Respekt !Ein insgesamt wirklich gut geschriebener Beitrag, auch wenn ich nicht in allen Punkten zustimme. Aber man sieht das du dich wirklich analytisch und ursachenorientiert mit der Thematik beschäftigt hast und (nicht nur in diesem Beitrag) um konstruktive Aufklärung bemüht bist.....leider wird das in solch einem Forum zu wenig honoriert. Die Idee von einem "neuen Jugoslawien" halte ich, wie die meisten hier, ebenfalls für obsolet....jedoch denke ich das Jugoslawien hätte überlebenden können, nur wäre es heute vermutlich nicht mehr sozialistisch. Das bleibt natürlich subjektive Spekulation.
Danke. Es wäre auch utopisch dass man alle Aspekte gleich bewertet und mit gleichem Perspektiv Winkel betrachten würde. In Bezug auf dass "Überleben" Jugoslawiens, ohne sozialistische Elemente, herrscht eine doch relativ verbreitete Meinung, dass gerade die übermässigen Sparmassnahmen und der Verzicht auf Wirtschaftshilfe zur "Zerstörung" Jugoslawiens beigetragen haben. Es gibt auch wiederum nicht wenige Wissenschaftler, die glauben, dass die übermässige Nachfrage nach Ersparnissen den fragilen jugoslawischen Regierungen auferlegt wurden, die nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die politische Situation verschärft hat.
Die wichtigste akademische Befürworterin dieser These ist keine geringere als die amerikanische Expertin für balkanische und postsowjetische Angelegenheiten Susan Woodward. Woodward verwies erstmals auf die fatale Rolle der Fiskalen Politik des MMF seit den frühen achtziger Jahren (konkrete Massnahmen wurden bereits unter der Reagan Administration eingeleitet), wer sich damit auseinandergesetzt hat, kennt ihre Studien die höchst aufschlussreich sind, jedoch darf man es auch mit einer gewissen Skepsis und Kritik betrachten. Ihrer Meinung nach zwang die damalige MMF-Politik die jugoslawischen Behörden den "Gürtel enger zu schnallen", was die parlamentarischen Streitigkeiten innerhalb der jugoslawischen Teilrepubliken zwischen dem Haushalt und den Ressourcen verschärfte und den allgemeinen Zustand der Bevölkerung zusätzlich erschwerte. Es ist auch weitgehend bekannt, dass die westlichen Mächte sich weigerten, auf den Aufruf von Ante Markovic mit relativ bescheidenen Mitteln zu reagieren und seine Reform-Massnahmen zu unterstützen, der zusätzlich sowohl von Milosevic als auch von Tudjman politisch attackiert und torpediert wurde.
Ich würde mich gerne nur kurz auf den wirtschaftlichen Aspekt der Politik der Grossmächte beschränken. Viele "Verschwörungstheoretiker" behaupten, dass vor allem die Deutschen ein wirtschaftliches Interesse daran hatten, Jugoslawien zu zerstören, um sich angeblich die Eroberung und Kontrolle kleiner, fragmentierter Märkte zu sichern. Vielleicht können wir die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs nutzen, um diese These zu überprüfen. Es darf nicht vergessen werden, dass deutsche Geschäftsleute mit der Auflösung Jugoslawiens 1941 unzufrieden waren. Denn die Deutschen nutzten die Ressourcen Jugoslawiens besser und effizienter, als Mitte-Ende der 30er noch relativer Frieden herrschte, und nicht als Jugoslawien von der Wehrmacht okkupiert wurde, beziehungsweise sich im Krieg befand. Und in den neunziger Jahren sind viele dieser Ressourcen bereits verschwunden: sei es Blei, Holz und sogar das Kupfer wurde ziemlich rar.
Man muss auch leider sagen, dass keine Wirtschaft des ehemaligen Jugoslawiens die einzelnen deutschen Städte übersteigt, nicht nur Berlin, sondern auch Hamburg oder München. Wenn Deutschland kein wirtschaftliches Interesse daran hatte, Jugoslawien zu zerschlagen, noch weniger hatten es die Amerikaner. Es besteht natürlich weiterhin die Möglichkeit, dass die Gründe, warum Jugoslawien an "Wert" verloren hat, politisch oder geopolitischer Natur war. Vielleicht hatten die Amis zwei weniger sichtbare Ziele: Durch die Zerstörung Jugoslawiens und die Schwächung Serbiens schwächten und warnten sie zugleich Russland und seine potenziellen Verbündeten, und durch die Krise in Jugoslawien haben sie einen bewussten Keil innerhalb der EU ausgelöst, dass sich vor allem zwischen den Franzosen, Briten und Deutschen manifestiert hat, die auch ihre eigenen Interessen verfolgten und nicht als Verbündete agierten. Die Vereinigten Staaten hatten die meisten Friedenspläne der EU für Jugoslawien abgelehnt und zu Nichte gemacht, der berühmteste war der Cutileiro-Plan und schlussendlich waren es die Amerikaner, die mit dem Dayton-Vertrag gezeigt haben, wer der Herr im Hause war.
Selbst wenn wir die These annehmen würden, die Deutschen und Amerikaner hätten Jugoslawiens Untergang mit gefördert, haben sie etwas ganz Gegenteiliges erreicht. Jugoslawien war sowohl in der Zeit von Tito und auch während der Zeit von König Aleksander der wichtigste Rückgrat der westlichen Mächte im Kampf gegen die Sowjets. Weder der türkische Neo-Osmanismus, geschweige denn ein radikalerer Fundamentalismus aus dem Nahen Osten, hätte nie einen Fuss gefasst. Durch den Zusammenbruch wurde das Eindringen anderer Kräfte erst möglich und erleichtert.
Um nochmals kurz auf die Kredite zurückzukommen: Einige Darlehen wurden auch gut angelegt, beispielsweise für das Projekt "Morava 2", bei der es um die Entwicklung der Landwirtschaft und um eine marktorientierte Industrie im Süden Serbiens ging. In einem erwünschten Alternativszenario hätten beispielsweise die Kredite für die Entwicklung gezielt kleiner und mittlerer Unternehmen verwendet werden können. Deutschland, Österreich und Frankreich hätten auch den Gastarbeiter-Rückkehrern spezielle Geschäftskredite gewähren können. Natürlich gab es für Investitionen immer noch Hindernisse, von denen der grösste Unglaube der sozialistischen Elite im Privatsektor lag. Erst Ende der achtziger Jahre wurden Einschränkungen bei der Einstellung von Arbeitnehmern aufgehoben. Die Kommunisten kümmerten sich nicht darum, dass Milliarden für ihre Villen, Jachten und Autos verschleudert wurden, aber sie hatten Mühe damit, wenn sich private Unternehmen erfolgreich entwickeln, die von der Politik unabhängig Profite erzielen.