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Hier werden viele offene Fragen beantwortet.
Die Welt: Herr Präsident, die Truppen der Isis stehen keine 40 Meilen vor Ihrem Amtssitz in Erbil. Wie bedrohlich ist die Lage?
Masud Barzani: Wir haben quasi über Nacht eine bedrohliche Situation an den Grenzen Kurdistans vorgefunden. Dass die Isis-Truppen stärker wurden, haben wir zwar seit Langem mit Sorge beobachtet und darüber die Regierung in Bagdad auch informiert. Doch Maliki wollte davon nichts hören. Jetzt ist die Situation sehr schwierig. Kämpfer der Isis haben gerade versucht, einen Grenzposten von uns zu überrennen. Diese Männer, von denen viele aus dem Ausland stammen, waren gut ausgerüstet. Sie verfügten über Schützenpanzer und Artillerie, die sie zuvor von der irakischen Armee erbeutet hatten. Aber unsere Peschmerga hat hart zurückgeschlagen. Wir dulden keinen Terror und werden unsere Heimat, wenn nötig, bis zur letzten Patrone verteidigen.
Die Welt: Wie konnte die Isis so stark werden?
Barzani: Das ist das Ergebnis einer falschen Politik der Regierung in Bagdad. Die Sunniten hatten ganz einfache Wünsche, die von Bagdad immer ignoriert wurden: bessere Straßen, Krankenhäuser, Schulen. Aber die schiitisch dominierte Regierung von Nuri-al Maliki hat sich nicht darum gekümmert. Die Isis hat dort deshalb an Einfluss gewonnen, weil sie sich als Sachwalter sunnitischer Interessen präsentiert.
Die Welt: Sie haben das kommen sehen?
Barzani: Gegen Bagdads Ignoranz habe ich seit Jahren protestiert. Selbst als ich Maliki vor dem Fall von Mossul warnte, hat er mir nicht geglaubt. Wir Kurden wehren uns gegen Terrorismus, aber nicht gegen die natürlichen Rechte der Sunniten. Man muss wissen, dass in den sunnitischen Gebieten nicht nur die Isis agiert. Dort sind auch sehr viele andere Gruppen unterwegs, die gegen die Zentralregierung rebellieren.
Die Welt: Das Ergebnis ist eine ungeahnte Flüchtlingswelle.
Barzani: Ja, das ist leider wahr. Viele Menschen fliehen, jeden Tag kommen Tausende zu uns, darunter viele Christen. Wo die Isis ihr Kalifat ausruft, sind sie ihres Lebens nicht mehr sicher. Auch Kurden und Schiiten werden ermordet. In Kurdistan leben verschiedene Gruppen und Religionen dagegen friedlich zusammen. Wir schützen unsere Minderheiten vor diesen Terroristen.
Die Welt: Kann Premierminister Maliki noch im Amt bleiben?
Barzani: Maliki trägt die politische und militärische Verantwortung im Irak. Wenn er die Probleme nicht so lange ignoriert hätte, wäre die Lage jetzt besser. Nun ist die Situation sehr gefährlich. Aber ich will nicht nur ihn kritisieren.
Die Welt: Können Sie uns erklären, wie diese seltsame Koalition aus alten Saddam-Anhängern und islamistischen Kriegern zustande kommt?
Barzani: Die Logik dahinter ist so alt wie simpel: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Aber wir beobachten, dass es in dieser Koalition schon Risse gibt. Die Isis will eine religiöse Diktatur, die Anhänger von Saddam wollen ihre Macht zurück. Dazu kommen über ein Dutzend militante Kleingruppen, die ihr blutiges Süppchen kochen. Am Ende müssen die Sunniten sich selbst von der Isis befreien.
Die Welt: Ihre Strategie beschränkt sich also auf die Verteidigung eigener Territorien?
Barzani: Wir schützen unsere Heimat.
Die Welt: Sie erheben keine Gebietsansprüche gegenüber Ankara oder Damaskus?
Barzani: Die Kurden in anderen Staaten müssen selbst auf friedliche Weise über ihr Schicksal entscheiden. Und an den Kurden im Irak wird eine politische Lösung nicht scheitern.
Die Welt: Wird die Isis von anderen Staaten unterstützt?
Barzani: Das ist eine gute Frage. Groß geworden ist diese Truppe im syrischen Bürgerkrieg. Und es ist auffällig, dass zum Beispiel ihre Kommandozentrale in der Stadt Rakka von Assads Luftwaffe nicht bombardiert worden ist, obwohl sie das könnte.
