19. Juni 2014
Energie und EU-Kandidatenstatus: Investieren in Albanien
Albaniens Ministerpräsident Edi Rama in Berlin © OWC
BERLIN. Was macht
Albanien für ausländische Investoren attraktiv? Welches sind die aussichtsreichsten Geschäftsfelder in dem Balkanland? Zu diesen und anderen Fragen standen der albanische Ministerpräsident Edi Rama und der Minister für Wirtschaftsentwicklung, Handel und Unternehmertum, Arben Ahmetaj, am 18. Juni in Berlin im Rahmen eines Investorengesprächs Rede und Antwort. Ministerpräsident Rama, seit September 2013 im Amt, gab zu Beginn einen Einblick in die wirtschaftliche Situation seines Landes.
„Wir müssen einige strukturelle Probleme überwinden. So waren wir in der Vergangenheit stark von den Rücküberweisungen der Auslandsalbaner abhängig. Um das zu ändern, brauchen wir ein neues Wirtschaftsmodell“, betonte Rama.
Hierfür sollen die eigenen Standortvorteile künftig stärker genutzt werden. „Wir verfügen hinter Norwegen über die größten Wasserressourcen in Europa. Aber wir nutzen nur 35 Prozent des Hydropowerpotenzials“, fuhr Rama fort. Im Energiebereich spielen auch die vorhandenen Öl- und Gasvorkommen eine wichtige Rolle. „Hier gibt es noch unausgebeutete onshore-Felder, die wir mit internationalen Energiekonzernen erschließen werden“, ergänzte Wirtschaftsminister Ahmetaj. Als besonders aussichtsreich stuft Ahmetaj auch die Industrie, hier vor allem die Textilindustrie, die Landwirtschaft und den Tourismus ein. Doch für neue Projekte in diesen Sektoren benötige man ausländische Partner und deren Know-how. Ein weiterer wichtiger Standortvorteil seien die Steuern und Arbeitskosten, die niedrigsten in Europa. „Bei den Kosten sind wir auf einem Niveau mit
China. Dementsprechend haben wir auch einige Anfragen chinesischer Unternehmen für Investitionen in unserem Land“, unterstrich Ahmetaj.
Ahmetaj machte folgende Rechnung auf: „Bei einem Durchschnittswachstum von sechs Prozent benötigen wir einen Aufholprozess von 22 Jahren, um beim Lebensstandard mit dem durchschnittlichen EU-Niveau gleich zu ziehen. Das ist ein langer Weg, den wir mithilfe europäischer Technologie und Investitionen beschreiten wollen“. Die demografische Komponente unterstützt diesen Prozess: 57 Prozent der Bevölkerung ist jünger als 35 Jahre. Im Rahmen eines Panels mit Vertretern von Unternehmen, die bereits in Albanien investiert haben, kamen die Themen Intransparenz der Verwaltung, komplizierte Zollregeln und Korruption zur Sprache. Die Rahmenbedingungen für Unternehmen seien sicherlich noch nicht so, wie sie sein sollten, so Rama. Beide Seiten, der Staat, aber auch die Unternehmen, müssten sich weiter verbessern. Denn einige ausländische Unternehmen in Albanien versuchten, ihre Ziele mit Mitteln zu erreichen, die sie in ihren Ländern nicht anwenden würden.
Zum Thema EU erklärte der Ministerpräsident abschließend: „Wir haben Europa als unsere Perspektive erkannt. Der Balkan ist ein Teil Europas.“ Angesprochen auf die unmittelbar bevorstehende Entscheidung des
Europäischen Rats zum Kandidatenstatus Albaniens relativierte Rama die Bedeutung: „Wir haben lange auf diesen Moment gewartet, was zeitweise für Frustration gesorgt hat. Der Kandidatenstatus ist sicherlich wichtig. Aber sollten wir ihn erhalten, wird sich für uns erstmal nichts ändern. Wir müssen weiter hart arbeiten, damit die Verhandlungen auch eröffnet werden.“
sm