[h=1]Putin zieht den nächsten Joker: Russland kann Staats-Pleite der Ukraine auslösen[/h]
Deutsch Türkische Nachrichten | 13.09.14, 10:40
Die Ukraine hat bei ihren Staatsschulden einen Passus übersehen, der es Russland ermöglichen könnte, die Staats-Pleite des Landes auszulösen. Russland ist einer der größten Gläubiger der Ukraine. Doch Präsident Wladimir Putin hat offenbar kein Interesse an einem Crash des Nachbarlandes: Denn durch das Vorpreschen der EU sind die gewaltigen Schulden der Ukraine plötzlich nicht mehr sein Problem, sondern das der europäischen Steuerzahler.
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Wladimir Putin befindet sich im Streit um die Zukunft der Ukraine in einer günstigen Position: Russland ist einer der größten Gläubiger der Ukraine. Ein Passus in den Staatsanleihen erlaubt es den Russen, die Staats-Pleite in Kiew auszulösen. (Foto: Flickr/ Reading the news by
Timo Kuusela CC BY 2.0)
Die Sanktionen der EU gegen Russland könnten sich schon bald als Bumerang erweisen. Denn Putin hat sich nicht nur militärisch in der Ost-Ukraine eine gute Ausgangsbasis verschafft. Noch viel stärker ist seine Position offenbar in wirtschaftlicher Hinsicht.
Denn die Ukraine hat sich mit ihrer hemmungslosen Schuldenmacherei in eine ziemlich missliche Lage manövriert. Ihre Gasrechnungen kann die korrupte Regierung schon lange nicht mehr zahlen.
Hier hat die EU versucht, die Russen auszutricksen – worauf Moskau durch eine Drosselung der Lieferung schon einmal die Muskel spielen hat lassen. Kiew hofft, dass die EU-Steuerzahler auf absehbare Zeit einspringen –
wie es der Regierung von Arseni “Jaz” Jazenjuk schließlich versprochen wurde.
Doch auf einem anderen Kampfschauplatz kann Putin so agieren wie die US-Hedgefonds gegen Argentinien: Er kann die Ukraine mit wenigen juristischen Kniffen in die Staatspleite zwingen. Dann werden die Garantien der EU und hier vornehmlich der deutschen Steuerzahler schlagend.
Denn die Ukraine bewegt sich hinsichtlich ihrer Staatsschulden auf äußerst unsicherem Terrain. Nicht nur, dass die Wirtschaft eklatant einbricht, das Land auf Kredite des IWF, der EU, Großbritanniens, der USA und Deutschlands angewiesen ist, damit quasi zum „Griechenland des Ostens“ und voraussichtlich zum sprichwörtlichen Fass ohne Boden wird. Sondern auch, weil sie ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber Russland nicht einhalten kann.
Dies macht sich daran bemerkbar, dass
das Land Staatsanleihen an Russland verkauft hat, jedoch nun offenbar dabei ist, eine schwere Pflichtverletzung hinsichtlich vereinbarter Bedingungen zu begehen. Schlicht und einfach deshalb, weil das Land eine wesentliche Verschlechterung der Staatsfinanzen und der Schuldenquote erlebt, was im Zusammenhang mit den verheerenden Auswirkungen wegen des Kriegs auf die ukrainische Wirtschaft steht.
Aus einer Analyse des IWF geht hervor, dass die Wirtschaftsleistung bis Ende 2014 um bis zu 6,5 Prozent einbrechen und der Schuldenstand im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt auf zwischen 67,6 und 68,9 Prozent steigen wird. In 2013 lag die Staatsschuldenquote noch bei relativ geringen 41 Prozent. Die Differenz der Verschuldungsquote zwischen 2013 und 2014 hat sich damit um etwa 28 Prozent erhöht.
Diese knallharte Erkenntnis, nämlich die extreme Verschlechterung der Wirtschaftsleistung bzw. die Erhöhung Schuldenstands dürfte daher maßgeblich sein für den wahren Grund der Waffenruhe.
Die voraussichtliche, eklatante Erhöhung der Staatsschulden der Ukraine hat jedoch noch einen pikanten Nebeneffekt. Denn die Ukraine hatte noch im Dezember 2013 eine Staatsanleihe mit zwei Jahren Laufzeit im Wert von 3 Milliarden US-Dollar an Russland verkauft.
Eine Klausel besagt jedoch, dass, „so lange die Schuld als ausstehend bestehen bleibt, der Emittent (also die Ukraine) sicher stellt, dass das Volumen der gesamten
Staatsverschuldung bzw. der staatlich garantierten Schulden zu keinem Zeitpunkt die Höhe von 60 Prozent des jährlichen nominalen Bruttoinlandsprodukt der Ukraine überschreiten dürfe“, wie die
International Financing Review berichtet.