Die Welt: Was raten Sie in dieser schwierigen Lage der Regierung in Bagdad?
Barzani: Demokratie wurde im Irak nach der Befreiung so verstanden, dass eine Mehrheit die Minderheiten unterdrückt. Es muss aber um einen gerechten Ausgleich gehen. Um Pluralismus, um Minderheitenschutz. Das steht sogar in der irakischen Verfassung. Man muss das nur endlich umsetzen.
Die Welt: Wie weit wird Isis noch marschieren?
Barzani: Nach Kurdistan lassen wir die nicht rein. Und wenn die versuchen sollten, schiitische Gebiete oder gar Heiligtümer in Kerbala und Nadschaf zu erobern und zu zerstören, werden die Schiiten aufbegehren. Auch der Iran wird sich dann einmischen. Die Isis wird sich auf die sunnitischen Gebiete konzentrieren.
Die Welt: Vor elf Jahren haben die Amerikaner Saddam Hussein gestürzt. Welche Fehler sind danach gemacht worden?
Barzani: Die Fehler der Regierung in Bagdad habe ich bereits beschrieben. Und der größte Fehler der Amerikaner war, dass sie sich leider sehr schnell von Befreiern in Besatzer verwandelt haben. Außerdem hätte man gleich eine multireligiöse, multiethnische irakische Übergangsregierung bilden müssen. Stattdessen wurde ein ziviler US-Sachwalter eingesetzt, der die Lage hier nicht kannte, um es vorsichtig auszudrücken.
Die Welt: Waren die Amerikaner zu lange im Irak oder nicht lange genug?
Barzani: Ich war gegen einen vollständigen Abzug der Amerikaner, weil ich der Armee von Maliki nicht zugetraut habe, das Land im Notfall stabil zu halten. Heute zeigt sich, wie recht ich hatte. Hier in Kurdistan haben wir allerdings immer selbst für unsere Sicherheit gesorgt.
Die Welt: Die Regierung Schröder hat seinerzeit den Einmarsch der Amerikaner in den Irak heftig kritisiert. Hatte der damalige Kanzler aus heutiger Sicht recht?
Barzani: Die Deutschen müssen selbst wissen, ob es richtig war, sich da rauszuhalten. Aber aus unserer kurdischen Sicht war der Sturz Husseins eine Befreiung. Als die US-Armee hier 2003 ankam, wurden die Soldaten wie Befreier mit Blumen empfangen. Aber nach einiger Zeit hatten sie selbst hier mit Bombenanschlägen zu kämpfen. Sie haben sich leider sehr unbeliebt gemacht, als sie anfingen, sich in die inneren Angelegenheiten Iraks einzumischen.
Die Welt: Kann man den Irak als Staatsgebilde überhaupt noch erhalten?
Barzani: Wenn das scheitert, hat es nicht am kurdischen Volk gelegen. Wir haben uns an das föderale Prinzip gehalten. Kurdistan hat sich verhalten wie Bayern: eigenständig, aber loyal gegenüber der Zentralregierung. Bei den Schiiten und Sunniten wurden allerdings sehr viele Fehler gemacht, die kaum noch zu korrigieren sind. Der Irak zerbricht, das ist die Wirklichkeit, die manche nicht sehen wollen.
Die Welt: Werden die Amerikaner die Kurden unterstützen?
Barzani: Ich rechne nicht mit aktiver Hilfe, aber auch nicht mit Widerstand. Manche US-Politiker unterstützen uns, manche nicht. Die Unabhängigkeit Kurdistans ist am Ende aber Sache des kurdischen Volkes.
Die Welt: Das klingt so, als bliebe Ihnen gar nichts anderes übrig.
Barzani: Was sollen wir jetzt tun? Wir haben zehn Jahre lang versucht, einen demokratischen Irak zu entwickeln. Doch zu viele Menschen im Irak sehen in der Gewalt ein Mittel der Politik. Sowohl bei Sunniten wie Schiiten gewinnen radikale Kräfte an Einfluss. Und mit denen sollen wir gemeinsam einen Staat machen? Das wird nicht gehen. Völker können nur freiwillig miteinander leben, nicht aus Zwang. Es gibt hier eine kurdische, sunnitische, schiitische und christliche Identität. Aber keine irakische Identität. So ist das nun mal.
Die Welt: Haben Sie den Eindruck, dass die Nachbarstaaten eines künftigen Kurdistans mit einer Staatsgründung einverstanden wären?
