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Was wäre, wenn sich Jugoslawien wieder vereinigen würde?

du darfst alles essen und trinken
musst aber net alles wissen

passt schon, ich muss über das ekelhafte schwein gar nichts wissen.

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[h=2]Warum Brüssel ein neues Jugoslawien schaffen will[/h] Veröffentlicht am 12.07.2017 | Lesedauer: 4 Minuten
Von Boris Kálnoky

Auf dem Balkan möchte ein halbes Dutzend Staaten in die EU. Weil sich die Union keine neuen Beitritte leisten kann, will sie Zeit gewinnen








Die Idee wurde auf dem Balkan geboren. Der heutige serbische Präsident Aleksandar Vucic hatte sie formuliert: Wäre es nicht praktisch, die Länder auf dem Balkan in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum zu verbinden? Das könnte doch der erste Schritt auf zum Beitritt zur EU sein. Die EU griff die Idee schnell dankbar auf.
Auf dem Balkan drängt ein halbes Dutzend Staaten in die EU – aber die Union ist in ihrer tiefen Krise mit anderen Dingen beschäftigt. So könnte die Zollunion auch ein gutes Instrument sein, um Zeit zu gewinnen. Die EU muss keine neuen Mitglieder aufnehmen, wahrt aber ihren Einfluss auf dem Balkan – wo rivalisierende Mächte um Einfluss ringen.
Kroatien und Slowenien sind inzwischen schon in der EU. Montenegro, Serbien und Albanien sind Beitrittskandidaten. Bosnien hat seinen Antrag gestellt auf eine Beitrittskandidatur. Mazedonien bemüht sich gerade, den ewigen Streit um die Bezeichnung des Landes mit Griechenland beizulegen – danach wird Athen ein mazedonisches EU-Beitrittsbegehren womöglich nicht mehr blockieren. Auch das Kosovo will in die EU.

Die Zeiten der großen Erweiterungen aber sind vorüber. Die EU ist auch deshalb in die Krise geraten, weil sie mit 28 Staaten nur noch schwer steuerbar ist. Nach dem Brexit scheint die Aufnahme zahlreicher neuer Staaten auf dem Balkan schwierig. Da könnte eine an Brüssel angebundene Balkan-Zollunion eine Notlösung sein. Hinter den Kulissen wird sie seit Jahren diskutiert, als Instrument, das ewige Pulverfass Balkan zu entschärfen, ohne die EU erweitern zu müssen.
Wirtschaftlich ist der Balkan für die Europäer belanglos. Ordnungspolitisch hingegen ist er, wie so oft zuvor in der europäischen Geschichte, von zentraler Bedeutung. Wo früher Bündnissysteme ein wenig Stabilität in das explosive Völkergemisch zwischen Belgrad und Skopje, Sarajewo und Tirana brachten, ist heute die Hoffnung auf einen EU-Beitritt der Garant für Frieden. Entsprechend wachsen die Spannungen auf dem Balkan. EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn betont immer wieder, der Beitritt bleibe das Ziel. Von ihm stammt die Formel, „positive Abhängigkeit“ voneinander könne dazu beitragen, die allgegenwärtigen ethnischen Spannungen in der Region zu entschärfen. Im Grunde wäre es eine Wiedergeburt des alten Jugoslawien, freilich nur als Zoll- und Transportunion. Minus Kroatien und Slowenien natürlich, die gehören bereits zur EU. Dafür mit Albanien. Serbien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Mazedonien – es wäre eine Union der ärmeren Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Man kann nachvollziehen, warum Belgrad Gefallen daran finden könnte. Serbien wäre in einem solchen Gebilde der Schwerpunkt, zu dem alles gravitieren würde.
So wie Belgrad Jugoslawien dominierte, würde es dieses Neu-Jugoslawien prägen. Mazedonien müsste nicht mehr ständig um seine Existenz bangen. Es wäre endlich Teil eines größeren Verbundes, statt allein, umgeben von feindseligen Nachbarn: Griechenland, Albanien, Bulgarien, Serbien, die alle der Meinung sind, Mazedonien sei kein richtiges Land, es gehöre teilweise eigentlich zu ihnen. Auch in Bosnien würde man als Teil einer solchen Union etwas weniger Angst haben, eines Tages auseinanderzubrechen.
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Umfragen belegen, dass der Zerfall Jugoslawiens die eine Sache ist, die in jeder der Nachfolgerepubliken – außer vielleicht Kosovo – bereut wird. Der Zerfall Jugoslawiens hinterließ bis heute ein Vakuum im europäischen Machtgefüge, das nie gefüllt wurde. So wie der Zerfall des Habsburgerreiches einst Europa zerbrechlicher machte und Hitler die Schwäche der entstandenen Zwergstaaten ausnutzte, so hat das Ende Jugoslawiens einen permanenten Konfliktherd im Herzen Europas geschaffen, der nie ganz gelöscht wurde. Wo Russland, die Türkei, die USA, Deutschland, kurzum die Großmächte ihr Spiel mit dem Feuer um geopolitische Dominanz spielen.
Das alte Jugoslawien zerfiel, weil es an inneren Spannungen krankte, vor allem an der Rivalität zwischen Serben und Kroaten. Eine neue Westbalkan-Union wäre auch bipolar: Acht Millionen Serben in Serbien und Bosnien sowie fünf Millionen Albaner in Albanien, Kosovo und Mazedonien würden sie dominieren und mit- und gegeneinander wetteifern.
Konkret geht es darum, dass mehr als 30 bilaterale Verträge die Handelsbeziehungen der diversen Westbalkan-Länder mit den Europäern und untereinander regeln. Sie durch einen einzigen Vertrag und eine einzige Vereinbarung zwischen einer Westbalkan-Zollunion und der EU zu verbinden, das wäre eine erhebliche Vereinfachung und könnte Wirtschaftswachstum fördern. Dass in der Folge einer solchen regionalen Wirtschaftsintegration auch deren EU-Beitritt vereinfacht und beschleunigt werden könnte, das klingt logisch. Gerade in Bezug auf das Kosovo, wo die Ängste vor einer solchen Balkan-Union am größten sind. Aber eine EU-Mitgliedschaft für das Kosovo krankt daran, dass es in den Augen Serbiens kein eigenständiger Staat ist, sondern zu Serbien gehört. Da sind ähnliche Probleme programmiert wie zwischen der EU und der Türkei in der Zypernfrage.



Insofern kann man Montenegros Ängste verstehen: Das Land ist am weitesten vorangeschritten in seinen Beitrittsverhandlungen, und wenn eine Balkan-Zollunion letztlich tatsächlich zu einem Ersatz würde für die volle EU-Mitgliedschaft, hätte das Land am meisten verloren. Für Kosovo aber, dessen Chancen am geringsten sind, könnte eine solche Union eine Chance sein, zumindest einen ersten Schritt zu tun in Richtung EU. Zu weiteren Schritten wird die Union vorerst nicht bereit sein.







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