15.12.2008
TABUBRUCH
Özdemir unterschreibt türkische Entschuldigung an Armenier
Es ist ein großer Schritt: Rund 200 türkische Intellektuelle haben sich in einer Erklärung für das Massaker an Armeniern zu Zeiten des Ersten Weltkriegs entschuldigt - in der Türkei nach wie vor ein Tabu. Ein Unterzeichner ist der türkisch-stämmige Grünen-Chef Özdemir.
Hamburg/Ankara - Rund 200 türkische Intellektuelle haben sich in einer Erklärung für das Massaker an Armeniern zu Zeiten des Ersten Weltkriegs entschuldigt. Zu den Unterzeichnern aus Deutschland gehört auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir. Er stammt aus einer türkischen Familie.
Die Erklärung der Gruppe prominenter Akademiker, Journalisten, Schriftsteller und Künstler, die ein Tabuthema in der Türkei aufgreift, wurde am Montag im Internet veröffentlicht. Darin heißt es: "Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass die Große Katastrophe, denen die Armenier im Osmanischen Reich 1915 ausgesetzt waren, immer noch so unsensibel behandelt und geleugnet wird. Ich weise diese Ungerechtigkeit zurück und teile die Schmerzen meiner armenischen Brüder. Ich entschuldige mich bei ihnen." Dem Aufruf der Gruppe haben sich bereits rund 2500 Menschen in der Türkei und auch im Ausland mit ihrer Unterschrift angeschlossen.
Das in Köln ansässige Kulturforum TürkeiDeutschland begrüßte in einer Mitteilung die Initiative und rief alle türkischstämmigen in Deutschland auf, die Aktion zu unterstützen. Die Initiatoren des Aufrufs vermieden in ihrer Erklärung den Begriff Völkermord, sie sprachen stattdessen von einer "Großen Katastrophe". In den vergangenen Jahren sind in der Türkei immer wieder Intellektuelle inhaftiert worden, weil sie die Verfolgung der Armenier als Völkermord bezeichnet haben. Die Türkei hat die Verantwortung für die Tötung von schätzungsweise 1,5 Millionen Armeniern in der Endphase des Osmanischen Reiches stets zurückgewiesen und die genannten Zahlen als übertrieben bezeichnet.
flo/AP
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