Wie die Titoisten Kommunisten in KZs sperrten und folterten
Quelle: ROTER MORGEN online 9, 2003
Während des zweiten Weltkriegs kämpften auf dem Boden Jugoslawiens viele Menschen aufopferungsvoll für die Befreiung von den faschistischen deutschen Besatzern, voran die Kommunistinnen und Kommunisten. Letztlich siegten sie. Ein großer Teil der Bevölkerung hoffte nun auf den Aufbau des Sozialismus. Die Gruppe um Tito versprach diesen Aufbau auch und heuchelte Treue zur kommunistischen Weltbewegung sowie zum sozialistischen Lager unter der Führung der Sowjetunion mit Stalin an der Spitze. Doch bald zeigte sich, daß die Titoisten ganz andere Absichten verfolgten.
Unter der Phrase der »Selbstverwaltung« der Betriebe wurde die Erstellung eines verbindlichen, im Interesse der Arbeiterklasse liegenden zentralen Wirtschaftsplans verhindert, und die Preise wurden weitgehend freigegeben. Damit standen die Betriebe, wenngleich staatlich, in Konkurrenz zueinander, und die Betriebsleiter konnten weitgehend schalten und walten, wie sie wollten, da die angebliche demokratische Kontrolle durch die Belegschaften auf dem Papier stehen blieb. Mit der »Selbstverwaltung« wurden sozialistische Ansätze liquidiert, wurde der Aufbau des Sozialismus verhindert. Außenpolitisch begab sich das titoistische Regime auf einen Kurs scharfer Konfrontation zum sozialistischen Lager und nahm enge Beziehungen zu den Imperialisten auf. Im kalten Krieg lieferte es den Imperialisten ideologische Schlagworte für den Kampf gegen den Kommunismus. Jugoslawien – so verbreiteten die Imperialisten – sei zwar auch sozialistisch, doch es sei eben ein »menschlicher Sozialismus«, ganz im Gegensatz zu den »stalinistischen Diktaturen«.
Konsequenterweise verurteilte das Kominform-Büro (Kommunistisches Informationsbüro), welches bestimmte Funktionen der aufgelösten Kommunistischen Internationale übernommen hatte, den Verrat der Titoisten. Tito nahm dies zum Vorwand für grausame und brutale Repressalien gegen jugoslawische KommunistInnen. Dies ist altbekannt, beispielsweise hat Enver Hoxha darüber geschrieben, doch in der westlichen Presse wurde dies natürlich totgeschwiegen. Am 04.08. dieses Jahres aber beschrieb ein Artikel ausgerechnet der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einige der Terrormethoden der Titoisten ausführlich. Wir halten dies für so bemerkenswert, daß wir diesen Artikel hier in weiten Passagen wiedergeben wollen.
Auf einer kleinen Insel namens Goli Otok (»Kahle Insel«) ließ die titoistische Führung ein KZ für kominformtreue KommunistInnen errichten:
»Die Kommunistenführer in Belgrad – neben Tito vor allem der Serbe Rancovic, der Montenegriner Djilas, der Slowene Kardelj – (die FAZ nennt diese Kommunistenschlächter »Kommunisten«, RM) brauchten einen Ort für ein Lager, in dem sie unauffällig die Leute aus ihrer eigenen Partei konzentrieren konnten, die in dem 1948 ausgebrochenen Zwist zwischen der Sowjetunion und Jugoslawien, zwischen Stalin und Tito, zu Moskau hielten. (...)