Barzani: Unsere Nachbarn haben in den vergangenen zehn Jahren gemerkt, dass wir niemanden bedrohen. Unser Verhältnis zur Türkei hat sich in den vergangenen zehn Jahren enorm verbessert und ist inzwischen sehr gut. Wir unterstützen den Friedensprozess zwischen den Kurden und der türkischen Regierung. Da gab es erhebliche Verbesserungen. Der türkische Premier Erdogan hat uns in Erbil besucht. Das war ein historischer Schritt. Umgekehrt werden die Kurden für alle gute Nachbarn sein.
Die Welt: Der Iran hat erheblich an Einfluss im Irak gewonnen. Besorgt Sie das?
Barzani: Ich frage mich manchmal, warum irakische Politiker anderen Staaten so viel Einfluss gewähren. Hier in Kurdistan zählen zuerst kurdische Interessen. Ein hiesiger Politiker, der die Interessen eines anderen Landes bedient, würde vom kurdischen Volk zum Teufel gejagt werden.
Die Welt: Was erwarten Sie vom Westen? Geld? Waffen? Technologie?
Barzani: Wir können alles gut gebrauchen, was uns im Kampf gegen den Terrorismus hilft. Die Deutschen und die anderen Völker im Westen sollten uns besser kennenlernen. In Kurdistan leben Muslime und Christen friedlich zusammen. Und wir achten die Demokratie! Viele westliche und viele türkische Firmen investieren hier seit Langem. Die Lufthansa fliegt täglich Erbil an. Auf andere technologische Hilfe sind wir noch angewiesen. Wir garantieren politische Stabilität und interessante Geschäftsmöglichkeiten.
Die Welt: Wann werden Sie den unabhängigen Staat Kurdistan ausrufen?
Barzani: Noch vor gar nicht langer Zeit kam man ins Gefängnis, wenn man nur über die Unabhängigkeit gesprochen hat. Aber Unabhängigkeit ist keine Sünde. Viele, die davon nichts hören wollten, mussten sich daran gewöhnen. Unabhängigkeit ist das natürliche Recht einer Nation. Wer das leugnet, tut den Menschen Unrecht. Bevor wir aber die Unabhängigkeit erklären, werden wir das Volk fragen. Wir arbeiten mit dem kurdischen Parlament an einem Referendum zu dieser Frage.
http://www.welt.de/politik/ausland/article129833866/Werden-uns-bis-zur-letzten-Patrone-verteidigen.html
Die Welt: Herr Präsident, die Truppen der Isis stehen keine 40 Meilen vor Ihrem Amtssitz in Erbil. Wie bedrohlich ist die Lage?
Masud Barzani: Wir haben quasi über Nacht eine bedrohliche Situation an den Grenzen Kurdistans vorgefunden. Dass die Isis-Truppen stärker wurden, haben wir zwar seit Langem mit Sorge beobachtet und darüber die Regierung in Bagdad auch informiert. Doch Maliki wollte davon nichts hören. Jetzt ist die Situation sehr schwierig. Kämpfer der Isis haben gerade versucht, einen Grenzposten von uns zu überrennen. Diese Männer, von denen viele aus dem Ausland stammen, waren gut ausgerüstet. Sie verfügten über Schützenpanzer und Artillerie, die sie zuvor von der irakischen Armee erbeutet hatten. Aber unsere Peschmerga hat hart zurückgeschlagen. Wir dulden keinen Terror und werden unsere Heimat, wenn nötig, bis zur letzten Patrone verteidigen.
Die Welt: Wie konnte die Isis so stark werden?
Barzani: Das ist das Ergebnis einer falschen Politik der Regierung in Bagdad. Die Sunniten hatten ganz einfache Wünsche, die von Bagdad immer ignoriert wurden: bessere Straßen, Krankenhäuser, Schulen. Aber die schiitisch dominierte Regierung von Nuri-al Maliki hat sich nicht darum gekümmert. Die Isis hat dort deshalb an Einfluss gewonnen, weil sie sich als Sachwalter sunnitischer Interessen präsentiert.
Die Welt: Sie haben das kommen sehen?
Barzani: Gegen Bagdads Ignoranz habe ich seit Jahren protestiert. Selbst als ich Maliki vor dem Fall von Mossul warnte, hat er mir nicht geglaubt. Wir Kurden wehren uns gegen Terrorismus, aber nicht gegen die natürlichen Rechte der Sunniten. Man muss wissen, dass in den sunnitischen Gebieten nicht nur die Isis agiert. Dort sind auch sehr viele andere Gruppen unterwegs, die gegen die Zentralregierung rebellieren.
Die Welt: Das Ergebnis ist eine ungeahnte Flüchtlingswelle.
