Bald nachdem sich die osmanische Expansion nach Südosteuropa ausgedehnt hatte, begann Ende des 14. Jahrhunderts die Einwanderung von Türken auf dem
Balkan. Grob lassen sich diese Ansiedler in zwei Gruppen einteilen: 1. In allen größeren Städten siedelten sich osmanische
Beamte und
Soldaten an, die zur Beherrschung der eroberten Länder gebraucht wurden. Zu deren Betreuung kamen muslimische Geistliche in die Städte, die auch für die Verbreitung des
Islam unter der alteingesessenen Bevölkerung zu sorgen hatten. Alsbald folgten auch
Kaufleute, die sich im Balkanhandel engagierten und
Handwerker, die sich in den neuen Provinzen einen wirtschaftlichen Aufstieg erhofften. Die Chancen dafür standen gut, da sie als Muslime rechtlich und steuerlich bevorzugt wurden. 2. In den Kernländern Rumeliens,
Thrakien und
Makedonien, siedelten sich Türken auch auf dem Land in größerer Zahl an. Zum einen kamen
Nomaden aus Kleinasien, die von der Viehhaltung lebten, noch größer war die Zahl der türkischen
Bauern, die in den Ländern am Nordrand der
Ägäis ansässig wurden. Türkische Bauern siedelten sich auch in der
Dobrudscha an.
Im osmanischen Vielvölkerreich kannte man keine Trennung der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen nach ethnischen und sprachlichen Kriterien. Das wichtigste Unterscheidungskriterium war die Religion. Eine deutliche Trennung zwischen den Türken und den übrigen Muslimen gab es bis zum Erwachen des modernen
Nationalismus nicht. Viele Einwohner des Balkans bedienten sich ohnehin mehrerer Sprachen. Die gebildeten Muslime, gleich welcher Herkunft, beherrschten natürlich die Verwaltungssprache
Türkisch, die Kultsprache
Arabisch, die jeweilige Landessprache und oft auch
Persisch.
In den Gegenden, in denen große Teile der Bevölkerung zum Islam übertraten, vermischten sich die Türken schnell mit der alteingesessenen Bevölkerung. So gab es vor allem in
Bosnien und
Albanien schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine slawisch- bzw. albanischsprachige muslimische Bevölkerung, dagegen aber nur sehr wenige Türken. In Griechenland und
Serbien, wo die meisten Einwohner Christen blieben, blieben die Türken in den Städten weitgehend unter sich. Die türkischen Viertel existierten bis zum 19. Jahrhundert, als diese Länder die Unabhängigkeit erlangten. Ebenso verhielt es sich mit der türkischen bäuerlichen Bevölkerung in Thrakien und Teilen
Mazedoniens. Als diese Gebiete in die südosteuropäischen Nationalstaaten eingegliedert wurden, blieben die türkischen Bauern zum größten Teil dort wohnen. Unmittelbar vor dem
Ersten Weltkrieg hatten
Bulgarien, Griechenland und Serbien (in Vardar-Mazedonien und
Kosovo) große türkische Minderheiten innerhalb ihrer Grenzen.
Aus
Griechenland wurden die meisten Balkan-Türken zwischen 1913 und 1922 vertrieben. Im Zuge des
Vertrags von Lausanne wurde nur festgeschrieben, dass die im griechischen Westthrakien lebenden Türken im Land bleiben durften. Weder in Griechenland noch in Bulgarien oder im serbisch dominierten Jugoslawien wurden den Türken während der Zwischenkriegszeit Minderheitenrechte zugestanden. Sie waren überall Bürger zweiter Klasse, die als Fremdkörper in den neuen Nationalstaaten betrachtet wurden. Die christlichen Mehrheiten bezeichneten oft alle Muslime in ihren Ländern als
Türken, wobei diese Zuschreibung abwertend gemeint war, denn die Türken galten in der Epoche des Nationalismus als Erzfeind der christlichen Balkanvölker. Insgesamt kamen in allen Balkanstaaten zwischen 1914 und 1925 etwa 27 % der Muslime ums Leben, über 60 % emigrierten in die Türkei oder wurden dorthin ausgewiesen.[SUP]
[1][/SUP].
Auch nach dem
Zweiten Weltkrieg wurden die türkischen Minderheiten in Griechenland,
Jugoslawien und Bulgarien, mehr oder weniger stark unterdrückt. Aus diesem Grund und auch wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage ist die Abwanderung in die Türkei und später auch nach Westeuropa nie ganz zum Stillstand gekommen. Dem Islam weniger verbundene Balkan-Türken
assimilierten sich gleichzeitig an die Mehrheitsbevölkerung, so dass der türkische Bevölkerungsanteil in den Balkanstaaten überall zurückgeht.