Schnell war in zwei Buchten des Goli Otok das Lager aus dem Stein gestampft, der dort der Boden ist – primitive einstöckige Gebäude mit den Zellen für die Gefangenen, die meisten waren Serben und Montenegriner. Für die Geheimpolizisten aber gab es einen hübschen Bürotrakt, dazu eine hotelähnliche Unterkunft, ein Restaurant, ein Strandbad mit Kabinen. Es waren ihrer nicht viele von der Udba, wie die politische Polizei hieß. Denn die Entscheidungen über alle Gefangenen wurden im Innenministerium der ›Föderation‹ in Belgrad gefällt. Der Goli Otok unterstand der Zentralgewalt, als einziges Gefängnis in Jugoslawien. (Mit anderen Worten: Repressalien gegen KommunistInnen waren in Belgrad Chefsache, RM.) Die tagtägliche Behandlung der Häftlinge aber war Häftlingen in die Hand gelegt, nach einem System, das ›Selbstverwaltung der Verurteilten‹ hieß. Dessen Grundlage war die Einteilung der Häftlinge in vier Stände. Der unterste waren die auf dem Goli Otok neu Angekommenen, die ›Boykottierten‹. Sie galten als Auswurf der Menschheit, doch stand ihnen der Weg zur Umkehr offen. Die ihn eingeschlagen hatten – vor allem damit, daß sie sich selber ständig beschuldigten und beschimpften -, aber noch nicht endgültig umgekehrt erschienen, hießen ›Aufgeschobene‹; der zweite Stand. Den dritten bildeten die ›Mitglieder des Kollektivs‹. Sie hatten sich als der Partei ergeben erwiesen.
Die ›Aktivisten‹, der oberste Stand, galten als unbegrenzt vertrauenswürdig und einsatzbereit. Aus dieser Gruppe kamen die Funktionäre der ›Selbstverwaltung‹ bis hinauf zu deren Leitung. Ein Teil der Aktivisten hatte den Auftrag, systematisch Untersuchungen vor allem gegen ›Boykottierte‹ zu führen. Die beiden oberen Stände waren von der Zwangsarbeit freigestellt und wohnten in besseren Gebäuden. Der Chef der ›Verurteilten-Selbstverwaltung‹ und seine ›Referenten‹ hatten ein eigenes Amtshaus. Waren Verurteilte im Hafen ausgeladen, wurden sie unter einem Schimpfgeheul durch ein hundert Meter langes Spalier aus ›Mitgliedern des Kollektivs‹ geprügelt. Viele blieben im Spalier bewußtlos liegen, manche kamen nicht wieder zu Bewußtsein. Wer das Ende erreichte, war blutüberströmt und hatte nur noch einen Fetzen am Leib. Er wurde dann in eine Organisationseinheit eingereiht, wo ›Mitglieder des Kollektivs‹ ihm ständig behilflich waren, indem sie ihn prügelten und mit erniedrigenden Ausdrücken überschütteten. Er mußte die Latrinen leeren und den höheren Ständen zu Diensten sein. Immer hatte er gebeugt zu gehen und zu stehen; schlafen durfte er nur kurz.
Die ›Boykottierten‹ hatten bis zur Erschöpfung in den Steinbrüchen der Insel zu arbeiten. An arbeitsfreien Tagen gab es eine Konferenz, auf der ›Mitglieder des Kollektivs‹ ihre Lebensgeschichte mit allen Windungen lehrhaft vortrugen. Nicht nur auf solchen Versammlungen, auch im Steinbruch, bei der Essensausgabe ließen ›Mitglieder des Kollektivs‹ brüllend den ›Genossen Tito‹ hochleben, den ›Genossen Marko‹ (das war der Innenminister Rancovic), den ›Genossen Djilas‹, das Zentralkomitee. Sie schrien auch ›Nieder mit dem Informbüro, nieder mit Stalin‹. Zweck der Torturen: Die IB-Leute (»Informbüro-Leute«, also KommunistInnen, RM) sollten den Sinn für ihre Würde und Identität verlieren; und sie sollten preisgeben, was sie vielleicht früher, im Untersuchungsverfahren, verschwiegen hatten. Viele der Gefangenen wurden wahnsinnig, manche brachten sich um. Der Goli Otok hat den Kominform-Ismus in Jugoslawien, der ohnehin nie eine formierte Kraft war, vernichtet. (Mit Kominform-Ismus meint die FAZ den Kommunismus, den Marxismus-Leninismus. Daß die KommunistInnen nicht mehr organisiert waren, liegt schlicht daran, daß die titoistischen Antikommunisten die Führung der kommunistischen Partei an sich gerissen hatten, RM.)