Barzani: Ja, das ist leider wahr. Viele Menschen fliehen, jeden Tag kommen Tausende zu uns, darunter viele Christen. Wo die Isis ihr Kalifat ausruft, sind sie ihres Lebens nicht mehr sicher. Auch Kurden und Schiiten werden ermordet. In Kurdistan leben verschiedene Gruppen und Religionen dagegen friedlich zusammen. Wir schützen unsere Minderheiten vor diesen Terroristen.
Die Welt: Kann Premierminister Maliki noch im Amt bleiben?
Barzani: Maliki trägt die politische und militärische Verantwortung im Irak. Wenn er die Probleme nicht so lange ignoriert hätte, wäre die Lage jetzt besser. Nun ist die Situation sehr gefährlich. Aber ich will nicht nur ihn kritisieren.
Die Welt: Können Sie uns erklären, wie diese seltsame Koalition aus alten Saddam-Anhängern und islamistischen Kriegern zustande kommt?
Barzani: Die Logik dahinter ist so alt wie simpel: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Aber wir beobachten, dass es in dieser Koalition schon Risse gibt. Die Isis will eine religiöse Diktatur, die Anhänger von Saddam wollen ihre Macht zurück. Dazu kommen über ein Dutzend militante Kleingruppen, die ihr blutiges Süppchen kochen. Am Ende müssen die Sunniten sich selbst von der Isis befreien.
Die Welt: Ihre Strategie beschränkt sich also auf die Verteidigung eigener Territorien?
Barzani: Wir schützen unsere Heimat.
Die Welt: Sie erheben keine Gebietsansprüche gegenüber Ankara oder Damaskus?
Barzani: Die Kurden in anderen Staaten müssen selbst auf friedliche Weise über ihr Schicksal entscheiden. Und an den Kurden im Irak wird eine politische Lösung nicht scheitern.
Die Welt: Wird die Isis von anderen Staaten unterstützt?
Barzani: Das ist eine gute Frage. Groß geworden ist diese Truppe im syrischen Bürgerkrieg. Und es ist auffällig, dass zum Beispiel ihre Kommandozentrale in der Stadt Rakka von Assads Luftwaffe nicht bombardiert worden ist, obwohl sie das könnte.
Die Welt: Was raten Sie in dieser schwierigen Lage der Regierung in Bagdad?
Barzani: Demokratie wurde im Irak nach der Befreiung so verstanden, dass eine Mehrheit die Minderheiten unterdrückt. Es muss aber um einen gerechten Ausgleich gehen. Um Pluralismus, um Minderheitenschutz. Das steht sogar in der irakischen Verfassung. Man muss das nur endlich umsetzen.
Die Welt: Wie weit wird Isis noch marschieren?
Barzani: Nach Kurdistan lassen wir die nicht rein. Und wenn die versuchen sollten, schiitische Gebiete oder gar Heiligtümer in Kerbala und Nadschaf zu erobern und zu zerstören, werden die Schiiten aufbegehren. Auch der Iran wird sich dann einmischen. Die Isis wird sich auf die sunnitischen Gebiete konzentrieren.
Die Welt: Vor elf Jahren haben die Amerikaner Saddam Hussein gestürzt. Welche Fehler sind danach gemacht worden?
Barzani: Die Fehler der Regierung in Bagdad habe ich bereits beschrieben. Und der größte Fehler der Amerikaner war, dass sie sich leider sehr schnell von Befreiern in Besatzer verwandelt haben. Außerdem hätte man gleich eine multireligiöse, multiethnische irakische Übergangsregierung bilden müssen. Stattdessen wurde ein ziviler US-Sachwalter eingesetzt, der die Lage hier nicht kannte, um es vorsichtig auszudrücken.
Die Welt: Waren die Amerikaner zu lange im Irak oder nicht lange genug?
Barzani: Ich war gegen einen vollständigen Abzug der Amerikaner, weil ich der Armee von Maliki nicht zugetraut habe, das Land im Notfall stabil zu halten. Heute zeigt sich, wie recht ich hatte. Hier in Kurdistan haben wir allerdings immer selbst für unsere Sicherheit gesorgt.
Die Welt: Die Regierung Schröder hat seinerzeit den Einmarsch der Amerikaner in den Irak heftig kritisiert. Hatte der damalige Kanzler aus heutiger Sicht recht?
