäische Kommission forderten das türkische Militär auf, sich aus der Politik herauszuhalten. Die Bundesregierung pochte auf Entscheidungen "auf demokratischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen".
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Opposition veranlasst Eilverfahren
Anlass für das Eilverfahren ist ein Einspruch der Oppositionspartei CHP. Sie argumentiert, dass es beim ersten Wahlgang der Präsidentenwahl am Freitag einen schweren Formfehler gegeben habe, und verlangt die Annullierung.
Zu wenig Abgeordnete anwesend?
Außenminister Abdullah Gül hatte als Kandidat der islamisch geprägten Regierungspartei AKP 357 von 550 Stimmen erhalten. Die CHP begründet ihre Klage damit, dass bei der von ihr boykottierten Abstimmung mindestens 367 Abgeordnete im Plenum hätten sein müssen. Das sei am Freitag aber nicht der Fall gewesen. AKP-Politikern zufolge waren laut Sitzungsprotokoll dagegen 368 Abgeordnete anwesend.
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Neuwahlen im Juni möglich
Gibt das Gericht dem CHP-Antrag statt, werden in der Türkei möglicherweise bereits Mitte Juni vorgezogene Neuwahlen abgehalten. Turnusgemäß stehen erst im November Parlamentswahlen an. Fällt das Urteil der elf Richter gegen die CHP aus, wird Gül voraussichtlich im dritten Wahlgang am 9. Mai zum Präsidenten gewählt. In der dritten Runde genügt die absolute Mehrheit, während die Verfassung in den ersten zwei Wahlgängen eine Zweidrittelmehrheit vorschreibt.
Armee droht indirekt mit Staatsstreich
Die Gerichtsentscheidung wird auch deshalb mit Spannung erwartet, weil die strikt anti-islamische Armee gegen eine Wahl von Gül ist und indirekt mit einem Staatsstreich gedroht hat. Der Generalsekretär des Europarates, Terry Davis, erklärte, die Streitkräfte sollten nicht versuchen, sich in die Wahlen einzumischen. "Sie sollten in ihren Kasernen bleiben und sich aus der Politik halten."
Sorge über Entwicklungen
Deutschland als EU-Ratspräsidentschaft "verfolgt die Entwicklung mit großem Interesse und auch mit einiger Sorge", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Die Bundesregierung gehe davon aus, dass bei Entscheidungen in der Türkei die demokratischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen gälten und dass die Entscheidungen ohne äußeren Druck erfolgten.
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EU warnt vor Einmischung
Auch die EU-Kommission warnte vor einer Einmischung der Armee. Die laizistische Demokratie in der Türkei sei aus Sicht der EU von großer Bedeutung, und das Verfassungsgericht müsse in völliger Unabhängigkeit entscheiden, sagte ein Sprecher in Brüssel.
Massenproteste gegen Islamisierung
In Istanbul waren am Sonntag mehr als eine Million Menschen auf die Straße gegangen. Sie protestierten gegen die Präsidentschaftsambitionen Güls und die Politik der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Regierungsgegner befürchten, dass Gül als Staatschef islamistische Tendenzen im Land stärken werde.
Wächterin der weltlichen Verfassung
Die Armee sieht sich als Wächterin der weltlichen Verfassung des Landes. Sie übernahm bereits drei Mal - 1960, 1971 und 1980 - per Staatsstreich die Macht. 1997 erzwang sie den Rücktritt Necmettin Erbakans, des ersten islamistischen Ministerpräsidenten und Ziehvaters von Erdogan und Gül.