Berlin (AP) Im Streit über das Jugendstrafrecht hat der hessische Ministerpräsident Roland Koch seine Forderungen relativiert. «Aus meiner Sicht kann man da sehr pragmatisch diskutieren, und da gibt es keine verbindliche Festlegung von mir», sagte Koch am Montag in Berlin. Der
CDU-Politiker hatte zuvor für seine Forderung, das Jugendstrafrecht in Einzelfällen auch auf Täter unter 14 Jahren anzuwenden, Kritik aus seiner eigenen Partei und von der
SPD erhalten.
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«Die Frage, was wir mit Kinderbanden unter 14 Jahren machen, ist eine Diskussion, die ist langfristiger, die kann man nicht über Nacht debattieren», sagte Koch vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums. «Man kann nur auch nicht ignorieren, dass wir da ein Problem haben. Ich bin da auch sehr offen, ob wir, wie die
FDP das jetzt vorschlägt, Zwangseinweisungen in Erziehungsheime haben, ob das aus dem Jugendstrafrecht oder dem Erziehungsrecht folgt.»
Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff sprach sich gegen Kochs Vorschlag aus. Er verwies auf den einstimmigen Beschluss der Innen- und Justizminister, dass die Strafmündigkeit nicht verändert werden solle. In der Debatte stelle sich die Frage, wie man Eltern mehr in die Verantwortung nehmen könne. «Aber die Strafmündigkeit zu verändern, halte ich für falsch.»
Der Unions-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen gab Koch Rückendeckung. Offenbar drückten dessen Vorschläge eine soziale Realität aus, ansonsten würde darüber nicht so intensiv diskutiert. «Aber es gibt auch andere Themen, das stimmt auch. Und denen werden wir uns stellen und widmen.»
Präsidiumsmitglied Friedbert Pflüger zeigte sich offen für Kochs Vorschläge. «Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, das Thema der Jugendgewalt auf die politische Tagesordnung zu setzen», sagte der CDU-Politiker. Koch habe endlich «das Tabu Jugendgewalt» angesprochen. Gerade in Berlin merke man, «dass viele Menschen Angst haben, in die U-Bahn zu gehen».
Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger hielt es «in ganz wenigen Ausnahmefällen» für möglich, auch schon 13-Jährige nach Jugendstrafrecht zu bestrafen. Dies gelte aber nur, wenn dieser Jugendliche das entsprechende Bewusstsein habe und gegebenenfalls «Teil eines Netzwerkes» sei. Dann halte er «eine Strafbarkeit im Sinne des Jugendstrafrechts, das heißt Erziehung, Strenge, Besserung, für denkbar», sagte Oettinger.
Die Koalition hält
Die Arbeitsfähigkeit der großen Koalition sahen die CDU-Politiker nicht gefährdet. Jetzt sei erst einmal Wahlkampf, «und dann kommt ein Arbeitsjahr. Ich bin optimistisch, dass die große Koalition noch genügend gemeinsam angeht», sagte Oettinger und nannte als Beispiele die geplanten Reformen im Steuerrecht.
Koch erklärte, er glaube nicht, dass jemand ein Interesse daran habe, nach dem Ende der Landtagswahl «zu sagen, alles ist vergeben und vergessen. Ich glaube trotzdem, die große Koalition hat nach wie vor die volle Kraft, das vereinbarte Programm abzuarbeiten.» Dabei dürfe dem Wähler jedoch nicht vorgegaukelt werden, dass dies nach der Bundestagswahl 2009 so weitergehe. Wulff sagte, wenn die Wahlen vorbei seien, könne man endlich wieder zur Sacharbeit zurückkehren.