Barzani: Die Deutschen müssen selbst wissen, ob es richtig war, sich da rauszuhalten. Aber aus unserer kurdischen Sicht war der Sturz Husseins eine Befreiung. Als die US-Armee hier 2003 ankam, wurden die Soldaten wie Befreier mit Blumen empfangen. Aber nach einiger Zeit hatten sie selbst hier mit Bombenanschlägen zu kämpfen. Sie haben sich leider sehr unbeliebt gemacht, als sie anfingen, sich in die inneren Angelegenheiten Iraks einzumischen.
Die Welt: Kann man den Irak als Staatsgebilde überhaupt noch erhalten?
Barzani: Wenn das scheitert, hat es nicht am kurdischen Volk gelegen. Wir haben uns an das föderale Prinzip gehalten. Kurdistan hat sich verhalten wie Bayern: eigenständig, aber loyal gegenüber der Zentralregierung. Bei den Schiiten und Sunniten wurden allerdings sehr viele Fehler gemacht, die kaum noch zu korrigieren sind. Der Irak zerbricht, das ist die Wirklichkeit, die manche nicht sehen wollen.
Die Welt: Werden die Amerikaner die Kurden unterstützen?
Barzani: Ich rechne nicht mit aktiver Hilfe, aber auch nicht mit Widerstand. Manche US-Politiker unterstützen uns, manche nicht. Die Unabhängigkeit Kurdistans ist am Ende aber Sache des kurdischen Volkes.
Die Welt: Das klingt so, als bliebe Ihnen gar nichts anderes übrig.
Barzani: Was sollen wir jetzt tun? Wir haben zehn Jahre lang versucht, einen demokratischen Irak zu entwickeln. Doch zu viele Menschen im Irak sehen in der Gewalt ein Mittel der Politik. Sowohl bei Sunniten wie Schiiten gewinnen radikale Kräfte an Einfluss. Und mit denen sollen wir gemeinsam einen Staat machen? Das wird nicht gehen. Völker können nur freiwillig miteinander leben, nicht aus Zwang. Es gibt hier eine kurdische, sunnitische, schiitische und christliche Identität. Aber keine irakische Identität. So ist das nun mal.
Die Welt: Haben Sie den Eindruck, dass die Nachbarstaaten eines künftigen Kurdistans mit einer Staatsgründung einverstanden wären?
Barzani: Unsere Nachbarn haben in den vergangenen zehn Jahren gemerkt, dass wir niemanden bedrohen. Unser Verhältnis zur Türkei hat sich in den vergangenen zehn Jahren enorm verbessert und ist inzwischen sehr gut. Wir unterstützen den Friedensprozess zwischen den Kurden und der türkischen Regierung. Da gab es erhebliche Verbesserungen. Der türkische Premier Erdogan hat uns in Erbil besucht. Das war ein historischer Schritt. Umgekehrt werden die Kurden für alle gute Nachbarn sein.
Die Welt: Der Iran hat erheblich an Einfluss im Irak gewonnen. Besorgt Sie das?
Barzani: Ich frage mich manchmal, warum irakische Politiker anderen Staaten so viel Einfluss gewähren. Hier in Kurdistan zählen zuerst kurdische Interessen. Ein hiesiger Politiker, der die Interessen eines anderen Landes bedient, würde vom kurdischen Volk zum Teufel gejagt werden.
Die Welt: Was erwarten Sie vom Westen? Geld? Waffen? Technologie?
Barzani: Wir können alles gut gebrauchen, was uns im Kampf gegen den Terrorismus hilft. Die Deutschen und die anderen Völker im Westen sollten uns besser kennenlernen. In Kurdistan leben Muslime und Christen friedlich zusammen. Und wir achten die Demokratie! Viele westliche und viele türkische Firmen investieren hier seit Langem. Die Lufthansa fliegt täglich Erbil an. Auf andere technologische Hilfe sind wir noch angewiesen. Wir garantieren politische Stabilität und interessante Geschäftsmöglichkeiten.
Die Welt: Wann werden Sie den unabhängigen Staat Kurdistan ausrufen?
Barzani: Noch vor gar nicht langer Zeit kam man ins Gefängnis, wenn man nur über die Unabhängigkeit gesprochen hat. Aber Unabhängigkeit ist keine Sünde. Viele, die davon nichts hören wollten, mussten sich daran gewöhnen. Unabhängigkeit ist das natürliche Recht einer Nation. Wer das leugnet, tut den Menschen Unrecht. Bevor wir aber die Unabhängigkeit erklären, werden wir das Volk fragen. Wir arbeiten mit dem kurdischen Parlament an einem Referendum zu dieser Frage.
http://www.welt.de/politik/ausland/article129833866/Werden-uns-bis-zur-letzten-Patrone-verteidigen.html