Analysten gehen nun davon aus, dass, falls Russland sein Geld zurück verlangt, sich die Ukraine auf einen Bankrott einstellen müsste
, sollte es die Ansprüche gegenüber Russland nicht erfüllen
„Wenn Russland (aufgrund der genannten Klausel, Anm.) nun eine vorzeitige Rückzahlung verlangt, müsste die Ukraine eine ,Euroclearable‘-Anleihe zeichnen mit einer nach dem Völkerrecht enthaltenen Pari-Passu-Klausel. Ansonsten würde sie effektiv mit ihren ausstehenden Schulden in Verzug geraten“, betonte David Spegel, Leiter der Forschung und Strategie bei BNP Paribas.
Das wäre der Credit Event, oder auf Deutsch: Die offizielle Pleite, wie sie nach Definition der
International Swaps and Derivatives Association (ISDA) festzustellen wäre.
Doch könne die Kiewer Regierung einwenden, so Spegel weiter, „dass das Verhältnis der Schulden zum Bruttoinlandsprodukt dem Umstand geschuldet ist, dass es durch
die Abtrennung der Krim und den Schäden für die Wirtschaft des Landes durch die Rebellen im industriellen Kernland von Donezk und Luhansk verursacht wurde“.
Rechtlich hat diese Sicht kaum eine Chance.
Die
Verschlechterung der Staatsfinanzen hat nach Ansicht des IWF die Forderung nach einer weiteren externen Kreditaufnahme erhöht. Der letzten Einschätzung des IWF zufolge benötigt die Ukraine zusätzliche 19 Milliarden US Dollar, falls sich die Kämpfe ins kommende Jahr hinziehen.
Der IWF hatte zuletzt ein 17 Milliarden US Dollar-Programm bewilligt. Rechnet man diese 17 Milliarden US Dollar bereits bewilligter Tranchen mit den 19 Milliarden erneutem Bedarf zusammen, kommt man auf die Summe von 36 Milliarden US Dollar.
Zur Erinnerung: die Ukraine hatte bereits Ende Februar zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit und der Bezahlung lebenswichtiger Importe ein Hilfspaket von 35 Milliarden US Dollar angefordert. Dies sei der Bedarf für das laufende und das kommende Jahr, sagte der ukrainische Finanzminister Juri Kolobow.
Doch das dürfte nicht ausreichen.
Ohne den russischen Absatzmarkt wird die Ukraine dauerhaft auf die Alimentierung des Westens angewiesen sein.
Anfang September verkündete der IWF noch, wenn die Kämpfe im Osten länger dauerten, brauche die
Ukraine mindestens zwei Milliarden Dollar mehr an Krediten.
Darüber hinaus dürften die „Hilfstranchen“ des IWF jedoch auch dazu dienen, den
internationalen Banken den Ausstieg aus den ukrainischen Staatsanleihen zu finanzieren – wie vormals in Griechenland.
Fest steht, bis Ende 2018 kommen in der
Ukraine zu den fälligen 49 Milliarden Altschulden noch 40 Milliarden US Dollar neue hinzu.
Ähnlich wie in Griechenland machen die Hilfspakete des IWF den Weg frei für zusätzliche Hilfsprogramme, etwa der EU oder Deutschlands.
Deutschland hatte zuletzt 500 Millionen Euro Kreditgarantien für die Ukraine zur Verfügung gestellt. Wegen der noch immer herrschenden Korruption ist jedoch völlig unklar, wo die Gelder versickern. Zuletzt hatte die
Korruptionsbeauftragte Tetjana Schronowil ihren Job an den Nagel gehängt.
Indessen verkündete der IWF, dass die
Ukraine noch in diesem Jahr eine 1,1 Milliarden-schwere Staatsanleihe auf dem internationalen Markt auflegen wird, um vorerst das Staatsdefizit auszugleichen. Das dürfte Investoren wie Hedgefonds freuen, die wie damals in Griechenland einen Haufen Geld verdienten. Und wissen, dass der Ukraine in jedem Fall der Westen zu Hilfe kommt.
„Der IWF in lebt in einem Wolkenkuckucksheim, wenn er jetzt schon über den Marktzugang für die Ukraine in diesem Jahr redet“, sagte ein mit der Materie vertrauter Analyst. „Die wichtigste Frage von Investoren ist nicht, wann die Ukraine auf den Markt kommen kann, sondern
ob sie zu einer Neustrukturierung ihrer Schulden gezwungen sein wird“.
Dazu braucht es jedoch Russland. Der stellvertretende russische Finanzminister Sergej Storchak sagte unlängst, Russland werde sich auf einen
Schulden-Umbau nur in einem bilateralen Abkommen mit der Ukraine einlassen.
Russland ist einer der größten Gläubiger des Landes. Ohne ein Entgegenkommen des russischen Präsidenten Putin bei den Verhandlungen zu einer Schuldenrestrukturierung lässt sich ein Staatsbankrott kaum vermeiden. Doch
Putin hat entgegen der ihm unterstellten Absichten offenbar kein Interesse an einem Crash in der Ukraine: Am Mittwoch wies er seine Minister an, bei den Verhandlungen um das umstrittene Freihandelsabkommen mit der EU einen Kompromiss zu suchen und Flexibilität zu zeigen.
Am Freitag einigten sich die EU und Russland überraschend auf einen Fahrplan für das weitere Vorgehen bei dem Assoziierungsabkommen.