Von der Insel gab es kein Entkommen. Ein Erschöpfter konnte nicht kilometerweit zum Festland oder zur benachbarten Insel Rab schwimmen, und aus kleinen runden und geduckten Natursteinbunkern am Steilufer, denen Wind und Wetter durch ein halbes Jahrhundert nichts anhaben konnten, beobachteten Wachen Tag und Nacht die Küste und das Meer, das hier für jeglichen zivilen Verkehr gesperrt war. Von den Tausenden Gefangenen ist höchsten einer Handvoll die Flucht geglückt. So wußte der Westen nur, daß auf dem Goli Otok Jugoslawien Stalin-Anhänger gefangenhielt. Selbst wenn die Lenker der westlichen Mächte mehr gewußt hätten – unternommen hätten sie sicher nichts. (Natürlich nicht! RM) Eingesperrte Stalinisten in Jugoslawien waren ihnen nichts wert. (Die Imperialisten waren vielmehr froh, daß Tito ihnen diese Arbeit abnahm. RM) Sie schätzten Tito, weil er der Sowjetunion schadete und weil sie in den Irrtum befangen waren, das werde immer so sein. (Das spielt darauf an, daß Tito nach der Beseitigung des Sozialismus in der Sowjetunion auch mit ihr als einer nun ebenfalls imperialistischen Großmacht zu paktieren wußte, wenn es ihm in den Kram paßte. RM)
Das Konzentrationslager auf der ›Kahlen Insel‹ wurde für die jugoslawische Führung um Tito zu einem innenpolitischen Erfolg, dem kein außenpolitischer Schaden gegenüberstand. Besieht man es genau, ist die ›Selbstverwaltung der Verurteilten‹ auf dem Goli Otok das einzige Stück des im Westen einst von vielen gelobten jugoslawischen ›Selbstverwaltungs-Sozialismus‹, das dessen Schöpfern die Erwartungen erfüllte.« An letzterem zynischen Satz der FAZ ist etwas dran. Wirtschaftlich führte die »Selbstverwaltung« zum Chaos, letztlich zur Katastrophe für das ganze Land. Erfolgreich im Sinne der Titoisten aber war das von ihnen ausgeklügelte System, welches nur solche Häftlinge überleben ließ, die durch Folter und Qualen so entmenscht waren, daß sie systematisch ihre ehemaligen Genossen quälten und folterten – ein System, welches die Tito und Rancovic mit dem ihnen eigenen menschenverachtenden »Humor« »Selbstverwaltung der Gefangenen« nannten.
Ein Wort noch zur Motivation der FAZ bei der Publizierung dieses Artikels. Sicherlich hätte sie ihn auch früher publizieren können, doch da war das nicht opportun. Die Imperialisten – und die Chefs der FAZ gehören in Deutschland zu deren führenden Ideologen – schätzten den Titoismus, weil er den Kommunismus bekämpfte. Ein wesentlicher Bestandteil des Kampfes gegen den Kommunismus war es wie gesagt, das titoistische Jugoslawien als humane Form des Sozialismus darzustellen. Heute haben sich die Voraussetzungen für Leute wie die FAZ-Ideologen geändert. Heute gilt es, alles niederzumachen, was sich auch nur sozialistisch nennt oder nannte. Also auch das titoistische Jugoslawien. Und in diesem Zusammenhang halten es solche Herrschaften auch für nützlich, die Wahrheit über Verbrechen der Titoisten zu schreiben – selbst dann, wenn die Opfer dieser Verbrechen KommunistInnen waren.
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